Nicht klein beigeben!

Um eine knappe halbe Milliarde Euro niedriger als geplant werden die Einnahmen des Bundes aus der LKW-Maut bis zum Jahr 2017 ausfallen - sofern die zweite Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes, die vom Bundeskabinett am 30. Juli 2014 beschlossen wurde, auch vom Bundesrat genehmigt wird. Anlass für den Umbau des LKW-Mautsystems, das künftig für nahezu alle Schadstoffklassen und Achs-Varianten reduzierte Mautsätze vorsieht, sind die niedrigeren Kosten, die für Bau, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau der mautpflichtigen Autobahnen und Bundesstraßen anfallen (siehe VR 28/2014, Seite 14). Allerdings werden ab dem 1. Juli 2015 weitere eintausend Kilometer autobahnähnliche Bundesstraßen mautpflichtig. Und ab dem 1. Oktober 2015 müssen auch LKW ab 7,5 Tonnen Maut zahlen. Trotz dieser zusätzlichen Einnahmen beziffert das Bundesverkehrsministerium das LKW-Maut-Minus auf rund 460 Millionen Euro. Für all die Unternehmen, die LKW-Maut zahlen müssen, ist das natürlich eine gute Nachricht, schließlich sinken dadurch ihre Kosten. Allerdings dürften auch die Entscheider in der verladenden Wirtschaft von der knappen halben Milliarde Euro gehört haben. Und sie könnten auf die Idee kommen, bei den im Herbst anstehenden Jahresgesprächen Preiserhöhungen bei den Frachtraten mit Hinweis auf die gesunkene LKW-Maut abzuschmettern oder gar Preisnachlässe zu fordern. Ein unangenehmer, aber dennoch nicht abwegiger Gedanke. Harte Verhandlungen erwartet So geht zum Beispiel Matthias Moos durchaus davon aus, dass seine wichtigsten Auftraggeber aus der chemischen Industrie im Herbst das Thema Mautsenkung zur Sprache bringen werden. "Unsere Kunden sind äußerst kostenbewusst", sagt der Geschäftsführer der Siegfried und Matthias Moos Speditions- und Transport GmbH aus Karlsruhe, die mit fünf Gliederzügen hauptsächlich innerhalb Deutschlands fährt. "Da müssen wir nicht nur gut verhandeln können, sondern auch gut vorbereitet sein." Vor den Jahresgesprächen werde er daher auf jeden Fall seine Kosten durchgehen, um zu untersuchen, ob die künftigen Ersparnisse aufgrund der LKW-Maut durch den Anstieg anderer Kostenpositionen aufgezehrt werden. Rolf Wildt, Geschäftsführer der Friedrich Wildt GmbH im badischen Ettenheim, rechnet ebenfalls mit harten Preisverhandlungen in diesem Herbst (siehe Kasten Seite 37). Dass in dieser Sondersituation, in der eine Kostenposition des Gütertransports nachweisbar sinken wird, eine gute Vorbereitung der Jahresgespräche besonders wichtig ist, betont auch Harald Ulrich von BT&T Training aus Berlin, zu dessen Seminar- und Coachingangebot für das Verkehrsgewerbe auch das Thema Preisanpassungen zählt. Er nennt erstaunlich viele Punkte, die dabei beachtet werden sollten (siehe Kasten Seite 39). Ein wichtiger Aspekt ist die Transparenz rund um die betriebswirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens, um möglichst sicher und selbstbewusst diskutieren zu können. "Auch wenn so mancher Kunde das vielleicht anders sehen möchte: Die Mautsenkung ist wirklich nicht das wichtigste Thema bei Jahresgesprächen", betont David Walther, Betriebsberater bei der SVG Bundes-Zentralgenossenschaft Straßenverkehr eG. "Schließlich haben ohnehin rund drei Viertel der Transportunternehmen, die im Komplett- oder Teilladungssegment mit festen Verträgen arbeiten, die Weitergabe von Mautkosten pro Lastkilometer vereinbart." In diesen Fällen bildet die Maut für die Transportdienstleister einen durchlaufenden Posten, von der Senkung wird also letztlich der Auftraggeber profitieren. "Allerdings werden die Mautkosten für die Leerkilometer selten übernommen", weiß Walther. Dass die Verlader aufgrund der reduzierten Mautsätze hierfür nun Preisnachlässe fordern, erscheint dem Experten jedoch eher unwahrscheinlich. Nicht kontern, sondern mehr verlangen Doch wie sollen die anderen Transportdienstleister