Paul Walter und Francesco de Lauro, neue Vorstände der Stückgutkooperation CTL, im Interview

Nach dem Ausscheiden von Bettina Wietzel-Skakowski, der Tochter des langjährigen CTL-Vorstandes Erich Wietzel, führen Sie, Herr de Lauso und Herr Walter, nun die Stückgutkooperation CTL gemeinsam. Wie sehen Sie Ihre Rolle als neue Vorstände? Francesco de Lauso: Ich freue mich auf diese neue Aufgabe, weil unsere Stückgutkooperation in den nächsten Jahren sehr viel vor hat. Unser Aufsichtsrat hat nach dem Wechsel von Bettina Wietzel-Skakowski nicht umsonst entschieden, zwei Vorstände für die CTL zu berufen. Paul Walter und ich werden uns daher die Aufgaben teilen: Ich werde für die Weiterentwicklung des Netzes verantworten, das Controlling und das Marketing. Gerade bei Letzterem wollen wir Gas geben. Das haben wir in den letzten Jahren eher stiefmütterlich behandelt. So gesehen hefte ich mir das Label des Außenministers bei CTL an (lacht). Paul Walter: Wenn das so ist, bin ich der neue Innenminister ( lacht). Aber Spaß beiseite, ich arbeite seit über 20 Jahren in unserer Systemzentrale und kenne deshalb die CTL, unsere Partner sowie die Prozesse aus nächster Nähe. Diese weiter zu optimieren, das wird meine Aufgabe sein. Zusätzlich werden Francesco de Lauso und ich die Mitarbeiter und Finanzen verantworten. Und unser beider Herzensanliegen ist, dass wir die CTL weiter voranbringen. Welche Strategie verfolgen Sie? Natürlich haben wir uns gefragt, ob sich nicht auch unsere Kooperation mit einer anderen Kooperation zusammenschließen sollte. Das ist ja im Moment der Trend, dass im Stückgutmarkt Kooperationen der Kooperationen im Gange sind, teilweise fusionieren ja sogar die Netze von Kooperationen. Da steht aktuell sehr viel an, was in den nächsten Jahren den Speditionsmarkt sehr stark verändern wird. Wir sind uns aber einig: CTL will eigenständig bleiben. Das war nicht immer so. Noch vor einem Jahr hat CTL dem Vernehmen nach mit der VTL über einen Schulterschluss gesprochen. Ähnliche Gespräche mit anderen Speditionsverbünden soll es auch schon vor fünf Jahren gegeben haben. Walter: Das ist richtig, erfolgte aber vor meiner Zeit als Vorstand. Francesco de Lauso und ich sind uns da einig. Wir sind davon überzeugt, dass CTL eben keinen Schulterschluss mit einem anderen System braucht. Was macht Sie da so sicher? Walter: Wir haben deutschland- und europaweit ein engmaschiges Netz mit über 160 Partnerbetrieben, davon 101 Aktionäre - CTL ist ja eine Aktiengesellschaft. Zudem verfügt CTL, das unterscheidet uns von anderen Verbünden, über eigene Strukturen. So haben wir an jedem unserer fünf Hubs eigene Nahverkehrs-Lkw, um in Peak-Zeiten Überhänge selbst abfahren zu können. Zudem ist die CTL Eigentümerin des Zentralhubs in Homberg sowie der Hubs in Lauenau, Bottrop, Grolsheim und Aurach. Mit diesen Immobilien können wir also viel machen, ohne uns mit anderen abstimmen zu müssen. Denkbar ist, dass wir zum Beispiel weitere Services für unsere Partner erbringen oder mit anderen Kooperationen einen Leistungsaustausch vereinbaren. Was planen Sie konkret? Walter: Unser neues Führungsteam in der CTL bringt viel Erfahrung in der Logistik und Geschäftsentwicklung mit. Dieses Wissen wollen wir einbringen, etwa indem wir unsere Partner bei großen Ausschreibungen beraten oder bei logistischen Engpässen einfache Mehrwertdienste für diese übernehmen. Außerdem haben wir als Kooperation eine gewisse Größe und können Rahmenverträge vereinbaren oder Zugang zu anderen Leistungen vermitteln. Vorstellbar ist auch, dass CTL mit anderen Marktteilnehmern einen Leistungsaustausch vereinbart. Jeder bringt seine Kernkompetenz ein und erhöht die Produktvielfalt für seine Partner. Das sind alles Ideen, die wir gerade diskutieren, nicht nur intern. Dazu sprechen wir ganz konkret mit der Elvis AG. Wie differenziert sich CTL von anderen Speditionsnetzen und -verbünden? De Lauso: Was CTL besonders macht: In unserem Netz, das als Aktiengesellschaft geführt wird, haben wir Partnerdepots von sehr großen Logistikern wie etwa Emons. Gleichzeitig sind bei uns sehr viele kleine Betriebe Mitglied. Jeder Aktionär hat aber gleich viele Aktien - unabhängig von der Firmengröße. Wir sprechen also alle auf Augenhöhe und wir machen keinen Unterschied zwischen den Aktionären und Partnern