Bonn/Berlin/Kiel. Beim Bau der großen fünften Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel sieht der Bundesrechnungshof die Umsetzung ausgesprochen kritisch. „Den Sachstand des Bauprojektes bewertet er als bedenklich”, heißt es in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Rechnungshof verweist auf technische Probleme, Verzögerungen und eine unklare Entwicklung der Kosten. Mit dem Bericht zu dem 500-Millionen-Euro-Vorhaben befasst sich der Ausschuss am Donnerstag.
Die aus wesentlichen technischen Änderungen resultierenden Folgen für Baukosten und Bauzeit könne das Bundesverkehrsministerium derzeit nicht beziffern, schreibt der Bundesrechnungshof. „Dass es für belastbare Angaben mindestens neun Monate seit Änderung der Planung benötigt, offenbart den bedenklichen Projektstand.”
Verankerung „mit Risiken behaftet”
Konkret kam der Rechnungshof unter anderem zu dem Schluss, die dauerhaft tragfähige Verankerung der Schleuse mit sogenannten Düsenstrahlpfählen sei mit Risiken behaftet. Bei dieser Technik wird eine Zement-Suspension über ein Bohrloch mit Hochdruck in den Boden gedüst, wo sie sich mit dem Untergrund vermischt. Das Ministerium habe sich früh auf eine Technik festlegt, für die ein Nachweis der dauerhaften Tragfähigkeit bei Baubeginn nicht vorgelegen habe. In der Folge habe es nicht versucht, auftretende Probleme der Rückverankerung mit der Wahl einer nachweislich geeigneten Gründung zu lösen. „Stattdessen hinterfragte es während der Baudurchführung wiederholt die Einflussfaktoren mit weiteren Untersuchungen.”
Bei Wasserbauwerken dieser Art seien Unwägbarkeiten üblich, äußerte der Rechnungshof. „Nach bewährter ingenieurwissenschaftlicher Vorgehensweise sollte diesen allerdings mit auf der sicheren Seite liegenden Annahmen begegnet werden.” Das Ministerium habe dagegen die Anforderungen an die Rückverankerung reduziert. „Damit nimmt es in Kauf, dass die 5. (Schleusen-)Kammer - gemessen an der angenommenen Nutzungsdauer des Bauwerkes von 100 Jahren - vorzeitig saniert werden muss oder nicht mehr betrieben werden kann.” Auch die Funktion der Düsenstrahlpfähle solle 100 Jahre erhalten bleiben, aber Langzeiterfahrungen mit dieser Verankerungstechnik lägen bisher gar nicht vor. Substanzen im Grundwasser könnten die Betonoberfläche der Düsenstrahlkörper schädigen.
Vor der Ausschreibung des Projektes habe die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes im Jahr 2012 probeweise Düsenstrahlpfähle herstellen lassen, führt der Rechnungshof aus.
Trotz Qualitätsschwankungen aufgrund des inhomogenen Baugrunds habe sie die gewählte Rückverankerung als grundsätzlich tragfähig angesehen. Aber: „Bis Ende 2015 erreichte keiner der mehr als 20 Probepfähle die notwendige Qualität.” So hätten Randbereiche zu geringe Betonfestigkeiten aufgewiesen. „Die erforderliche Tragfähigkeit der Rückverankerung für eine Nutzungsdauer von 100 Jahren war nicht nachgewiesen.” Gleichwohl habe die WSV den Bau der fünften Kammer fortgesetzt.
Verzögerungen im Bauablauf
In seinem letzten Bericht vom 13. Juni 2017 habe das Ministerium als Bauzeit-Ende erneut Frühjahr 2021 angegeben und die voraussichtlichen Gesamtausgaben für die Hauptbaumaßnahme nach wie vor auf Grundlage der Ausschreibungsergebnisse mit 485 Millionen Euro beziffert. Nach zwischenzeitlicher Auskunft des Ministeriums seien aber Verzögerungen im Bauablauf eingetreten, die zu einer Verschiebung des Termins der Verkehrsfreigabe um mindestens zwei Jahre führen würden.
Laut Rechnungshof kann das Bundesministerium derzeit nach eigener Einschätzung die Entwicklung der voraussichtlichen Gesamtausgaben nicht bemessen. Eine Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der fünften Schleusenkammer sei unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. „Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass das BMVI unter diesen Voraussetzungen überhaupt in der Lage ist, seine Bauprojekte im Bereich der Bundeswasserstraßen zu steuern.”
Der Rechnungshof empfiehlt, die parlamentarische Kontrolle über die Haushaltsmittel für den Bau zu verstärken. Bis zum 31. März 2019 sollte das Ministerium einen substanziellen Bericht zum Stand 31. Dezember 2018 vorlegen - zu Sachstand, Problemen, Kosten und absehbaren Risiken.
Dass es bei so einem Bauwerks Verzögerungen und Kostensteigerungen geben kann, überrasche nicht, sagte der Kieler FDP-Fraktionschef Christopher Vogt der dpa. „Für unnötige Verzögerungen, die durch Schlampereien entstanden sind, habe ich allerdings keinerlei Verständnis.” Wer die Öffentlichkeit und die maritime Wirtschaft derart im Unklaren über den Baufortschritt lasse, schade einer wichtigen Branche und einer ganzen Region. „Dass es offenbar immer noch ernsthafte Zweifel am Bauverfahren gibt, ist eine sehr beunruhigende Nachricht.” Der Bundesminister müsse alle Zweifel am Bauverfahren unverzüglich ausräumen oder Korrekturen vornehmen. (dpa)