VerkehrsRundschau: USA – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten lockt derzeit auch immer mehr Logistiker. Wie attraktiv ist dieser Markt wirklich für Spediteure?
Bernd-Paul Koschate: US-Markt für Logistikdienstleistungen wächst nachhaltig. Wenn nicht jetzt einsteigen, wann dann? Spannend ist aber die Frage, mit welcher Art von Logistikdienstleistung: Zum einen ist es denkbar, als klassischer 3PL mit eigenen Assets (Anlagevermögen, d. Red.) aufzutreten. Dafür ist Kapitalstärke nötig, etwa um die in den USA knappen LKW-Fahrer zu bekommen, um Firmen zu übernehmen oder temporär kaum profitables Neugeschäft gegen harten Preiswettbewerb zu gewinnen. Zum anderen gibt es Technologiefirmen bzw. 4PL ohne eigene Assets. Sie integrieren Transportplanung/-optimierung sowie Abwicklung und Abrechnung. Das ist selbst im entwickelten US-Transportmarkt noch eine Innovation.
In welchen Punkten unterscheidet sich die US-Logistiklandschaft von der deutschen?
Transportmanagementsysteme sind in den USA früher eingeführt worden und weiter verbreitet als in Europa. Allerdings sind sie stark auf die Abwicklung im Tagesgeschäft fokussiert, weil die Transportkosten im Flächenland USA bedeutender sind. Die Fähigkeit zur strategischen, taktischen oder dynamischen Netzwerkoptimierung findet sich nur sehr sporadisch.
Wo liegen die Wachstumsschranken?
Mit Sicherheit wird der Mangel an Fahrern das Wachstum limitieren, obwohl noch Spielraum bei den Löhnen besteht; aktuell werden die steigenden Gehälter durch sinkende Treibstoffkosten überkompensiert. Daneben gibt es Unsicherheit über möglicherweise kommende rechtliche Änderungen der erlaubten Fahrzeiten. Doch es wird zukünftig nicht nur an Fahrern mangeln, sondern ebenso an geeignetem Personal, das ein Logistikunternehmen managen kann. Der allseits in Deutschland diskutierte Fachkräftemangel wird auch in den USA das Wachstum beschränken.
Welche Zukunftstrends sehen Sie auf dem US-Logistikmarkt?
Generell ist ein früher Trend zu erkennen, weg von Logistikdienstleistungen „aus einer Hand“ hin zu mehreren, stärker spezialisierten Dienstleistern. Durch neue Transportmanagementsysteme ist es viel einfacher möglich, mehrere Dienstleister jeweils optimal einzusetzen. Darüber hinaus werden weitere Konsolidierungen die Leistungsfähigkeit der Branche signifikant steigern.
Macht ein Start ohne Partner oder Zukäufe überhaupt Sinn?
Für einen klassischen 3PL ist ein ausreichend großes Netzwerk unabdingbar. Die Zahl der notwendigen Standorte hängt stark von der Zielindustrie und der Kundenstruktur ab. Ob ein Markteintritt mit Partnern, Zukäufen oder organisch angegangen wird, ist eine Frage der Unternehmensstrategie, die nur jeder Logistikdienstleister für sich beantworten kann.
Das Interview führte Constantin Gillies, freier Journalist, für die VerkehrsRundschau.
Mehr zu diesem Thema in der aktuellen Ausgabe VR34/35/2015 der VerkehrsRundschau, die am Freitag 21.8.2015 erscheint.