Stehen die Schweizer Spediteure aufgrund der Aufwertung des Frankens jetzt vor dem Aus?
Judith Fischer: Nein. Die Wirtschaft musste damit rechnen, dass dieser Zustand des festen Wechselkursverhältnisses zwischen Euro und Franken nicht ewig dauern kann. Allerdings ist die schockartige Aufhebung des Wechselkurses eine Herausforderung für die Schweizer Wirtschaft, aber nicht nur für sie. Ein schrittweises Vorgehen wäre für unsere Branche angenehmer gewesen.
Wie stark sind Ihre Unternehmen von dem Anstieg des Frankens betroffen?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt von den Geschäftsfeldern, der Struktur und den Margen der Unternehmen ab. Es trifft sicher die am härtesten, die hauptsächlich in den EU-Raum liefern. Auch die Exporte werden schwer betroffen sein. Diese Unternehmen haben mit einem Schlag 20 Prozent weniger Einnahmen, wenn sie sich in Euro bezahlen lassen und die Löhne und sonstigen Kosten aber in Franken berechnen müssen. Das ist eine brutale Ausgangslage.
Wie kann man diese bewältigen?
Das hängt von dem Unternehmen ab und von der weiteren Entwicklung des Schweizer Frankens. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank in der letzten Woche, in einem enormen Ausmaß Staatsanleihen zu kaufen, wird den Franken gegenüber dem Euro weiter aufwerten. So werden sich wohl einige Spediteure aus dem internationalen Geschäft zurückziehen. Diejenigen, die sich in Schweizer Franken zahlen lassen, haben womöglich noch eine gewisse Übergangszeit.
Welche Maßnahmen können Schweizer Speditionen ergreifen, um diese Belastung abzufedern?
Das ist schwierig. Kleinere Unternehmen, die wenig Luft haben, sind da sicher schwerer betroffen als größere Betriebe, die sich leichter tun, ihr Geschäft umzustrukturieren. Man muss noch mehr als bislang sich die Kosten genau angucken. Man muss versuchen, Effizienzsteigerungen zu realisieren und die Abläufe überprüfen. Aber die Margen sind stark unter Druck. Diese Lage zu bewältigen, ist anspruchsvoll.
Müssen die Spediteure jetzt ihre Preise senken?
Ich halte es für falsch, sich jetzt gegenseitig preislich zu unterbieten. Fakt ist, dass die großen Kostenblöcke wie Löhne, Fiskalabgaben und Betriebsinfrastrukturkosten nach wie vor in Schweizer Franken anfallen. Daher besteht absolut kein Spielraum für Preissenkungen.
Werden vermehrt ausländische Anbieter in der Schweiz Transporte anbieten?
Es ist tatsächlich damit zu rechnen, da es mit einem Schlag finanziell noch attraktiver geworden ist für Anbieter aus dem Ausland, in der Schweiz Transporte anzubieten. Das ist aber illegal. Die Kabotagebestimmungen gemäß Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU gewinnen für die Schweiz an Bedeutung und sie müssen mit allen Mitteln durchgesetzt werden. Wir werden daher die Verlader und die Behörden für die Bestimmungen sensibilisieren und auch unsere Mitglieder darauf hinweisen, dass sie den Strafverfolgungsbehörden Verstöße melden, wenn ihnen solche auffallen.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, diese Situation zu meistern?
Diese Frage muss jedes Unternehmen für sich beantworten. Nicht nur unserer Branche kommen derzeit wenigstens die niedrigen Zinsen und Treibstoffkosten entgegen. Ich könnte mir vorstellen, dass auch politische Projekte jetzt unter Druck kommen wie die geplante Erhöhung der Mineralölsteuer ab 2018 um 5 bis 7 Rappen pro Liter (entspricht derzeit 5 bis 7 Cent).
Das Interview führte VR-Redaktuer Michael Cordes.
Hintergrund:
Am 15. Januar hat die Schweizerische Nationalbank beschlossen, den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro aufzuheben. Zweck des festen Wechselkurses war der Schutz der Schweizer Wirtschaft. Nach der Aufhebung der Koppelung stürzte der Kurs des Franken auf 1,00 Euro. Verlangt also ein Schweizer Händler 1,20 Franken für eine Tafel Schokolade, so müssen dafür jetzt 1,20 Euro bezahlt werden und nicht mehr 1,00 Euro wie vor dem 15. Januar. (cd)