Wiesbaden. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem am Mittwoch veröffentlichten Jahresgutachten 2013/14 Zweifel daran geäußert, dass die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur tatsächlich nur über Steuererhöhungen finanziert werden können. „Ein gewisser Bedarf für öffentliche Investitionen lässt sich in Deutschland zwar nicht abstreiten. Er besteht jedoch nicht in Höhe der derzeit kursierenden Beträge,“ heißt es in dem Gutachten. Die von Wissenschaftlern auf Basis der Ergebnisse der so genannten Deahre-Kommission ermittelten 3,8 Milliarden Euro, die der Staat jährlich für den Erhalt der Infrastruktur aufwenden müsste, ließe sich im Finanzrahmen von Bund, Ländern und Kommunen ohne Steuererhöhungen abbilden. „Bestrebungen zu Steuererhöhungen sind daher abzulehnen“, stellen die Wirtschaftsforscher fest. Diese Forderung steht im Widerspruch zum Parteiprogramm der SPD, die zusätzliche Einnahmen aus Steuererhöhungen nicht zuletzt für mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur nutzen möchte.
Politische Forderungen der Länder nach mehr Mittel für die Infrastruktur seien überzogen, wird sinngemäß vom Sachverständigenrat unterstellt. Die von den Verkehrsministern der Länder in ihrem Beschluss der Sonder-Verkehrsministerkonferenz am 2. Oktober jüngst geforderte Erhöhung der Investitionen im Verkehrsbereich von zunächst 2,7 Milliarden Euro auf mittelfristig 5 Milliarden Euro pro Jahr seien nach Ansicht des Sachverständigenrats lediglich als „Verhandlungsposition“ zu begreifen. „Es liegt im Interesse der jeweiligen Minister, höhere Spielräume bei den Ausgaben zu erlangen“, heißt es in dem Papier der Sachverständigen.
Bofinger: Nur den Erhalt der Straßen anzustreben ist zu wenig
Allerdings gibt es innerhalb des Rates auch eine von der Mehrheit abweichende Stimme. Peter Bofinger, Professor am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre in Würzburg, will sich im Gegensatz zu seinen Kollegen einer generellen Ablehnung von Steuererhöhungen nicht anschließen. Er weist darauf hin, dass durch zusätzliche Investitionen von 3,8 Milliarden Euro in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur noch gar kein Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur geleistet werden könnte. Durch diesen Betrag, der ohne höhere Steuern finanziert werden könnte, gelänge es lediglich, den Werteverfall der Verkehrsinfrastruktur auszugleichen. Bofinger weist darauf hin, dass Deutschland im internationalen Vergleich mit einem Anteil der öffentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt von 1,5 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt des Euroraumes liegt (2,1 Prozent). Entscheidend sei allerdings, dass Mehreinnahmen durch höhere Steuern für zusätzliche Investitionen eingesetzt werden. (diwi)