Schiene im Fokus beim BME-/ VDV-Forum

Klimaschutz steht bei Gerolsteiner Brunnen mit Sitz in Gerolstein/Eifel ganz oben auf der Agenda. So will der Mineralwasser-Produzent bis 2030 seine klimarelevanten Emissionen am eigenen Standort verglichen mit 2016 um 59 Prozent reduzieren. Dafür setzt man an etlichen Hebeln an - etwa an der eigenen Energieerzeugung aus Biomasse und Sonnenlicht. Auch entlang der Lieferkette, vor allem bei Transporten und Verpackung, will das Unternehmen im Zusammenspiel mit seinen Lieferanten und Dienstleistern die Emissionen Schritt für Schritt in den kommenden Jahren senken. Grund genug für Gerolsteiner, sich nun einem Bündnis von mehr als 20 Unternehmen anzuschließen, die gemeinsam den zweigleisigen Ausbau der Schienen-Eifelstrecke zwischen Trier-Ehrang und Hürth bei Köln vorantreiben wollen, um in Zukunft mehr Güter auf der Bahn abwickeln zu können. Mehr Informationen dazu im Kasten auf Seite 28. Verlader wollen vermehrt Güter auf die Schiene verlagern. Das war auch die klare Botschaft des 17. Forums Schienengüterverkehr vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Es stand unter dem Motto: "Einzelwagen, Warengruppen und Ganzzüge - ohne Wagenladungs-Verkehre keine Klimawende!" "Eine Million Lkw müssen wir im Güterverkehr also auf die Schiene verlagern, wenn Deutschland im Verkehrssektor bis 1. Januar 2030 seinen CO2-Ausstoß um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren will", sagte Bernd Weisweiler, Director Business Development von TX Logistik, zu den Teilnehmern. Positive politische Signale Die Rückendeckung seitens der Politik ist umstiegswilligen Unternehmen im Moment gewiss. So übermittelte Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr (BMDV), den Teilnehmern auf dem Forum gleich mehrere positive Botschaften. Unter anderem sprach er sich für die Überarbeitung der heutigen Trassenpreis-Systematik aus: "Das bisherige Trassenpreis-System nutzt zu wenig die Möglichkeit, dass Preise ihre Lenkungswirkung entfalten können." Sprich: Die Trassenpreise für attraktive Strecken würden dadurch zwar teurer für die Unternehmen, wenig befahrene Strecken aber auch günstiger. "Wir bleiben bei der Förderung sowohl von KV-Terminals als auch von Gleisanschlüssen", sicherte Theurer außerdem zu. Damit nicht genug: Die Bundesregierung will in diesem Jahr auch den Einzelwagenverkehr stärker fördern. Die Förderrichtlinie, mit der der Bund diesen jährlich mit 300 Millionen Euro fördern will, liege bereits in Brüssel. Mit der Notifizierung der Richtlinie rechnet das BMDV noch im Februar (Anm. d. Red.: Redaktionsschluss am 23. Februar). Umstieg mit Hürden Selbst für bislang weniger schienenaffine Verlader rückt der Verkehrsträger Bahn vermehrt in den Fokus. Er komme als Speditions-Sohn traditionell eher vom Lkw, erzählt etwa Christian Utsch. Er ist Geschäftsführer Logistik der Getränke & Mehr Servicegesellschaft (GMS); diese ist Teil der Krombacher Gruppe und versorgt schwerpunktmäßig Gastronomie und den Lebensmittel-Einzelhandel mit Getränken. Auf der letzten Meile werde der Lkw auch bleiben - GMS verfüge hier über eigene Lkw und Fahrer. Bei den Hauptläufen indes, also in der Versorgung der 20 GMS-eigenen Lagerstandorte in Norddeutschland, könne aber die Schiene vermehrt zum Einsatz kommen, so Utsch. Konkret geht es um rund 250 Lkw-Komplett-Ladungen in der Woche - wenngleich mit starken saisonalen Schwankungen. Eine Verlagerung auf die Schiene sei laut Utsch wegen der relativ geringen Mengen nur im Einzelwagenverkehr oder Intermodalverkehr möglich. In diesen Bereichen habe es bereits etliche Anläufe seitens GMS gegeben. Aus unterschiedlichen Gründen aber funktionierten sie bislang nicht - entweder mangels Menge, weil sich die GMS-Lagerstandorte nicht in der Nähe von KV-Terminals befanden, oder weil die Zugverbindungen eingestellt wurden. Dass bei GMS die Verlagerung auf die Schiene teilweise nun doch klappt, liegt an dreierlei: an der Eröffnung eines Kombi-Terminals in Kreuztal, unweit des Stammsitzes von Krombacher, an der Sprengung der Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid sowie am pandemiebedingten Fahrer- und Frachtraum-Mangel. Seit 2023 transportiert GMS deshalb