mit Verträgen ohne diese Mautklausel nun etwaige Forderungen ihrer Verlader kontern? "Genau genommen müssen Transportunternehmer bei diesem Einwand nicht kontern, sondern sogar höhere Frachtpreise verlangen", unterstreicht der SVG-Berater. "Schließlich sind ihre Gesamtkosten mit hoher Wahrscheinlichkeit gestiegen." Um dies plausibel zu erläutern, helfen natürlich differenzierte Vor- und Nachkalkulationen, mit denen sie ihre Kostensteigerungen und schrumpfende Deckungsbeiträge belegen können. "Diese Mühe machen sich allerdings nur wenige Unternehmen", sagt Walther. Allein schon aufzudröseln, wie sich die neuen Mautsätze je nach eingesetztem Fahrzeugtyp für jeden einzelnen Kunden oder gar Auftrag entwickeln werden, stellt ja einen nicht zu unterschätzenden Aufwand dar. Allerdings lohnt es sich, hierzu einige Eckdaten im Kopf zu haben. "Bei einem Fernverkehrs-LKW, der zu achtzig Prozent auf mautpflichtigen Bundesstraßen und Autobahnen unterwegs ist, entfallen zwischen acht und neun Prozent der Nettoerlöse auf die Maut", sagt David Walther. Der Nettoerlös ist die Differenz aus dem Gesamtumsatz und der Summe aus durchlaufenden Kosten wie Zölle oder vom Kunden gewünschte Güterversicherungen plus den Subunternehmerkosten. Bei Vierachsern, die mit Euro-5-Motoren fahren, wird die Maut pro Kilometer um 0,3 Cent gesenkt. Bezogen auf die Nettoerlöse entsprecht dies einer Reduktion von 0,2 Prozent. Natürlich macht Kleinvieh auch Mist und wenn ein LKW täglich 500 Kilometer auf mautpflichtigen Straßen abfährt, erspart sich das Transportunternehmen immerhin 1,50 Euro Maut pro Einsatztag. In Anbetracht der gesamten Fahrzeugkosten ist dies allerdings ein Klacks - und das kann bei Preisverhandlungen auch durchaus so formuliert werden. Selbst bei schweren LKW mit mehr als vier Achsen, die mit Euro-6-Motoren ausgestattet sind, sieht es nicht drastisch anders aus. Hier wird die Maut auf 13,1 Cent gesenkt, was einer Reduzierung von 15,5 Prozent entspricht. Bei einem achtprozentigen Mautanteil entspricht die Mautersparnis lediglich mageren 1,4 Prozent der Nettoerlöse. "Bei den Euro-6-Fahrzeugen müssen allerdings die höheren Anschaffungskosten gegengerechnet werden, die für eine Sattelzugmaschine durchaus 7000 bis 8000 Euro ausmachen können", sagt Walther. "Und aufgrund des höheren technischen Aufwands kann man davon ausgehen, dass auch höhere Wartungskosten anfallen werden, wobei hierzu allerdings noch verlässliche Erfahrungswerte fehlen." Dazu kommen noch andere Kostenpositionen, die dagegen angesetzt werden müssen, allen voran die Personalkosten. "In der Regel steigen die Grundlöhne für die Fahrer zwischen drei und fünf Prozent jährlich", berichtet der SVG-Experte. Befragungen bei den Erfahrungsaustauschgruppen der SVG, in denen 140 kleinere und mittelständische Transportunternehmer und Spediteure vertreten sind, ergaben, dass mittlerweile rund 60 Prozent der Unternehmen neben dem Grundlohn eine Prämie bezahlen, die bis zu 300 Euro im Monat betragen kann. "Außerdem nimmt der Verwaltungs- und Betreuungsaufwand aufgrund des Einsatzes externer, auch ausländischer Fahrer zu. Ganz zu schweigen von den Kosten, die für die aktive Suche nach geeignetem Fachpersonal anfallen - vor allem, wenn Agenturen beauftragt werden", sagt Walther. Dazu kommen pro Jahr und Fahrzeug zwischen 1500 und 2000 Euro Zusatzkosten, die durch das neue Reisekostenrecht entstehen können. Unternehmer, die ihren Fahrern seit Anfang dieses Jahres bei mehr als achtstündiger Abwesenheit die steuerlich absetzbaren zwölf Euro anstatt der bisherigen sechs Euro Spesen bezahlen, sollten auch diesen Betrag in die Diskussion einbringen, so der SVG-Berater. "Die Spesen fressen schließlich einen guten Teil der Mautersparnis wieder auf." Selbstbewusst und kreativ vorgehen Auch die Kosten für die Modernisierung der IT-Landschaft sollten laut Walther bei den Jahresgesprächen