Sicherheitskonzept klar abstecken

Gabelstapler sind wahre Multitalente: Mit ihrer Fähigkeit, schwere Lasten zu heben und zu transportieren und sich dabei auf engstem Raum zu bewegen, sind sie im Lager und beim Be- und Entladen von Lkw unentbehrlich geworden. Stapler sind schnell, wendig und leicht zu bedienen. Die flinken Helfer haben allerdings auch ihre Schattenseiten, denn es kommt nach wie vor regelmäßig zu Unfällen: 11.691 meldepflichtige Unfälle mit Gabelstaplern zählte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) für das Jahr 2017, drei davon tödlich. Die Zahl der tödlichen Unfälle ist im Laufe der letzten Dekade zwar stark zurückgegangen - im DGUV-Berichtsjahr 2008 waren es noch 14 - die Gesamtzahl ist allerdings nur minimal gesunken. Nach Auswertungen der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) machen Anfahrunfälle mit 65 Prozent den Großteil der Unfälle aus. Zum Unfallgeschehen tragen allerdings auch immer wieder Beschäftigte bei, die von einer kippenden oder rollenden Last getroffen werden. Ebenso seien Abstürze von der Ladefläche oder von einer ungeeigneten Arbeitsbühne regelmäßig wiederkehrende Unfallursachen. Schwere Ladung, schlimme Folgen "Dass Mitarbeiter beim Be- und Entladen vom Stapler angefahren werden, kommt in der Lagereibranche leider häufig vor", weiß Johann Kurzendorfer von Smurfit Kappa, einem führenden Anbieter von papierbasierten Verpackungslösungen. Kurzendorfer hat viele Jahre Staplerfahrer geschult, bevor er 2013 zu dem Wellpappe-Hersteller kam. Er ist als Safety-Leader für die Arbeitssicherheit an den Standorten Plattling und Feucht zuständig. Be- und Entlade-Unfälle gingen zwar oft glimpflich aus, so Kurzendorfer. Bei Smurfit Kappa aber werden Papierrollen und schwere Wellpappe-Gebinde verladen. "Wird ein Mitarbeiter von einer solchen Ladung getroffen, sind die Folgen verheerend", sagt der Sicherheitsexperte. Um dieses Unfallrisiko zu minimieren, hat Smurfit Kappa für alle Standorte das Sicherheitskonzept No-Zone aufgelegt (siehe Kasten unten). Es sieht vor, die Kontaktmöglichkeiten zwischen Mensch und Stapler so gering wie möglich zu halten, und legt - je nach Beschaffenheit der Ladung - eindeutig definierte Sicherheitsabstände und Handlungsanweisungen für alle Beteiligten fest. Aushänge reichen nicht Klare Ansagen für das Personal sind gut - aber werden sie auch eingehalten? Diesem Dilemma musste sich auch Smurfit Kappa stellen. Zunächst wurden die Vorgaben der No-Zone über organisatorische Lösungen abgewickelt, es wurden also Betriebsanweisungen ausgehängt und die Mitarbeiter wurden entsprechend geschult. Laut Kurzendorfer bestand dadurch zwar Rechtssicherheit - aber Unfälle konnten letztendlich nicht ganz verhindert werden. Die Gründe sind allzu menschlich: Die Performance von Lagermitarbeiter und Fahrer sei nicht immer gleich und somit komme es ab und an zu unüberlegtem Handeln, weiß der Sicherheitsbeauftragte. Will heißen: Die Beteiligten möchten in der Nähe des Geschehens sein, also an der Laderampe - und bei Bedarf bei der Be- und Entladung helfen. "Die Mitarbeiter versuchen den für sie einfachsten Weg zu gehen und setzen sich damit unbewusst über eigentlich bekannte Sicherheitsregeln hinweg", räumt Kurzendorfer ein. Absperrung am Fahrerhaus So hat sich Smurfit Kappa schließlich intensiv darüber Gedanken machen müssen, wie die Einhaltung der No-Zone lückenlos gewährleistet werden kann. "Ziel war vor allem, dass der Fahrer beim Be- und Entladen erst gar keine Möglichkeit