Getränke im intermodalen Verkehr von den Münchener Brauereien nach Lübeck und Norderstedt; Partner ist die Spedition Dettendorfer. Gerolsteiner: Frühzeitig die Kunden mit ins Boot holen Gerolsteiner Brunnen mit Sitz in Gerolstein/Eifel hat sich ambitionierte CO2-Reduktionsziele gesetzt. Deshalb will der Hersteller von Mineralwasser-Produkten künftig auch stärker die Bahn nutzen. Nennenswertes Verlagerungspotenzial auf die Schiene sehe er dann, wenn es zum vollständigen zweigleisigen Ausbau der Eifelstrecke zwischen Trier und Köln komme, erklärt Marcus Schumacher. Er ist bei dem Unternehmen für das Supply-Chain- Management zuständig. Neues Bündnis Deshalb schloss sich Gerolsteiner auch dem neuen Bündnis von über 20 Unternehmen an, das diesen Ausbau fordert. Vor allem Transporte in Ballungsräume wie nach Hamburg, München und innerhalb des Gerolsteiner Stammgebiets in Nordrhein-Westfalen ließen sich dann künftig auf der Bahn abwickeln. "Wir müssten unsere Produkte nur knapp vier Kilometer nach Gerolstein per Lkw befördern. Dort könnten wir sie auf die Bahn verladen", erklärt er. Positiv sei auch, dass die Voraussetzungen wie Gleisanschluss und Umschlagsgerät am Containerterminal Gerolstein schon vorhanden sind. "Wir können uns vorstellen, dadurch mittelfristig pro Jahr 2500 bis 3000 Lkw-Transporte in unserer Distribution auf die Schiene zu verlagern." Langfristig sei sogar sehr viel mehr möglich, sagt Schumacher, was indes vor allem von der Flexibilität und Zuverlässigkeit der Bahn sowie der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit abhänge. "Zumal unsere Kunden seit Jahrzehnten von uns anderes gewohnt sind - was im volatilen Mineralwasser-Geschäft sehr wichtig ist", betont er. "Der Lkw kann einfach flexibler agieren als die Bahn. Das wird auch langfristig unsere größte Herausforderung bleiben." Umso wichtiger sei es, die Kunden frühzeitig dafür zu sensibilisieren und mit ins Boot zu holen. eh "Das klappt sehr gut", betont Utsch. Auch weil die Spedition mit ihren Lkw auf die Straße ausweichen könne, wenn es mit dem Schienentransport nicht klappt, etwa bei schlechten Witterungsbedingungen oder bei Streiks. Zusätzlich hat GMS, zusammen mit der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein, im intermodalen Einzelwagenverkehr eine Lösung für 45-Fuß-Curtainsider-Wechselbehälter entwickelt. "Dieses kleine Pflänzchen ist mit zehn Wechselbehältern pro Woche gestartet, von Kreuztal nach Norderstedt, Bremen und Berlin", berichtet Utsch. "Und gerne hätten wir auch deutlich mehr gemacht." Aus wirtschaftlichen Gründen sei dieser Verkehr aber im November 2023 eingestellt worden. Die Schiene behält er dennoch im Fokus, auch wenn es "ein steiniger Weg ist. Man muss dafür bereit sein. Zumal wir als Unternehmen nicht ausreichend Volumen für Ganzzüge haben." Hoffnung machen Utsch die neue Lkw-Maut und die angekündigte Förderung des Einzelwagenverkehrs. "Das müsste dem Einzelwagenverkehr doch Rückenwind geben." Bei aller Umstiegswilligkeit der Verlader und Zusagen aus dem BMDV, gibt es aber auch eine Kehrseite. Der Verkehrsträger Schiene werde ausgebremst, moniert etwa Raffael Kalvelage, Referent Mobilität und Logistik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Dies betreffe auch die Industriebetriebe, die sich wegen der Klimaschutz-Vorgaben große Ziele gesetzt hätten. Kritisch sieht er vor allem die sukzessive Abschmelzung der Trassenpreis-Förderung über die nächsten Jahre. Und: Die gesamte Korridorsanierung sei durch die Kürzung der Haushaltsmittel gefährdet. 45 Milliarden Euro bis 2027 habe der Bund dafür bislang veranschlagt; nun seien nur noch 11,5 Milliarden Euro bis 2027 über den Bundeshaushalt und 20 Milliarden Euro über eine Eigenkapital-Erhöhung der Deutschen Bahn bis 2029 zugesichert. Zudem dürfe die Bahn zwar einen Kredit von mehreren Milliarden Euro aufnehmen, "doch das wird nicht reichen, wenn wir die Korridorsanierung bis 2030 durchfinanzieren wollen", mahnt Kalvelage. Und da seien die Investitionen für den Bau neuer Schienen noch gar nicht miteingerechnet, die nötig seien, um wirklich mehr Verkehre vom Lkw auf die Bahn zu verlagern.

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