Schlank, effizient und kooperativ

Das Erbe, das Horst Kottmeyer antritt, ist kein leichtes. Die beiden letzten Präsidenten des BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung), Hermann Grewer und Adalbert Wandt, haben jahrelang in der Spitze des Verbandes gewirkt und damit als Repräsentant des BGL in der Öffentlichkeit wie auch in der Politik an Bekanntheit gewonnen. Mit Kottmeyer tritt nun ein eher unbeschriebenes Blatt die Nachfolge an. Ein Familienbetrieb durch und durch Horst Kottmeyer, Jahrgang 1962, sieht man seine 56 Jahre nicht an. Seit er in diesem Jahr am 15. April von den Mitgliedern des Aufsichtsrates im BGL zum Vorsitzenden des Gremiums gewählt wurde, steht er in vorderster Position beim BGL, zusammen mit Dirk Engelhart, Vorstandssprecher des Verbandes. Mit Kottmeyer beginnt ohne Frage eine neue Ära im BGL, in mehrfacher Hinsicht - dazu später mehr. Grund genug, Kottmeyer vor Ort am Sitz seines Unternehmens in Bad Oeynhausen zu besuchen. Dort führt er die gleichnamige Spedition, ein Familienbetrieb durch und durch. Sein Opa führte einen Landhandel, sein Vater stieg schon früh in das elterliche Geschäft ein und erweiterte das Unternehmen um einen Fuhrbetrieb. Heute führt Horst Kottmeyer die Spedition zusammen mit seiner Frau Bettina und seinem Sohn Jörn. Selbst der Vater ist noch aktiv im Unternehmen. Mit seiner Frau wohnt Kottmeyer direkt neben dem Speditionsgelände, in direkter Nachbarschaft zu dem Haus seiner Eltern. "Für mich war schon als Kind klar, dass ich in die Spedition einsteige", sagt Kottmeyer. Schon als Schüler hat er im Betrieb mitgeholfen. "Als Erstes bin ich Lkw gefahren, erst danach Pkw und dann Mofa", erzählt der zweifache Vater. Wobei: Lkw und Pkw hat er als Minderjähriger natürlich nur auf dem Betriebshof bewegt. Seine Lehre als Speditionskaufmann hat er bei einer befreundeten Spedition gemacht. Das Unternehmen hat sich auf Volumentransporte spezialisiert. Die Kunden stammen vor allem aus der Auto-, Baustoff- und Verpackungsindustrie. Ein Schwerpunkt sind Transporte von und nach Großbritannien. Da macht ihm der Brexit (siehe Kasten Seite 28) natürlich besonders zu schaffen. Eine große Herausforderung für sein Unternehmen wie auch für die gesamte Branche ist der Fachkräftemangel, hier insbesondere der Fahrermangel: "Derzeit haben wir bei uns zwar keine ganz großen Lücken. Aber wir bekommen demnächst fünf zusätzliche Fahrzeuge. Dann benötigen auch wir wieder Personal." Fahrer als Aushängeschild der Spedition Wie bei vielen Unternehmen, so geht es auch bei Kottmeyer nicht ohne ausländische Fahrer. Etwa 50 kommen aus Osteuropa. "Die erhalten den gleichen Lohn wie ihre deutschen Kollegen. Wir würden auch gerne einheimische Fahrer einstellen, aber wir finden keine", beschreibt er das Problem. Mittlerweile hat er auf dem Gelände Unterkünfte errichtet, wo die Fahrer aus dem Ausland am Wochenende übernachten können, wo es Aufenthaltsräume und Toiletten und Duschen für sie gibt. Kottmeyer weiß, wie wichtig es ist, einen guten Umgang mit seinen Mitarbeitern zu pflegen. Denn die Fahrer sind zusammen mit den Lastwagen das Aushängeschild des Unternehmens. Als ein Aushängeschild des Straßentransportgewerbes gilt auch der BGL. Allerdings hatte dieses Schild in den letzten Jahren ein paar Kratzer erlitten. Der Verband hat nicht nur von Jahr zu Jahr Mitgliedsunternehmen verloren, sondern auch vermehrt vom Bestandvermögen aus der Vergangenheit gelebt. Als Folge hatte das Präsidium des BGL, dem auch Kottmeyer angehörte, zusammen mit der Geschäftsführung die Reißleine gezogen und unter anderem eine Umstrukturierung beschlossen. Nach außen hin die vielleicht sichtbarste Veränderung: Es gibt kein Präsidium mehr und keinen Präsidenten. An dessen Stelle treten der Aufsichtsrat und sein Vorsitzender. Und es gibt auch keine Hauptgeschäftsführung mehr. Das operative Tagesgeschäft liegt nun in den Händen des Vorstandes, derzeit bestehend aus seinem Sprecher Dirk Engelhardt und Adolf Zobel. