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Spediteure kritisieren EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung

17.05.2019 11:31 Uhr
Europäischer Gerichtshof, EuGH
Arbeitgeber sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet werden, die gesamte Arbeitszeit alle Beschäftigten systematisch zu erfassen
© Foto: Alexandre Marchi/MAXPPP/dpa/picture-alliance

Mehrere Verbände des deutschen Speditionsgewerbes haben sich nach der Entscheidung des höchsten EU-Gerichts über eine allgemeine Pflicht zur Erfassung aller Arbeitszeiten besorgt geäußert.

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Berlin/Hannover/München. Das deutsche Speditionsgewerbe hat besorgt auf das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über eine allgemeine Pflicht zur Erfassung aller Arbeitszeiten reagiert. Diese Entscheidung werde weder dem Bedarf der Arbeitgeber noch dem der Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität im Job nicht gerecht, hieß es. Es verursache zudem zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Unternehmen und erschwere es ihnen, Fachkräfte zu finden.

„Das Urteil, das im Sinn der Arbeitnehmerrechte und mit Gesundheitsschutz argumentiert, erinnert ein bisschen an eine Reise mit der Zeitmaschine“, sagte jetzt Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des Landesverbandes Bayerischer Spediteure (LBS). Alle Bemühungen und Errungenschaften zu mehr Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Sinn von Work-Life-Balance oder Vertrauensarbeitszeit würden damit zwischen Zeiterfassung und Aktendeckeln zerrieben. „Wir wollen eine Arbeitswelt 4.0 und reaktivieren dazu ein Prinzip aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: die Arbeitszeitkontrolle – flächendeckend mittels Stempeluhr? Das ist aus der Zeit gefallen. Dabei ist es egal, ob man die Arbeitszeit mit Stempelkarte oder Smartphone erfasst.“

Vor allem kaufmännische Beschäftigte betroffen

In Speditions- Transport- und Logistikunternehmen müssen heute schon die täglichen Arbeitszeiten von vielen Mitarbeitern genau erfasst werden: Nicht nur bei Berufskraftfahrern, sondern auch bei Beschäftigten aus der Branche, die ein verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt unter 2958 Euro brutto beziehungsweise bei Arbeitsverhältnissen mit längerem Bestand unter 2000 Euro brutto erhalten. „Für Arbeitgeber aus den Bereichen Spedition, Transport und Logistik bedeutet das Urteil bürokratischen Mehraufwand, da sie künftig auch die Arbeitszeiten aller anderen Beschäftigten systematisch erfassen sollen“, sagte Markus Suchert. Er leitet das Referat Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht im Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Suchert fürchtet für die Arbeitszeitverwaltung kaufmännisch Angestellter – diese wären vor allem von möglichen Verschärfungen betroffen – einen Rückschritt.

Aus Sicht der LBS-Geschäftsführerin mangelt es heute schon in der Speditions- und Logistikbranche nicht an Vorschriften und Regeln, um ordentliche und sozialverträgliche Arbeitszeiten und deren Einhaltung sicherzustellen. Mehr wäre durch eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit innerhalb der europarechtlichen Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie gewonnen, sagte sie. Also von einer Abkehr von der täglichen Höchstarbeitszeit zu einer wöchentlichen Betrachtung. „Es sind gerade die Arbeitnehmer, die sich mehr Gestaltungsfreiraum in ihren Arbeitszeiten wünschen, um Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können“, berichtet Lehmann. Zukunftsorientierte Unternehmen, die sich in einem kontinuierlichen Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte befinden, wüssten genau, dass sie diese nicht mit unattraktiven Arbeitszeiten oder der Aussicht auf zahllose Überstunden gewinnen könnten.

Vorgaben für deutsche Unternehmen noch unklar

Aus Sicht von Benjamin Sokolovic, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) ist noch unklar, mit welchen Vorgaben deutsche Arbeitgeber im Einzelnen rechnen müssen. „Wie die Arbeitszeit erfasst werden soll, bleibt nach dem Urteil den Mitgliedsstaaten überlassen. Je nachdem, um welche Tätigkeit es geht oder wie groß ein Unternehmen ist, könnten die Vorgaben unterschiedlich ausfallen.“ Der Rechtsanwalt wies darauf hin, dass der deutsche Gesetzgeber entsprechende Regelungen auf den Weg bringen muss. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte bereits angekündigt, vor einer möglichen Gesetzesänderung das Gespräch mit Gewerkschaften und Arbeitgebern suchen zu wollen, „damit wir das Richtige tun und nicht übers Ziel hinausschießen“. Ungeachtet dessen müsse auch künftig gewährleistet sein, betonte Sokolovic, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer verpflichten können, die von Ihnen geleistete Arbeit selbst aufzuzeichnen. (ag)

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