Spielzeug zum Werkzeug

Telematiklösungen machen die Black Box Nutzfahrzeug transparent. Sie tragen so zu mehr Transportqualität und niedrigeren Kosten bei. Für Gert Kautetzky, Inhaber der Spedition Kautetzky, hat Telematik noch einen ganz subjektiven Vorteil: Sie sorgt dafür, dass der Transportprofi ruhiger schlafen kann. Hintergrund: Der Mittelständler aus dem hessischen Stadtallendorf macht den größten Anteil seines Geschäfts mit temperaturgeführten Transporten für die Pharma- und Lebensmittelindustrie - und defekte oder falsch eingestellte Kühlgeräte können hohe Schäden an der Ladung verursachen. War der Spediteur früher ausschließlich auf die Aufmerksamkeit und Erfahrung seiner Fahrer angewiesen, hat er seit einigen Jahren ein weiteres Überwachungsinstrument zur Hand: Ein mit der Kühlmaschine und den Temperatursensoren im Auflieger verbundenes Telematikgerät meldet in Echtzeit Abweichungen. "Über Apps kann man mittlerweile auch auf Smartphones die Temperatur von Trailern überwachen oder Alarmmeldungen empfangen", erklärte Kautetzky während eines Kundenforums von Cargobull Telematics, einer Tochter des Trailerherstellers Schmitz Cargobull. Telematik warnt bei Verlassen des Wegs Auch für Eric Weyand, Niederlassungsleiter von Paneuropa Roesch in Köln, steht die Temperaturüberwachung im Mittelpunkt der Telematik-Anwendungen für die gezogene Einheit. Das Unternehmen bietet temperaturgeführte Transporte im Kombinierten Verkehr an. Besonders der Hauptlauf auf der Bahn ist dabei kritisch. Bei einer Störung an der Kühlmaschine ist kein Fahrer zur Hand, um manuell einzugreifen. Deshalb stehen die Trailer mittels der Telematiklösung Trailer-Connect von Cargobull Telematics unter ständiger Beobachtung der Disponenten. Das System verfügt über eine Zweiwegekommunikation: Die Disponenten können über eine Remotesteuerung von ihrem Arbeitsplatz aus direkt auf die Kühlmaschine zugreifen und dort Einstellungen verändern, wenn die Telematik eine Temperaturabweichung meldet. Die Fortschritte in der Trailertelematik zeigen sich auch im Umgang mit Positionsdaten des Aufliegers. Konnte man vor zehn Jahren lediglich die Position der Fahrzeuge auf einer Landkarte beobachten, sind heute Geofencing-Lösungen erhältlich. Weicht das Fahrzeug von der geplanten Route oder einem festgelegten Transportkorridor ab, löst das System ohne Zutun des Fahrers einen Alarm in der Zentrale aus. Einen Kritikpunkt haben Spediteure wie Kautzetzky trotz solcher Fortschritte: Die LKW-Hersteller und die Anbieter von Trailertelematik haben es bisher nicht geschafft, ein gemeinsames Telematikportal auf den Markt zu bringen. Will ein Fuhrparkbetreiber Daten aus LKW und Trailer gemeinsam betrachten, muss er zusammen mit einem IT-Dienstleister ein teures Integrationsprojekt anstoßen. Dienstleister überwachen die Telematik Rund um die Telematik sind mittlerweile eigenständige Dienstleistungsunternehmen entstanden. Eines davon nutzt Bernd Schlumpberger, Leiter des Flottenmanagements beim Pharmaunternehmen Teva Ratiopharm. Er trägt die Verantwortung für extrem teure Ladungen - der Wert eines mit Medikamenten beladenen Trailers kann leicht die Millionengrenze überschreiten. Schlumpbergers Ansprüche an die Telematiklösung zielten deshalb nicht nur auf die Temperaturüberwachung, sondern gleichermaßen auf die Transportsicherheit. Entsprechend sind die Ratiopharm-Trailer ausgestattet. Sicherheitstürverschlusssystem, Türkontaktschalter und Wegfahrsperre sind ebenso Standard wie Telematik-Hardware. Die Transportüberwachung hat das Pharmaunternehmen an den Thermo Control Service (TCS) übergeben. Der TCS überwacht neben den Temperaturdaten Fahrzeugpositionen oder Ereignisse wie ungeplante Türöffnungen. Auch Störungen der Telematik lösen eine sofortige Reaktion aus. Verlader zahlen für Sicherheit Ein Praxisbeispiel von Fabian Schug, Produktmanager bei TCS: Über Sensorikdaten erkennt die Alarmzentrale von TCS einen Defekt an der Kühlanlage eines Trailers, der mit Medikamenten beladen ist. Die Alarmzentrale weckt den schlafenden Fahrer und findet eine nahe