Ohne Kurzschluss

Wer achtlos an der TEDi-Europazentrale in Dortmund vorbeischlendert, hält den blauen 12-Tonner meist irrtümlich für einen herkömmlichen MAN TGL. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass am Verteiler-Lkw das typische Markenlogo fehlt. Und wer noch genauer hinsieht, erkennt das dicke Kabel, über das der City-Laster mit Spier-Kofferaufbau seinen Lebenssaft bekommt. "Emoss" prangt in großen Lettern auf dem Kühlergrill und offenbart Eingeweihten, dass unter der Kabine ein Elektroherz statt eines nagelnden Diesels steckt. Der Verbrenner fliegt raus Das aus Holland stammende Unternehmen hat sich auf die Herstellung von E-Lkw spezialisiert und nutzt dazu Chassis bekannter Hersteller, weidet sie aus und verpflanzt ein neues Antriebskonzept samt Leistungs- und Steuerungselektronik sowie moderne Lithium-Ionen-Akkus, wo früher Verbrennungsmotor und Schaltgetriebe Dienst taten. "Die Idee, auf Elektroantrieb zu setzen, hatten wir schon 2009", erklärt Enrico Schätze, Leiter Warenausgang bei TEDi und einer der Väter der E-Mobilität beim Discounter. "Die Herstellersuche ließ uns damals bei Smith in England vorstellig werden. Doch die auf dem tschechischen Avia basierenden Elektro-Laster erfüllten als 7,5-Tonner weder unsere Nutzlastvorgaben noch entsprachen sie unseren Qualitätsvorstellungen." Es sollte noch eine Weile dauern, bis TEDi fündig wurde. Am Ende wurde es besagtes MAN-Chassis, das komplett gekauft und dann ausgebeint wurde. Etwas anderes als ein Elektro-Antrieb kam für Schätze und seine am Projekt beteiligten Kollegen nicht infrage. "Gasmotor oder Hybrid sind doch so etwas wie halbschwanger", lacht der Logistikfachmann. "Zudem verfügen wir über eine der größten Photovoltaik-Eigenverbrauchsanlagen Europas auf dem Dach unserer Zentrale. Da war es naheliegend, die erzeugte Energie nicht nur zur Versorgung unserer Gebäude am Standort zu verwenden, sondern auch für unseren Fuhrpark." Mittlerweile wird der größte Teil der von der Fotovoltaik-Anlage gewonnenen Energie für den Elektro-Laster verwendet. Unterstützer fanden sich für das ehrgeizige Projekt unter anderem in der Stadt Dortmund sowie dem Fraunhofer-Institut IML. Wirtschaftlich ohne Förderung Schätze betont dennoch, dass die Wirtschaftlichkeit auch ohne Förderung gegeben ist. "Wir haben das Projekt auf insgesamt zehn Jahre kalkuliert, denn so lange fahren wir unsere Lkw üblicherweise. Klar ist der E-Lkw deutlich teurer in der Anschaffung. Dafür haben wir aber auch viel weniger Wartungskosten, weil zum Beispiel niemals ein Ölwechsel ansteht. Nicht zu vergessen die niedrigen Energiekosten. Wir kalkulieren in der Eigenversorgung mit 12 Cent/kWh." Die Wartung des Elektro-12-Tonners übernahm eine freie Werkstatt in Dortmund, die auch den Rest des TEDi-Fuhrparks wartet und die extra einen Monteur weiterbilden ließ, damit dieser die Hochspannungstechnik warten darf. "Nicht zu vergessen ist das Fahrzeug permanent online mit Emoss verbunden", ergänzt Schätze. "Wir erkennen also rechtzeitig Fehler und in einigen Fällen konnten wir auch schon via Internet-Verbindung Programmierfehler ausmerzen." Fünf Monate Experimentierphase Gewisse Startschwierigkeiten räumt Schätze ein. Die ersten fünf Monate bezeichnet er heute rückblickend als "Experimentierphase". Aber generell ist der seit August 2013 in Betrieb befindliche Prototyp vom Start weg relativ stabil gelaufen. "Und wenn es Streckenausfälle gab, hat er uns immer den Gefallen getan, im Nahbereich unserer Zentrale den Dienst zu versagen." Zur Experimentierphase gehörte auch, das passende Einsatzprofil zu finden. "Lange Autobahnetappen sind nichts, auf kurzen Strecken setzen wir ihn aber auch auf Schnellstraßen ein. Dennoch liegt der Haupteinsatz natürlich auf urbaner Warenverteilung." Startschwierigkeiten machten anfangs die Li-Ion-Akkus, die sich unterschiedlich entluden oder eine Zuleitung des Luftpressers aus Kunststoff, die eigentlich aus Metall hätte sein müssen. Unterm Strich war das aber alles lösbar und so gab der beteiligte TÜV Nord ziemlich schnell und unbürokratisch seinen Segen für die Zulassung. "Angenehme Nebenerscheinungen sind zehn Jahre Steuerbefreiung", wie Schätze anmerkt. "Und auch wenn uns die Polizei wegen der fehlenden Umweltplakette schon öfter angehalten hat, aber sobald die Beamten den E-Motor sehen, steht der weiteren Flüsterfahrt nichts mehr im Wege." Und mit 4750 Kilo Eigengewicht bietet das innovative Fahrzeug durchaus konkurrenzfähige Nutzlast. Der blaue Ex-MAN schafft bis zu 80 km/h Höchstgeschwindigkeit und noch viel wichtiger: bei optimalen Bedingungen bis zu 200 