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören ist: Wer ist denn nun der Chef beim BGL? Weiterhin ein Unternehmer in Form des Aufsichtsratsvorsitzenden? Oder doch der Vorstandssprecher? Kottmeyers Art ist es wahrlich nicht, den Zampano zu spielen. Andererseits zeigt seine Antwort auf diese Frage, wer die letzte Entscheidungsgewalt hat: "Personalverantwortung habe ich zusammen mit meinen Aufsichtsratskollegen. Streng genommen sind wir diejenigen, die den Arbeitsvertrag mit Herrn Engelhardt unterschreiben müssten, wenn er nicht schon einen hätte." Letztlich sollte bei einem Unternehmerverband auch ein Unternehmer in vorderster Position stehen oder ein Gremium besetzt von Unternehmern, so Kottmeyers Einschätzung. In dem Gespräch wird deutlich, dass ihm nicht daran gelegen ist, eine Chefdebatte anzuzetteln: "Dirk Engelhardt und ich verstehen uns gut. Wir tauschen uns intensiv aus und sprechen uns ab, wann wer gefordert ist." Die Zäsur beim BGL hat aber die Gewichte in der Führungsspitze verschoben. Denn der Aufsichtsrat soll sich nicht mehr in dem Umfang wie bislang das Präsidium in die Verbandsarbeit einbringen, sondern dem Vorstand mehr Handlungsspielraum und Befugnisse geben sowie schnellere Entscheidungswege ermöglichen. Von dem alten, sechsköpfigen Präsidium, das über Jahrzehnte die Geschicke des Verbandes bestimmte, ist zudem nur einer übrig geblieben, der Jüngste, nimmt man die Zugehörigkeit zum Präsidium als Maßstab: Horst Kottmeyer, seit 2012 dem Gremium angehörig. Erstmals eine Frau im AR des BGL Zum neu geschaffenen Aufsichtsrat gehören vier weitere neue Unternehmensvertreter, darunter mit Henriette Koppenhöfer erstmals eine Frau. Gegenüber dem Präsidium also eine Person weniger. "Wir wollen uns als Verband schlank und effizient aufstellen", sagt Kottmeyer. Dazu gehöre, neben einer schlankeren Vergütungsstruktur, dass es im Aufsichtsrat weniger Sitzungen geben werde als früher. Stattdessen werde man die Möglichkeiten der Digitalisierung stärker nutzen: "Wir beabsichtigen, uns auch über Web/Videokonferenzen auszutauschen", sagt der neue AR-Chef. Die Entscheidungen für die Neustrukturierung im Verband hatten wesentlich auch mit den roten Zahlen zu tun, die der BGL geschrieben hat. "Der BGL macht keine Verluste mehr, sondern erwirtschaftet schwarze Zahlen", stellt Kottmeyer klar. Das sei die Arbeit von Dirk Engelhardt und dem BGL-Team gewesen und sei auch weiterhin ihre Aufgabe. Verschiedene Maßnahmen hätten dazu beigetragen. So konnte unter anderem das Bürohaus in Frankfurt besser ausgelastet werden, in das der Landesverband Hessen und der neue Wirtschaftsdienst des Verbandes (WGL) eingezogen sind. Auch die zeitweise Erhöhung der Beiträge von den Landesverbänden des BGL habe bewirkt, dass Verluste der Vergangenheit angehören. Doch nicht nur der BGL muss seine Hausaufgaben erledigen, auch seine Landesverbände: "Die Anzahl der Landesverbände wird sich mittelfristig verringern, wir müssen größere Einheiten bilden", sagt Kottmeyer. Wissen das die Landesverbände auch schon? "Ich glaube, das ist den Landesverbänden bewusst", antwortet Kottmeyer, der auch Vorsitzender des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) ist. Dort hat er erlebt, wie die beiden starken Verbände Nordrhein und Westfalen fusioniert haben - und welche Vorteile damit verbunden waren. Einen Umzug des BGL nach Berlin schließt Kottmeyer aus: "In Frankfurt sind unsere Mitarbeiter. Auf deren Kompetenz wollen wir nicht verzichten und