gelegene Werkstatt. Der LKW steuert die Werkstatt an, wo der Schaden behoben wird, bevor die Temperatur die Toleranzzone verlässt. Auch bei ungeplanten Fahrzeugbewegungen reagiert TCS und informiert notfalls Sicherheitsdienste oder die Polizei. Die 24-Stunden-Bereitschaft lässt sich TCS mit 150 Euro pro Trailer und Monat bezahlen. "Gerade bei teuren Gütern tragen auch preiskritische Verlader diesen Aufschlag", sagt Schug. Zumal sich die Sicherheitsmaßnahmen auf die Höhe der Transportversicherung auswirken. Auch der Fahrzeugbauer Schmitz Cargobull nutzt sein Telematiksystem. Seit einiger Zeit wird Trailer-Connect im Supply Chain Management eingesetzt - und zwar in den Verkehren zwischen den Werken in Litauen, Altenberge, Vrede sowie der Verzinkerei und dem Teile-Supermarkt in Gelsenkirchen. "Wir hatten in unserer Supply Chain eine Reihe von Problembereichen", berichtete Frank Bertling, Supply Chain Manager bei Schmitz Cargobull. Beispielsweise kam es zu Produktionsstillständen in der Montage, weil auf das Werk zulaufende Just-in-Sequenz-Transporte von Langträgern nicht rechtzeitig ankamen. Die Werkslogistiker hatten keine Chance, rechtzeitig gegenzusteuern, da die Transporte nicht geortet oder verfolgt werden konnten. Aus dem gleichen Grund ließ sich das Entladepersonal nicht präzise disponieren. Oft warteten die für die Entladung eingeteilten Mitarbeiter mehrere Stunden auf den LKW. Telematik sollte daher die Transparenz erhöhen. Ziel war die Installation einer Logistikschaltzentrale, in der alle Informationen über die Supply Chain zusammenfließen und die entsprechende Maßnahmen veranlasst. Voraussetzung dafür war die Übermittlung von Positionsdaten aus der Trailertelematik und eine verbindliche Meldung von Ankunftszeiten. Auf dieser Basis lassen sich Transport- und Produktionslogistik abstimmen. "Die Fertigungstaktung in der Verzinkerei kann je nach Ankunftszeit der Trailer variiert werden. Das Stillstandsrisiko sinkt", stellte Bertling fest. Elf Prozent gespart Beim Personal entfallen die Wartezeiten, heute werden die Entladeteams präzise zur Ankunftszeit bereitgestellt. Ein weiterer Pluspunkt: Die aufwendige Suche auf dem Werksgelände nach einem bestimmten Trailer ist Geschichte. Einsparungen brachte auch die Zuhilfenahme historischer Positionsdaten beim Prüfen von Transportrechnungen. Berechnete Stand- und Arbeitszeiten kann das Rechnungswesen ebenso prüfen wie abgerechnete Mautkilometer. Auch unerlaubte Fremdeinsätze der Trailer verhindert die Telematik. Allein aufgrund besserer Personalplanung für die Entladung der Litauen-Transporte und einer Senkung der administrativen Kosten spart Schmitz gut 70.000 Euro jährlich. Dem stehen einmalige Hardwarekosten von 36.941 Euro und monatliche Kosten von 680 Euro für die 34 eingesetzten Trailer gegenüber. Inklusive der Transportkosteneinsparungen rechnet Bertling mit einer Reduzierung der gesamten jährlichen Transportkosten von 698.000 Euro auf 621.000 Euro - das sind elf Prozent. Trailertelematik im Überblick Wie die Technik den Trailer intelligent macht Die Hardware für Trailertelematik besteht aus einem Empfänger für das Satellitenortungssystem GPS samt Antenne zur Ermittlung der Positionsdaten, einem Bordrechner und einer Kommunikationseinheit, die ermittelte Daten über Mobilfunk an die Zentrale übermittelt. Komplexer wird es, wenn die Telematikeinheit mit der Sensorik des Trailers gekoppelt wird. Auf diese Weise können beispielsweise Temperaturdaten, Ladungsgewichte, Informationen über die Öffnung der Türen und wartungsrelevante Informationen gesammelt und ohne das Zutun des Fahrers übertragen werden. In der Fuhrparkzentrale werden die Daten durch spezielle Softwareprogramme ausgewertet und auf Abweichungen gegenüber den Sollwerten hin analysiert. Viele Telematikprogramme sind allerdings zunächst als Stand-alone-Lösung angelegt. Dies ist ihr Schwachpunkt. Eine Integration in die Speditionssoftware oder ein ERP-Programm ist möglich, setzt jedoch oft ein komplexes IT-Projekt voraus. hel

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