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Scheuers weist Pkw-Maut-Vorwürfe zurück

02.10.2020 09:25 Uhr
Andreas Scheuer
Die Vernehmung von Scheuer im Maut-Untersuchungsausschuss ist am frühen Freitagmorgen nach fast fünf Stunden beendet worden
© Foto: Michael Kappeler/dpa/picture-alliance

Die verhinderten Mautbetreiber hatten vorgelegt und den Verkehrsminister an mehreren Fronten unter Druck gesetzt. Dieser kam tief in der Nacht als letzter Zeuge zu Wort und versuchte, brenzlige Punkte abzuräumen.

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Berlin. Bei der Aufklärung der gescheiterten Pkw-Maut hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zentrale Vorwürfe zurückgewiesen. Ein Angebot der Betreiber zu einer Verschiebung eines Vertragsschlusses bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben, sagte Scheuer in der Nacht zu Freitag im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Damit steht Aussage gegen Aussage in dieser Frage, die die Opposition besonders ins Visier genommen hat. Drei Manager der Betreiberfirmen hatten im Ausschuss von einem solchen Angebot an Scheuer berichtet.

Es war kurz nach Mitternacht, als der Minister auf das Treffen zu sprechen kam, um das es geht – ein Frühstück am 29. November 2018 im Ministerium, etwa 45 Minuten lang. Für die spätere Betreiberseite saß der Chef des Ticketspezialisten CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, dabei. Er habe Scheuer angeboten, mit der Vertragsunterzeichnung auf das Urteil zu warten, berichtete er. Der habe das aber „entschieden“ abgelehnt. Der Maut-Start müsse 2020 sein, im Wahljahr 2021 sei das inakzeptabel. Der Chef des zweiten Konsortialpartners Kapsch, Georg Kapsch, der ebenfalls teilnahm, bestätigte die Darstellung.

Niederlage galt als unwahrscheinlich

Scheuer konterte dies. Es habe auch kein Anlass bestanden, über eine Verschiebung eines Unterzeichnungstermins zu sprechen. „Vom Vertragsschluss war zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sehen.“ Denn das Angebot des Konsortiums lag da noch eine Milliarde Euro über dem von Bundestag bewilligten Rahmen von zwei Milliarden Euro. Außerdem sei man nach breiter Expertise davon ausgegangen, dass die Pkw-Maut vor Gericht durchgeht und eine Niederlage „total unwahrscheinlich“ sei.

Dieser Punkt spielt in der Aufklärung eine große Rolle. Denn Scheuer wird vorgeworfen, die Verträge Ende 2018 geschlossen zu haben, bevor Rechtssicherheit bestand. Die Maut lag da schon beim EuGH – der sie im Juni 2019 kippte, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Vor Scheuer hatte schon sein damaliger Staatssekretär Gerhard Schulz im Ausschuss verneint, dass es ein Warte-Angebot der Unternehmen gab. Für die Opposition ist die Frage noch nicht erledigt. FDP und Grüne kündigten zunächst für Schulz an, „wegen Ungereimtheiten und Erinnerungslücken“ eine Gegenüberstellung der Zeugen zu beantragen.

Sprinter und Kleinbusse waren Optionen

Scheuer konterte auch einen anderen Punkt. Schulenberg und Kapsch hatten im Ausschuss gesagt, der Minister habe im November 2018 „optionale Leistungen“ in Aussicht gestellt, wenn die Basisvergütung im Maut-Angebot reduziert würde. Dabei ging es demnach im Laufe der geplanten Vertragszeit von zwölf Jahren um eine mögliche Ausweitung der Pkw-Maut etwa auch auf Sprinter und Fernbusse – die zu der Zeit aber gar nicht beschlossen war. Kapsch sagte, er habe dies kategorisch abgelehnt. Scheuer sagte, er könne nicht ausschließen, dass dies Thema gewesen sei. Es sei aber allgemein um Entwicklungen in Europa über die Nutzerfinanzierung von Straßen gegangen.

Als der Minister kam, hatten die Abgeordneten schon rund zwölf Stunden Sitzung hinter sich. Im Ausschuss holte der CSU-Mann dann kurz vor der Geisterstunde erstmal zu einem weiten Bogen in Sachen Maut aus – und verteilte die politische Verantwortung großflächig. „Die Infrastrukturabgabe ist nicht ein Projekt von Minister Scheuer.“ Vom schwarz-roten Koalitionsvertrag 2013 bis zum Scheitern am EuGH seien es 2011 Tage gewesen – in seiner Amtszeit 461 Tage. Und auch als reines CSU-Projekt will Scheuer die Maut nicht verstanden wissen.

Scheuer verteilt politische Verantwortung

Er erinnerte an die Ansage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), kein Inländer dürfe draufzahlen. Das habe alles anspruchsvoller und die Umsetzung schwieriger gemacht. Schließlich sei das Maut-Modell ein Kompromiss geworden. Und das Gesetz habe samt einer geänderten Version zweimal „alle politischen Prozesse“ durchlaufen, mit Bundestag, Bundesrat und zwei Bundespräsidenten. Seine Aufgabe als Minister sei dann gewesen: „Die Exekutive setzt Gesetze um.“

Das ging nach dem Stopp der Maut nicht mehr. Scheuer verteidigte es, die Verträge mit den Betreiberfirmen direkt nach dem EuGH-Urteil zu kündigen – und zwar nicht nur deswegen. „Wir konnten nicht zufrieden sein mit dem Stand der Umsetzung.“ Auch damit widersprach er den Betreibern, die von einer politisch motivierten Kündigung sprachen.

Betreiberfirmen fordern Schadenersatz

„Wir haben immer sauber gearbeitet“, beteuerte Kapsch. Der Bund habe nie mit einem Projektabbruch gedroht. Die Gründe der Kündigung sind wichtig für ein laufendes Schiedsverfahren. Die Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz. Der Bund hält dagegen, dass die Firmen bei einer Kündigung aus mehreren Gründen gar keine Ansprüche hätten.

Übermäßig zerknirscht mochte sich Scheuer auch nicht geben, was ganz generell eine Maut in der Zukunft angeht. „Wer nutzt, der zahlt. Dieses Grundprinzip leuchtet ein.“ Es könne außerdem eine ökologische Lenkungswirkung haben. In Europa habe diese Diskussion Aktualität, und sie werde in den nächsten Jahren noch neu entflammen. (dpa/ag)

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