unseres Netzes. Alle haben, mit Ausnahme der Abstimmungsbefugnis der Aktionäre, die gleichen Rechte und Pflichten. Entscheidender Vorteil unseres CTL-Modells ist aber, dass wir als Systemzentrale nicht zur Gewinnmaximierung verpflichtet sind. Unser Ziel ist die Vorteilsoptimierung für unsere Partner. Da fließt alles ein. Sprich: Unsere Einnahmen müssen unseren Betrieb decken und unsere Investitionen die Zukunft sichern. Darin unterscheiden wir uns ganz klar von anderen Kooperationen. Welche Vorteile hat ein potenzieller Partner, der bei CTL Mitglied ist? Walter: Im Gegensatz zu anderen Verbünden fällt bei uns keine Grundgebühr an. Zudem kann jeder, der bei uns anfängt, entscheiden, welche Leistung er erbringt. Er kann bei uns als Verteiler- oder Empfangsspediteur arbeiten oder beides tun. Zudem hat der Partner freie Hub-Wahl. Der größte Vorteil ist, dass selbst ein Kleinbetrieb mit zwei, drei Lkw dank der CTL-Struktur fast jede Postleitzahl deutschlandweit in 24 Stunden bedienen kann. Wir unterstützen auch kleinere Betriebe, die mit dem Stückgutgeschäft anfangen. Man kann es sogar schrittweise angehen. Ein großer Vorteil für Einsteiger. Klingt gut, birgt aber Risiken für Ihre Netzsicherheit, gerade wenn sich die Konjunktur abkühlt. Wie sichern Sie sich da ab? Walter: Durch das dichte Netz sind wir in der Lage, schnell auf die Veränderungen in der Partnerlandschaft zu reagieren. So erkennen wir aufgrund der Leistungs-Kennzahlen rechtzeitig etwaige Probleme bei den Partnern und können mit Hilfe unseres Umroutungssystems schnell eingreifen und helfen. Das lässt unsere IT zu. Zudem nehmen wir Kontakt zum Partner auf, um auch vor Ort zu unterstützen. De facto können wir so jede Lücke sehr schnell schließen. Deshalb sind wir auch so daran interessiert, ein dichtes Netz zu knüpfen. Sind Sie denn noch offen für neue Partner, und wenn ja in welchen Regionen? Walter: Wir sind prinzipiell immer offen für neue Partner. Denn je dichter unser Netz ist, desto günstiger können wir für unsere Partner produzieren. Da wir wachsen wollen, entsteht auch Bedarf in den Ballungsgebieten wie Hamburg, Berlin, Karlsruhe, Bremen, Frankfurt usw. Abgesehen davon prüfen wir aktuell, ob wir unser Hub in Aurach um 2000 bis 3000 Quadratmeter erweitern, weil unser Sendungsaufkommen nach Süddeutschland wächst. Welches Wachstum wollen Sie für 2020 erzielen? De Lauso: Mit 2019 sind wir sehr zufrieden. Wir werden erstmals die 100 Millionen Euro Umsatz erreichen. 2020 wird ein herausforderndes Jahr. Wir sehen zwar keine Rezession, aber die Konjunktur kühlt ab. Unterm Strich rechnen wir aber mit mindestens drei Prozent Sendungswachstum und einem ähnlich hohen Umsatzwachstum. Alles in allem werden wir aber 2020 nutzen, unsere Prozesse noch stärker auf Effizienz zu trimmen. Sie waren jahrelang bei Dachser tätig, zuletzt als Speditionsleiter. Was haben Sie in dieser Hinsicht von Dachser für das CTL-Netz gelernt, was Sie nun umsetzen wollen? De Lauso: Klar habe ich bei Dachser viel gelernt. Wir können und wollen aber nicht Dachser werden. Dafür sind auch unsere Netze zu unterschiedlich. Die entscheidenden Faktoren, die ein funktionierendes Netz ausmachen, sind aber ähnlich. Die CTL organisiert 300 tägliche Linienverkehre. Für dieses Liniennetz haben wir Abfahrts- und Ankunftszeiten, die Fahrzeugauslastung und die Paarigkeit der Verkehre im Blick. Jeden Tag und in der Netzplanung - immer in Verbindung mit Top-Prozessen auf der Halle - nur so kann es funktionieren. Und da ist in unserem Zentralhub in 2019 sehr viel passiert, noch vor meinem Wechsel. Dank der optimierten Prozesse konnten wir die Abfahrtszeiten der Lkw um 1,5 Stunden nach vorne verschieben. Die Sendungen sind also früher bei unseren Partnern vor Ort und können früher in die Zustellung gehen. Es entsteht weniger Überhang und eine bessere Laufzeitqualität. Der positive Dominoeffekt ist also enorm - durch die optimierten Prozesse in der Halle. Wir werden an diesem Thema deshalb weiter arbeiten und die Umschlagsprozesse weiter beschleunigen. Zudem wollen wir diese noch besser monitoren und bauen unser Controlling dafür aus - Stichwort Frühwarnsystem in Richtung unserer Netzpartner. Denn das Thema Qualität steht bei uns klar im Fokus. An welchen Hebeln wollen Sie da ansetzen, um qualitativ noch besser zu