Starke KI noch fern

Wenn wir vor fünf Jahren die Frage gestellt hätten, wie echte KI in der Tourenplanung und -optimierung angewendet wird, hätten wir wahrscheinlich noch wenig oder gar keine Anwendungsfälle in dieser Richtung gesehen", stellte Joachim Getto, Director BearingPoint, auf dem KI-Expertentalk bei Logistik.Digital fest. Zuletzt hat sich auf diesem Feld jedoch einiges getan, wie auf der VerkehrsRundschau-Veranstaltung am 17. September im Kongresszentrum Dortmund deutlich wurde. Dort hatten die Teilnehmer im Rahmen einer Vortragssequenz zum Thema "KI in der Transportlogistik" jedenfalls reichlich Gelegenheit, den aktuellen Status quo und konkrete Anwendungen von Softwareund Telematikanbietern aus erster Hand zu erleben. Traditionelle Codes stoßen an Grenzen "Es wird immer mehr kleinere, dezentrale Entscheidungseinheiten geben - dies macht die Lieferketten komplexer. Mithilfe des traditionellen Programmierens die Effizienz zu steigern, wird immer schwieriger", skizzierte Getto in seinem Vortrag die aktuelle Ausgangslage. Schwache KI ist die aktuelle Realität Wenn man von KI rede, müsse man stets zwischen starker und schwacher KI unterscheiden. "Schwache KI fokussiert sich auf konkrete Anwendungen", so Getto und nannte als Beispiel Algorithmen, die exakt auf die Erkennung eines bestimmten Musters trainiert sind, etwa um Paletten zu erkennen. Starke KI bedeute dagegen, dass ganz unterschiedliche Anwendungen in ein komplexes System integriert werden: Sehen, sprechen, denken und schließlich vorausschauen: Das sei starke KI, so Getto, um sogleich zu betonen: "So weit sind wir noch nicht." Für die nächsten 20 Jahre werde schwache KI die Realität bleiben. Als Beispiel für eine Anwendung, die vielversprechend klingt, aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen effizient funktioniert, ist der Gedanke des Anticipatory Shipping, also der vorausschauenden Absatzplanung und antizipatorischen Disposition. Will heißen: KI-Algorithmen sagen anhand von Kundendaten voraus, welche Ware voraussichtlich zu welchem Zeitpunkt in welche Region an welchen Empfänger geliefert wird. "Dies funktioniert aber nur, wenn man eine sehr große Menge an Daten auswerten kann. Das Prinzip mit mittelmäßig wahrscheinlichen Szenarien umzusetzen, ist wenig sinnvoll", konstatierte Getto. Naheliegender sind demnach Lösungsansätze für ganz alltägliche Herausforderungen in der Transportlogistik, etwa die Kalkulation von Laderaum zur effizienteren Disposition. Gerade bei Mischpaletten sei dies eine sinnvolle, kleine Anwendung für einen selbstlernenden Algorithmus, der anhand vorhandener Kundendaten Voraussagen zu Lademetern trifft, so Getto. Die Frage laute bei KI-getriebenen Innovationen aber immer: "Bringen sie einen echten Business-Case, steigern also Effizienz und Serviceleistung?" Der Bearing-Point-Experte empfiehlt an dieser Stelle denn auch, anhand der Analyse des eigenen digitalen Reifegrads zu prüfen, ob und an welcher Stelle der Prozesse es Anwendungsfälle für eine wirklich sinnvolle KI-Unterstützung gibt. Disponent wird zum Controller Dass KI-Elemente bereits in die Lösungen von Softwareanbietern eingezogen sind, demonstrierten in Dortmund vier Aussteller: GTS Systems and consulting, Initions, TIS Technische Informationssysteme und Transics erläuterten in dreiminütigen Kurzvorträgen, welche Machine-Learningoder KI-Applikationen sie bereits in ihre Software integriert haben. Während das Initions-TMS Opheo mit einer automatischen Tourenoptimierung mit intelligenten Algorithmen aufwartet und die Transics-Telematik "TX-Fuelcompass" mittels Big-Data-Analyse Kraftstoffeinsparungen verspricht, setzt TIS auf die Verzahnung von automatisierter Tourenanpassung mit dem "Masterwissen" des Disponenten. Um dieses "Masterwissen" ging es auch in der anschließenden Diskussion. Wer wird in 20 Jahren die Entscheidungen treffen - Mensch oder Maschine? "Wir werden sicher nicht den Disponenten komplett ersetzen", sagte Stefan Anschütz, Gründer und CEO von Initions. Der Mensch als finaler Entscheider sei wichtig - er werde aber eher die Rolle eines Controllers übernehmen. Sascha Egener, Leiter Partner Account Management bei GTS, sieht dies ähnlich: "Den Mensch wird man brauchen - die komplette Intelligenz wird aber in den Serverlandschaften stattfinden." Bis es so weit ist, dürften sicherlich noch einige Jahre vergehen. Für BearingPoint-Director Getto liegt aber auf der Hand, dass sich die Player in der Lieferkette künftig eingehender mit KI beschäftigen werden - und zwar um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben: "Wenn sich KI-getriebene Lieferketten als effizient erweisen, werden diejenigen, die mit der Entwicklung nicht Schritt halten, Nachteile haben oder verdrängt." Videohighlights auf www.verkehrsrundschau.de In Kürze Auf der VR-Veranstaltung Logistik.Digital diskutierten Experten zum Thema Künstliche Intelligenz in der Transportlogistik. Bei der Frage, wer in Zukunft in der Disposition die Entscheidungen trifft, war man sich weitgehend einig: Der Mensch wird weiterhin gebraucht, wird aber zum Controller der Maschine.

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