Frankfurt ist ideal gelegen, wenn die Vertreter der Landesverbände zu Terminen anreisen. Wir haben zudem starke und bestens vernetze Teams in Berlin und Brüssel " Der BGL will in der neuen Struktur nicht nur mit seinen Landesverbänden enger zusammenarbeiten. Auch die Kooperationen mit den SVG (Straßenverkehrsgenossenschaften) und dem Versicherer Kravag sollen intensiviert werden. "Wir alle haben registriert, dass die Konstellation in der Vergangenheit für die Zukunft nicht mehr ausreicht", sagt Kottmeyer. So ist die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft bereits auf den Weg gebracht. Hier sollen den Mitgliedsunternehmen Mehrwerte vermittelt werden, die auch den Anreiz für Nicht-Mitglieder erhöhen sollen, einem Landesverband beizutreten. Neben einer stärkeren Zusammenarbeit mit den anderen Transport- und Logistikverbänden in Deutschland (siehe VR 10/2019, Seite 14) sucht der BGL auch die Nähe zu den Verbänden in anderen EU-Staaten, um in Brüssel die Interessen der Mitgliedsunternehmen besser zu vertreten. Dazu gibt es bereits erste Erfolgsmeldungen, wie gemeinsame Stellungnahmen von Transportverbänden aus Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen sowie Frankreich zu dem Mobilitätspaket, über das im Europäischen Parlament diskutiert wurde. "Mittlerweile sind wir in Westeuropa ja zahlenmäßig in der Minderheit gegenüber den osteuropäischen Ländern. Wenn Westeuropa geschlossen dasteht, ist das von Vorteil zum Beispiel bei Themen wie dem Mobilitätspaket", sagt Kottmeyer. Ab diesem Sommer werde man ein Gemeinschaftsbüro mit den oben genannten westeuropäischen Verbänden in Brüssel beziehen, um die Zusammenarbeit zu intensivieren und eine noch größere Schlagkraft zu entwickeln. Im Gespräch ist der BGL derzeit auch mit dem niederländischen Frachtführerverband TLN, ob dieser ebenfalls an einem Engagement im gemeinsamen Büro in Brüssel interessiert ist. Mobilitätspaket mit Folgen Das Mobilitätspaket ist aus Sicht von Kottmeyer auch ein gutes Beispiel für eine hervorragende Verbandsarbeit. "Welche Folgen dieses Paket hat, ist den Unternehmen noch gar nicht klar", sagt Kottmeyer. Denn wenn die Regelung wie geplant verabschiedet wird, müssen die Lkw alle vier Wochen in das Heimatland zurückkehren. "Mit der neuen Generation der digitalen Tachografen, die ab Mitte des Jahres Pflicht werden in Neufahrzeugen, lässt sich dann nachweisen, ob diese Regel eingehalten wird", sagt Kottmeyer. Das sei vor allem für Standorte fernab von Deutschland wie Bulgarien oder die lettischen Länder eine erhebliche Belastung. "Die Letten beispielsweise müssen mit dem Fahrzeug per Fähre wieder zurück", nennt er ein Beispiel. Die Folge nach Ansicht des Spediteurs: "Das Geschäftsmodell der großen osteuropäischen Flotten, die nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland unterwegs sind, erhält dadurch einen erheblichen Dämpfer." Auf den Einwand, dass dann die Lkw aber auch in Deutschland angemeldet werden könnten, entgegnet Kottmeyer: "Gerne. Mit deutschem Kennzeichen, mit deutscher Kraftfahrzeugsteuer, mit deutschem Mindestlohn von deutschen Behörden überwacht." Kottmeyer glaubt, dass damit eine Verknappung des Laderaums einhergeht. Die droht von einer weiteren Seite: Denn auch den Fahrzeugen von 2,4 bis 3,5 Tonnen - den sogenannten Polen-Sprintern - soll das Leben erschwert werden. Frachtraum, der vor allem auf Ladebörsen angeboten und nachgefragt wurde, um mal eben ein, zwei Paletten von A nach B zu befördern. "Mit dem derzeit vorliegenden Text für das Mobilitätspaket müssten auch diese Fahrzeuge künftig mit einem digitalen Tacho ausgestattet werden und es gelten dann die Regeln wie für Lkw ab 3,5 Tonnen: Lenkzeit- und Kabotageregeln müssten eingehalten und