werden? De Lauso: Wir verfügen heute schon über ein umfangreiches Kennzahlen-System, das unsere Qualität dokumentiert. Dieses System werden wir aktiver nutzen und direkter mit den Partnern kommunizieren, um sie besser zu unterstützen. Wir haben sogar ein eigenes TMS, dass wir in kürzester Zeit den Partnern zur Verfügung stellen können, wenn sie Probleme mit ihrem TMS haben. Das hilft ihnen, den Prozessen und unserer Netzqualität. Walter: Zudem haben wir auf dem Hub in Homberg eine intelligente Hof- und Torsteuerung eingeführt, die auf der Verarbeitung von Live-Daten basiert. Zusätzlich planen wir in 2020 die Einführung einer Zulaufsteuerung, um die Informationen, wann die Lkw mit welcher Menge auf unsere Hubs rollen, in Echtzeit zu verarbeiten. Diese Informationen helfen uns, unseren Umschlagsprozess optimal zu steuern. De Lauso: Abgesehen davon haben wir in diesem Jahr sehr viel Geld in unsere Videoanlage investiert. Wir können dadurch nun Paletten automatisiert verfolgen und innerhalb von Sekunden orten, was Fehlverladungen enorm reduziert. Das Thema Digitalisierung steht ohnehin ganz oben auf unserer Agenda, etwa die papierlose Abfertigung, um ein Stichwort zu nennen. Das hat den Vorteil, dass die Fahrer nicht mehr auf den Frachtbrief in Papierform warten müssen, sondern nur noch gegebenenfalls auf die Gefahrgut- und Zollpapiere. Welche dieser digitalen Lösungen hat das größte Potenzial? De Lauso: Das ist das Projekt, das wir derzeit mit der Universität St. Gallen aufgesetzt haben. Wir entwickeln gemeinsam ein Online-Tool, das in seiner finalen Ausbaustufe mehr als eine Frachtenbörse kann. Ziel ist, damit nicht nur die Kapazitäten, sondern auch Überhänge, Sendungen, Teilund Komplettladungen und künftige Bedarfe transparent und verfügbar zu machen. Den CTL-Partnern wollen wir so die Möglichkeit geben, gemeinsam tägliche und strategische Optimierungen vorzunehmen. Wir in der Zentrale würden dann unser System zur Verfügung stellen, um etwa das Clearing zu übernehmen. Wenn diese Lösung steht, soll sie dazu beitragen, die Ergebnisse unserer Partner zu optimieren. Das ist genau das, was wir als CTL erreichen wollen. Welches dieser vielen Themen hat für Sie 2020 Top-Priorität? De Lauso: Neben der Digitalisierung, dem Netzausbau und der Qualität ist das ganz klar Europa! Wir sind zwar an alle angrenzenden Länder in Europa angeschlossen und haben in den wichtigsten Ländern Europas Direktpartner, etwa in den Benelux-Staaten und Österreich. Aber noch nutzen nicht alle unserer Partner bei ihren Exportverkehren das CTL-Netz. Das wollen wir ändern, indem wir zum Beispiel die Laufzeiten verbessern. Zudem werden wir in 2020 unser Expressprodukt in den ersten Ländern bieten. Insgesamt werden wir alle Ex- und Importkonstellationen auf den Prüfstand stellen. Wir brauchen insgesamt gute Laufzeiten zu marktgerechten Preisen in allen europäischen Märkten. Deshalb werden wir mit unseren Bestandspartnern, aber auch mit potenziellen neuen Partnern sprechen, um unser Zentralhub in Homberg als Europa-Gateway vorzustellen. Da ist viel Potenzial. Die CTL wird europäischer werden. Wo steht Ihre Kooperation CTL in fünf Jahren? De Lauso: Wir werden das engmaschigste Netzwerk mit der höchsten Abdeckung in Deutschland sein und in Europa aufbauen - und zwar unter dem Namen CTL. Mehr zum Thema finden Sie unter #Stückgut www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Im heiß umkämpften Stückgutmarkt hat sich die Speditionskooperation CTL mit Hauptsitz in Homberg/Efze bislang eher im Hintergrund gehalten. Dabei zählt das Netzwerk über 160 Partnerbetriebe - neben Größen wie Fiege Logistik und Gebrüder Weiss sind auch viele kleinere Unternehmen in der Kooperation tätig. Mit zwei neuen Vorständen will CTL jetzt durchstarten. Vita Paul Walter, 48 Jahre alt, ist seit März 2019 Vorstand der Stückgutkooperation CTL in Homberg/Efze und Nachfolger von Bettina-Wietzel-Skakowski, die CTL im Frühjahr 2019 verlassen hat. Paul ist gebürtiger Kasache und Diplom-Ingenieur und seit 20 Jahren für die CTL tätig. Francesco de Lauro, 46 Jahre, ist seit Oktober 2019 CTL-Vorstand. Zuvor war er Speditionsleiter bei Dachser sowie in diversen Führungspositionen bei Ceva Logistics und der Spedition Augustin tätig. eh

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