Spielregeln für den Erfolg

Niedrigere Kosten, höhere Flexibilität, bessere Performance: Das erhoffen sich Unternehmen aus Industrie und Handel vom Outsourcing in der Kontraktlogistik. Die Speditions- und Logistikdienstleister erhoffen sich hingegen ein margenstarkes und mehrere Jahre planbares Geschäft. Doch häufig endet die Kontraktlogistik-Ehe für beide Seiten mit einer herben Enttäuschung: "Mindestens ein Drittel der Outsourcing-Projekte strandet", schätzt Professor Wolf-Rüdiger Bretzke, einer der erfahrensten deutschen Logistikberater und -wissenschaftler. Die entscheidenden Fehler aber werden oft schon in der Ausschreibungsphase gemacht - und zwar auf beiden Seiten. Dabei ist der erste Schritt einer Ausschreibung in aller Regel noch ziemlich harmlos. Eine Auswahl infrage kommender Logistikdienstleister bekommen Logistikfachabteilung und Einkauf des Verladers problemlos zusammen. Quellen sind eigene Erfahrungen, Empfehlungen aus anderen Unternehmen, Tipps von Beratern, aber auch Fachzeitschriftenartikel und -inserate sowie Messebesuche. Aus diesen Informationen entsteht dann eine erste Bieterliste, die je nach Ansatz 20 bis 30 Namen oder auch nur acht bis 12 Namen umfassen kann. Bernhard Rieger, Inhaber der Unternehmensberatung BR Consulting im bayrischen Röhrmoos, hält nicht viel davon, die Ausschreibungsunterlagen an eine zu große Zahl von Dienstleistern zu versenden. Er rät zu einer Qualifizierungsliste: Für deren Erstellung werden die Speditions- und Logistikbetriebe auf der Bieterliste nach rund 15 Kriterien geprüft, die der Auftraggeber unbedingt erwartet. "Dies geht relativ schnell und bedeutet weder für den Verlader noch für die Dienstleister einen zu hohen Aufwand", sagt er. Missverständnisse und Differenzen Erheblichen Aufwand verursacht der nächste Schritt: Die Ausschreibungsunterlagen müssen erstellt werden. Hier liegt oft der Ausgangspunkt für spätere Missverständnisse und Differenzen zwischen den Partnern. Um vernünftig kalkulieren zu können, brauchen die Dienstleister ausführliche Informationen zu allen Kostentreibern, wie Rolf Imhof, Inhaber der Logistikberatung Logistikplus mit Sitz im schweizerischen Greifenwald, herausstellt. Unerlässlich ist beispielsweise ein präzises Mengengerüst, das nicht nur auf Jahresdurchschnittswerten beruht, sondern auch Saisonspitzen und -täler präzise aufzeigt. "Außerdem müssen die Verlader eine vollständige Prozessbeschreibung vorgeben", sagt Rieger. Er nennt ein Beispiel: Die pauschale Vorgabe, der Dienstleister sei für den Wareneingang verantwortlich, reiche nicht aus. Stattdessen müssten die Einzelprozesse aufgeführt werden, die der Verlader im Wareneingang erledigt haben will, beispielsweise Entladung, Eingangskontrollen, Qualitätskontrollen, Dokumentenabwicklung und Buchen im System. "Wenn ein Logistikdienstleister auf nicht definierte Prozesse anbietet, begibt er sich auf sehr dünnes Eis", warnt Rieger. Auf diesen Punkt machen auch andere Berater wie Bretzke aufmerksam: "Mitunter wird sehr spezielles Geschäft ausgeschrieben", weiß der Experte. "Da trägt der Verlader eine hohe Mitverantwortung daran, dass der Dienstleister versteht, für was er anbietet. Schließlich treffen ihn auch die Folgen, wenn es schief geht", warnt Bretzke. Scheinausschreibungen schmerzen Nicht immer reichen aber Papier- und Datenblätter, um die Anbieter auf einen ausreichenden Informationsstand zu bringen. Der Konzernbereich "Infrastructure and Cities" der Siemens AG hat deshalb für komplexere Ausschreibungsvorhaben einen Lieferantentag entwickelt, der Teil des Ausschreibungsprozesses ist. Dort werden bis zu 15 Dienstleister, die auf der ersten größeren Auswahlliste (Long List) stehen, gemeinsam mit der Ausschreibung vertraut gemacht. Das hat laut Siemens den Vorteil, dass alle Bieter gleichbehandelt werden und die Informationsvermittlung rationeller ist, als wenn jeder Anbieter in Einzelgesprächen seine Fragen stellt. Nicht nur die Verlader haben die Qual der Wahl, sondern auch die Dienstleister. "Wir bekommen deutlich mehr Ausschreibungen, als wir bearbeiten können", sagt Nils Ballhausen, Business Development Manager der BLG Logistics Group in Bremen. Das geht vielen Kontraktlogistik-Dienstleistern so. Die Bearbeitung einer halbwegs komplexen Ausschreibung