hat, dem Stapler in die Quere zu kommen", sagt Kurzendorfer, der damit betraut war, für den Standort Plattling eine Lösung für die Einhaltung der No-Zone sicherzustellen. Dafür wurde ein Absperrungskonzept für die Rampe entworfen, das im Februar 2014 umgesetzt wurde: Bei der seitlichen Beladung hindert seitdem eine Absperrung den Fahrer daran, die Be- und Entladezone vor der Ladefläche des Lkw zu betreten. Die No-Zone gilt für alle Werke. In den anderen Werken wurde das Barrieresystem jeweils individuell umgesetzt. "Wir haben in vielen Werken Heckbeladung, hier ist eine abgesperrte No-Zone also nicht nötig", so Kurzendorfer. Bei einigen Werken finde die Be- und Entladung direkt auf dem unüberdachten Verladehof statt. "Dort bleiben die Fahrer in der Regel im Fahrerhaus sitzen." Die Plattlinger Mitarbeiter hätten sehr positiv auf die eingezäunte No-Zone reagiert, berichtet Kurzendorfer. Es sei für das Verladepersonal schließlich beruhigend, wenn sie nicht länger parallel zur Arbeit auf dem Stapler den Fahrer im Auge behalten müssten. "Sie wissen, wo er steht und vor allem, dass er dort auch bleibt." Staplerverkehr sicherer gestalten Bei Smurfit Kappa beschränkt sich das Thema Arbeitssicherheit bei Staplern nicht nur auf die Rampe. "Wir beschäftigen uns darüber hinaus damit, wie wir den Staplerverkehr im Lager sicherer gestalten können", sagt Kurzendorfer. Bereits seit 2013 sei in einem Werk ein Stapler mit einem funkbasierten Sicherheitssystem des Anbieters Comnovo ausgestattet worden. Dabei trägt der Mitarbeiter einen Chip, der Staplerfahrer wird daraufhin alarmiert, wenn sich Fußgänger in der Nähe befinden. Seit 2017 sei zudem auf einem weiteren Stapler ein Assistenzsystem von Blaxtair im Einsatz, das Personen kamerabasiert detektiert und den Fahrer entsprechend warnt. Das System habe den Vorteil, dass es unabhängig von der Zustimmung der Mitarbeiter genutzt werden könne, da diese keinen Chip tragen müssten. "Wir haben mit beiden Systemen gute Erfahrungen gemacht, sie haben sich voll und ganz bewährt", betont Kurzendorfer. Welches Warnsystem allerdings in der Breite eingeführt werden könnte, sei noch nicht final entschieden. So oder so tragen die Investitionen in die Arbeitssicherheit unübersehbar Früchte: "Mit Stand 4. Dezember 2018 sind wir am Standort Plattling 1236 Tage unfallfrei in dem Sinne, dass keine Mitarbeiter Ausfalltage hatten", so Kurzendorfer. Mehr zum Thema im Dossier Arbeitssicherheit Lager www.verkehrsrundschau.de/dossiers Sicherheitskonzept bei Smurfit Kappa No-Zone im LagerWährend der Fahrt des Staplers darf sich nach Konzernvorgaben bei Smurfit Kappa keine Person im Umkreis von vier Metern neben der gehobenen Last befinden, wenn diese höher als 20 Zentimeter angehoben ist. Der Sicherheitsabstand von vier Metern gilt beim Transport und beim Be- und Entladen von Paletten beziehungsweise eckiger Ware. Bei Papierrollen, die - sollte der Stapler diese verlieren - wegrollen können, beträgt der Sicherheitsabstand 15 Meter. Beim Be- und Entladen von Lkw darf sich keine Person auf der Ladefläche sowie innerhalb eines Korridors von vier Metern (Paletten) beziehungsweise 15 Metern (Papierrollen) rund um das Fahrzeug befinden. Sollte sich eine Person in der No-Zone befinden, ist die Last sofort abzusenken und der Staplerfahrer muss die Arbeit unterbrechen. Am Standort Plattling wird die Einhaltung der No-Zone-Vorgaben seit 2014 durch ein Absperrungskonzept gewährleistet. mh

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