könnten überprüft werden", sagt Kottmeyer. Vor allem der BGL habe sich für die Regelung starkgemacht. Eine solche Reglementierung würde zweifelsohne das Frachtraumangebot verringern. Noch ist zwar nicht sicher, ob die Regelung kommt. Aber dennoch, für Kottmeyer sind dies Beispiele für gute Verbandsarbeit: "Das zeigt, dass sich eine Mitgliedschaft in einem Verband lohnt." Und das ist auch eine wichtige Motivation für ihn, warum er sich im Aufsichtsrat des BGL engagiert. Denn, das gesteht er ein, der Aufwand dafür ist beachtlich. Ohne Rückhalt im Unternehmen - besser gesagt, in der Familie - wäre ein solches Engagement nicht möglich. "Meine Verbandstätigkeiten sind nur machbar, weil meine Frau und mein Sohn mir durch ihren Einsatz im Unternehmen diese Freiräume ermöglichen", sagt Kottmeyer. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verbände www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Spedition Kottmeyer Nicht nur Transporteur, sondern auch Anbieter von LagerflächenDie Spedition Kottmeyer mit Hauptsitz in Bad Oeynhausen hat 300 Mitarbeiter, darunter 230 Lkw-Fahrer. Zudem greift die Spedition neben den eigenen Fahrzeugen (180) noch auf etwa 15 Fahrzeuge von festen Subunternehmen zurück. Spezialisiert hat sich das Unternehmen auf Jumbo-Transporte. Kottmeyer ist Mitglied der Kooperation Elvis. Der Jahresumsatz beträgt 30 Millionen Euro. Zwei Niederlassungen befinden sich in Recklinghausen und Hamburg.Kottmeyer verfügt zudem über große Lagerflächen. In Bad Oeynhausen erstrecken sich die eigenen Lagerhallen auf 28.000 Quadratmeter, weitere 5000 Quadratmeter kommen in Recklinghausen dazu. cd Wie Kottmeyer sich auf den Brexit vorbereitet Eine trügerische Ruhe vor dem SturmDie Spedition Kottmeyer ist Spezialist für Großbritannien-Verkehre. Durchschnittlich sind 40 Lkw pro Woche im Großbritannien-Verkehr im Einsatz. Dabei nutzt das Unternehmen für den Weg nach Großbritannien den Eurotunnel.Der Brexit hat den Dienstleister auf Trab gehalten. Mittlerweile ist es "erstaunlich ruhig" geworden um das Thema, sagt Kottmeyer. Die Kunden hätten bei den Planungen den Brexit häufig nicht mehr auf dem Schirm. Auch er gesteht, dass er das Thema nach dem Hickhack darum in den ersten drei Monaten mittlerweile etwas gelassener sieht. Auf die Frage, ob dass die richtige Einstellung sei, kommt die Antwort schnell und eindeutig:"Nein."Allerdings hat Kottmeyer schon einige Vorbereitungen getroffen: "Wir sind mittlerweile zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (AEO), das hilft uns für den Ernstfall." Auch mit seinen Kunden hat er intensive Gespräche geführt, damit im Falle eines Brexits Komplikationen möglichst vermieden werden. "Erst auf unser Drängen hin haben sich in Großbritannien zwei Kunden als zugelassener Empfänger registrieren lassen", erwähnt Kottmeyer. Ein Beispiel dafür, dass auch in der Industrie nicht alle die Zeichen der Zeit erkannt haben. Doch man fragt sich, wie sich ein Unternehmer wie Kottmeyer in der Verbandspolitik engagieren kann, wo doch auf der Gegenseite die Politik mit der Wirtschaft Katz und Maus spielt. Hier hat Kottmeyer ein differenziertes Bild: "Es ist hier die britische Politik, die dieses Chaos verursacht", so Kottmeyer. Die Politik in Deutschland hingegen würde sich um die Belange der Unternehmen kümmern und die Verbände bei der Vorbereitung des Brexits unterstützen. Das gehe von Handreichungen bis hin zu großen Veranstaltungen mit dem Brexit-Beauftragten der Landesregierung NRW, Friedrich Merz."Ich bin sogar angenehm überrascht, wie sehr sich die deutsche Politik kümmert, um die Unternehmen in Deutschland bei dem Brexit so gut es geht zu unterstützen", sagt Kottmeyer. cd

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