nimmt mehrere Mannmonate an Bearbeitungszeit in Anspruch. Fünfstellige oder gar sechsstellige Investitionen allein in die Angebotserstellung und administrative Folgekosten kommen sehr schnell zusammen - und das Geld kommt nur wieder herein, wenn der Dienstleister den Kontrakt gewinnt. Da schmerzen besonders Scheinausschreibungen, bei denen der Verlader gar keine echte Wechselabsicht hat, sondern nur den Markt sondieren möchte. "Solche Ausschreibungen erkennt man an dem mageren Datenmaterial, unrealistischen Zeitvorgaben für die Bearbeitung oder der fehlenden Bereitschaft, Rückfragen zu beantworten", sagt Ausschreibungsexperte Rieger. Erfolgsaussichten kritisch hinterfragen Aber selbst die Bearbeitung jeder seriösen Ausschreibung dürfte für die meisten Dienstleister nicht möglich zu sein. Logistikplus-Chef Imhof rät, die eigenen Erfolgsaussichten kritisch zu hinterfragen. "Wenn man den Kunden keinen Mehrwert bieten kann und keine Synergien zu seinem übrigen Geschäft hat, ist es unwahrscheinlich, dass man den Auftrag gewinnen kann", sagt der Schweizer, der vor allem mittelgroße Verlader berät. Imhof hat zudem beobachtet, dass es manche Dienstleister bei der Qualität des Angebotes schleifen lassen. So würden einige Dienstleister die Vorgaben in der Ausschreibung nicht beachten, klare Anforderungen nicht detailliert bearbeiten oder versuchen, eigene Zusätze geltend zu machen. Wie es nach der Angebotsabgabe weitergeht, ist dann von Fall zu Fall unterschiedlich. Der Bereich "Infrastructure and Cities" des Siemens-Konzerns lädt zum Beispiel zunächst zum "Supplier Day", danach finden telefonische Fragerunden und gegebenenfalls Besichtigungstermine statt. Nach Angebotsabgabe und Konzeptpräsentationen kommen dann fünf Dienstleister in die nächste Runde. Mittels eines sogenannten E-Bidding-Verfahrens, einer standardisierten elektronischen Verhandlung, wird die Zahl der Anbieter auf zwei reduziert. Mit diesen beiden Kandidaten werden dann Vertragsgespräche auf Basis eines Standardvertrages aufgenommen. Entscheidend für die Vergabe ist eine internetgestützte Auktion, die dazu dient, aus den beiden vergleichbaren Angeboten Preisreserven herauszuholen. Solche elektronischen Prozesse sind in der Kontraktlogistik - im Gegensatz zu Transportausschreibungen - bislang allerdings eher selten anzutreffen, wie die beiden Experten Imhof und Rieger betonen. Aus gutem Grund: Viele weiche, aber dennoch wichtige Entscheidungsfaktoren, lassen sich mittels dieser Verfahren nicht quantifizieren: Beispielsweise, ob Verlader und Dienstleister bezüglich Unternehmenskultur, Größe und strategischer Ausrichtung überhaupt zusammenpassen. Für elektronische Verhandlungsverfahren sprechen dagegen ihre Strukturiertheit, Nachvollziehbarkeit und Effizienz. Für eine weltweite Ausschreibung im Bereich des Warehousing benötigte Siemens nach eigenen Angaben von der internen Absprache bis zur Vertragsunterzeichnung gerade einmal 17 Wochen. Zum Vergleich: für Großprojekte sind Branchenkennern zufolge normalerweise zehn Monate von der Versendung der Ausschreibungsunterlagen bis zum Vertragsabschluss durchaus realistisch. Kampfpreise rächen sich häufig Rieger rät der verladenden Wirtschaft in jedem Fall, dass Vergabeverfahren von vornherein für den Dienstleister transparent zu machen. Die Bieter sollten jederzeit wissen, in welchem Stadium das Vergabeverfahren gerade ist. Welche Angebots- und Evaluierungsstufen eine Kontraktlogistikausschreibung auch durchläuft - am Ende muss sich der Auftraggeber entscheiden. In der Praxis hat sich eine Entscheidungsmatrix durchgesetzt, die die einzelnen Vergabekriterien definiert und gewichtet. "Der Preis hat bei Logistikkontrakten ein hohes Gewicht, aber er nimmt in seiner Bedeutung ab", hat Rieger beobachtet. Stattdessen rücken bei zahlreichen Industrie- und Handelsfirmen Leistungsparameter und Risikobetrachtungen stärker in den Fokus. Aus seiner Sicht empfiehlt es sich daher, Vereinbarungen abzuschließen, die für die Dienstleister Anreiz schaffen, die Kosten zu reduzieren oder die Qualität der Dienstleistung zu verbessern. Nicht die Preise zum Einstieg seien allein entscheidend, sondern das Rationalisierungspotenzial, das man im Laufe der Vertragslaufzeit gemeinsam heben kann. Auch Bretzke warnt Auftraggeber