Kilometer Strecke. Aber auch bei widrigen Bedingungen reicht der Einsatzradius problemlos für die anliegenden Verteilertouren im etwa 70 Kilometer großen Radius sowie zwei bis drei Filialbelieferungen. "In diesem Punkt haben wir uns optimiert und lernen auch immer mehr", ergänzt Schätze. "Die Fahrer nutzen das Zeitfenster bei der Be- und Entladung nach der ersten Tour für Zwischenladungen der Akkus und erhöhen damit die Reichweite." Am Fast-Charger-Schnellladegerät mit 63 Ampere und 160 kW lassen sich innerhalb einer Stunde rund 25 Prozent der Batteriekapazität einspeisen. "Entsprechend transportieren wir mit dem 12-Tonner täglich zwischen 25 und 32 Paletten auf einer Strecke von 220 bis 350 Kilometern," rechnet der Leiter des Warenausgangs vor. Die Erfahrungen mit der Nummer eins waren auf jeden Fall so gut, dass im September 2014 der E-Laster Nummer zwei in Dienst gestellt wurde. "Für jeden der Elektro-Lkw haben wir ein Diesel-Pendant verkauft", beschreibt Schätze. "Die E-Mobilität ist ergo für uns ein vollwertiger Ersatz für konventionelle Technik." Übrigens flossen in die Konzeption von Nummer zwei alle Erfahrungen aus dem Betrieb des ersten Fahrzeugs ein. "Der läuft problemlos und zudem haben wir unseren Prototypen nach Holland zu Emoss gebracht, dass er mit all diesen Verbesserungen nachgerüstet wird." Der Betrieb der beiden E-Lkw ist für TEDi gleichzeitig der Einstieg in ein neues "Nachtlogistik-Projekt", wie es Schätze nennt. "Wenn alles läuft wie geplant, können wir mit den leisen Elektro-Verteilern Zeitfenster nutzen, die wir mit einem Diesel-Lkw nicht bedienen können. In Kombination mit Leiselaufboden sowie geräuschoptimierten Rollcontainern und Ladebordwänden verbessert sich die Wirtschaftlichkeit des E-Lkw zusätzlich." Schätze kalkuliert, dass er mit dem dreischichtigen Einsatz des Stromers seinen Fuhrpark deutlich verkleinern könnte. "Wir müssen dann nur die vorhandenen Fahrer auf die neuen Arbeitsrhythmen einschwören." Fährt wie jeder normale Lkw Stellt sich am Schluss die Frage, wie sich der Elektro-Lastwagen fährt? Erstaunlich unkapriziös! Mit Ausnahme eines kleinen Zusatzdisplays über dem Armaturenbrett, auf dem der Fahrer den Stromfluss und die Akku-Kapazität analysieren kann, gibt es keinen Unterschied zum herkömmlichen MAN TGL. Selbst der Fahrprogrammschalter und der Zündschlüssel blieben erhalten. Mit dem Unterschied, dass der Schlüssel keinen Verbrennungsmotor startet, sondern nur der Leistungselektronik den Befehl zur Arbeitsaufnahme gibt. Ansonsten überzeugt das neue Antriebskonzept durch nahezu geräuschloses Fahren, durchaus ansprechende Fahrleistungen und niedrige Bedienkräfte der elektrifizierten Servolenkung. Wenn jetzt der Fahrer noch darauf achtet, durch lange Rollphasen die Rekuperation zu verbessern, also beim Rollen und Bremsen Energie in die Akkus zurückzuspeisen, schafft der E-Laster noch ein paar Kilometer mehr. E-Mobilität hat also auch im Nutzfahrzeug Zukunft - zumindest wenn der Strom nicht aus der Steckdose, sondern von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach kommt Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Elektro-Lkw www.verkehrsrundschau.de/dossiers TEDi: Das Unternehmen Photovoltaik, Elektro-Laster und grüne Logistik TEDi versteht sich als Nahversorger in Großstädten und ländlichen Gebieten. Hauptsitz der 2004 gegründeten Firma aus dem Nonfood-Bereich ist Dortmund. Von dort aus werden Produkte für den täglichen Bedarf, Geschenk- und Dekorationsartikel, Spiel- und Schreibwaren sowie Partyartikel, Heimwerkerbedarf und Drogerieartikel distribuiert. Aktuell unterhält TEDi rund 1400 Filialen (in Deutschland, Österreich, Slowenien, Slowakei und Niederlande) und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter. 2011 stellte TEDi die Firmenzentrale auf eine Energieversorgung mit Ökostrom um. 2013 erfolgte die Installation einer Photovoltaik-Eigenverbrauchsanlage sowie die Indienststellung des ersten Elektro-Lkw. 2014 folgte der zweite E-Lkw zur Versorgung der Filialen im Ruhrgebiet. gg

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

Alle Schlagzeilen

Ohne Kurzschluss

HASHTAG

#Landverkehr

Daimler darf Future Truck auf Autobahnen testen

PLA knüpft Netz enger

Interview: Lohnt der Einstieg in den US-Markt?

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Änderung durch EU-Mobilitätspaket: Mitführungspflicht verdoppelt sich

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

STELLENANGEBOTE

Teamleiter Lager im Handelslager/ Brennschneidbetrieb (w/m/d)

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

WEITERLESEN

NEWSLETTER