vor einer reinen Preisfixierung: Kampfpreise würden sich spätestens bei Veränderungen der Rahmendaten auch für den Verlader rächen, sagt er. Schon bei geringen Anlässen seien sie dann mit aufwendigen Forderungen nach Anpassung der Konditionen konfrontiert. Auch der Verlader sollte daher kalkulieren, ob die angebotenen Preise nachhaltig und seriös sind. Eine böse Falle lauert auch, wenn sich beide Seiten über Preise und Leistungen eigentlich schon einig sind. Wenn dies in einen juristischen Vertragsrahmen gegossen werden soll, stellt sich mitunter heraus, dass Dienstleister mit dem Standardvertrag des Auftraggebers nicht leben können oder wollen. Tipp von Rieger: Die Vertragsunterlagen sollten daher schon vor der endgültigen Vergabeentscheidung dem verbleibenden Dienstleister übermittelt werden, damit etwaige Differenzen rechtzeitig auf den Tisch kommen. Rolf Imhof gibt einen Vertragsentwurf sogar bereits mit den Ausschreibungsunterlagen an den Bieter - das schließt ein böses Erwachen auf der Zielgerade aus. Checkliste Diese Fallstricke sollten Sie bei der Ausschreibung vermeiden - Mengengerüst, Kostentreiber und Prozesse sind bei der Ausschreibung nicht detailliert genug beschrieben- Das macht eine seriöse Angebotskalkulation durch den Dienstleister unmöglich- Vertragsangelegenheiten kommen zu spät auf den Tisch Beispiel: Der Dienstleister sieht sich mit Haftungsregelungen konfrontiert, die nicht versicherbar sind und im Falle des Eintritts die Existenz des Unternehmens gefährden- Bei der Kalkulation überschätzt der Dienstleister Synergien zwischen dem neuen Auftrag und Bestandsaufträgen. "Branchenabhängige Unterschiede in den Abwicklungen begrenzen die Synergien", warnt Holger Lorenzen, Geschäftsführer von Metroplan Logistics Management Auch die auftragsübergreifende Standardisierung von Prozessen sei selten umsetzbar, da sich die Abwicklung für verschiedene Kunden in Details unterscheiden- Während der Verhandlungen werden wichtige Fragen vergessen Beispiel: Wer übernimmt die Kosten für die Systemintegration? Wie werden die Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer definiert?- Der Dienstleister muss prüfen und berücksichtigen, ob ein Teilbetriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt. In diesem Fall ist die Übernahme von Personal des Auftraggebers zu berücksichtigen- Haftungsrisiken aus dem Auftrag sind zu prüfen und mit der Versicherung abzuklären- Verlader sollten prüfen, ob sie genügend Kompetenz und Ressourcen für die Ausschreibung im eigenen Haus haben oder besser einen spezialisierten Berater für die Ausschreibung hinzuziehen hel Tipps für den Ausschreibungsprozess Die VDI-Richtlinie zur Kontraktlogistik Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat eine Richtlinie zum Thema "Outsourcing am Beispiel der Kontraktlogistik" erarbeitet. Sie umfasst drei Blätter: Blatt 1 behandelt das Thema "Outsourcing-Entscheidung" und ist vor allem für die verladende Wirtschaft interessant. Blatt 2 nimmt sich des Outsourcing-Projektes an. Blatt 3 dreht sich um den Outsourcing-Prozess. Blatt 2 ist bereits erschienen und gibt wertvolle Hilfestellungen und Standards für den Ausschreibungsprozess vor. Dazu zählen unter anderem die Erstellung des Lastenheftes, Angebotskalkulation und Vertragsabschluss. Auch wer mit seinem eigenen Ausschreibungs- beziehungsweise Angebotsprozess zufrieden ist, sollte sich die Richtlinie zu Gemüte führen, empfiehlt Bernhard Rieger, Unternehmensberater in Röhrmoos, der als Experte an der Erarbeitung der Richtlinie beteiligt war. Grund: VDI-Richtlinien haben vor Gericht ein hohes Gewicht, bei juristischen Auseinandersetzungen kann es also durchaus helfen, wenn man sich auf die Richtlinie beziehen kann.Die VDI-Richtlinie steht kostenpflichtig unter www.beuth.de zum Download bereit. hel

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Export: USA bleiben wichtigster Handelspartner

Batteriehersteller: Northvolt beantragt Gläubigerschutz

Deutsche Wirtschaft wächst im dritten Quartal minimal

Alle Schlagzeilen

Spielregeln für den Erfolg

HASHTAG

#Kontraktlogistik

Plötzlich kein Spediteur mehr

Ceva: Mehr Gewinn, weniger Umsatz

Vedes bündelt Logistikaktivitäten

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

WEITERLESEN

NEWSLETTER