nicht unter den Tisch fallen: "Hier reden wir von zum Teil erheblichen Summen von 50.000 Euro und mehr, die häufig auch deshalb investiert werden müssen, weil manche Kunden immer ausgefeiltere Serviceleistungen in Bezug auf Fahrzeugdisposition, Sendungsverfolgung und Statistiken fordern." Generell rät David Walther Spediteuren und Transportunternehmern bei Preisverhandlungen zu Sachlichkeit, Selbstbewusstsein und Kreativität. Wer im Vorfeld gründlich kalkuliert hat, kann in der Regel gegenüber seinen Kunden besser argumentieren. "Ganz wichtig ist es, dass möglichst alle Leistungen des Transportunternehmers gesehen und bezahlt werden - zum Beispiel auch die Stunden, die er am Wochenende damit verbringt, zusätzliche Auswertungen zusammenzustellen, um die ihn sein Kunde gebeten hat." Daraufhin dürfte recht schnell nicht mehr über die künftige Mautsenkung diskutiert werden, sondern über die möglichst reibungslose Zusammenarbeit - was ja das eigentliche Ziel von Jahresgesprächen ist. Die Kostensituation in der Spedition Wildt Preiserhöhungen im Visier "Schon im vergangenen Jahr war es schwierig, die Preise anzupassen, weil die Kraftstoffkosten nicht gestiegen sind", erinnert sich Rolf Wildt, Geschäftsführer der Friedrich Wildt GmbH aus Ettenheim. "Dieses Jahr ist das Transportvolumen in den Branchen, für die wir arbeiten, seit Mai deutlich gesunken. Das macht die Jahresgespräche mit unseren Kunden nicht unbedingt einfacher." Wildt hält es für durchaus wahrscheinlich, dass der eine oder andere Kunde mit den künftig niedrigeren Mautsätzen argumentieren werde."Da kann ich allerdings gut dagegenhalten. Denn wenn wir mit einkalkulieren, dass ab Mitte Juli 2015 wieder eintausend Kilometer Bundesstraße mautpflichtig werden, steigen unsere Mautkosten sogar leicht."Der Fuhrpark der Spedition Wildt besteht aus 70 ziehenden Einheiten plus 90 Aufliegern und Anhängern. Im vergangenen Jahr investierte das Unternehmen in zehn Euro-6-Zugmaschinen - in der Hoffnung, dass die Mautsätze für diese Schadstoffklasse stärker sinken würden."Das war leider eine Fehlspekulation, zumal uns die Elektronik dieser neuen Fahrzeuge immense Probleme bereitet", sagt Rolf Wildt. Doch nicht nur wegen der höheren Fahrzeugkosten müsse bei den Transportpreisen in diesem Jahr etwas passieren. "Vor allem die Personalkosten steigen Jahr für Jahr. Denn in Zeiten des Fahrermangels sind wir fast schon gezwungen, die Löhne jedes Jahr anzupassen, um unsere Fahrer zu halten." Zwar werden durchaus auch andere Maßnahmen getroffen, um die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Doch die Entlohnung sei nun einmal ein wichtiger Faktor. Daher wurden bei der Spedition Wildt auch die Fahrerspesen gemäß den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die seit Anfang des Jahres gelten, erhöht: Vorher bezahlte Wildt bei über achtstündiger Abwesenheit sechs Euro Spesen, nun die zwölf Euro, die auch der Gesetzgeber steuerlich anerkennt. eee Preisanpassungen erfolgreich verhandeln Eine gute Vorbereitung ist das A und O Alle Jahre wieder führen Spediteure und Transporteure mit ihren Kunden Jahresgespräche, bei denen auch die Preise diskutiert werden. Harald Ulrich von BT&T Training aus Berlin, der rund um das Thema Preisverhandlungen regelmäßig Seminare für die Branche durchführt, gibt Tipps zur Vorbereitung dieser Gespräche:- Überprüfen Sie, was im letzten Jahr vereinbart wurde und wie sich die Geschäftsbeziehung tatsächlich entwickelt hat. Berechnen Sie den Gewinn, den Sie mit dem Kunden erwirtschaftet haben. Analysieren Sie, ob Sie mehr oder weniger als vereinbart gearbeitet haben. Notieren Sie, was Sie zusätzlich geleistet haben wie häufigere Abholungen oder flexible Noteinsätze. Wichtig ist es, die Reklamationen zu analysieren: Welche Fälle gab es? Was waren die Ursachen? Wie wurde das Problem gelöst?- Machen Sie sich auch Gedanken über den betriebswirtschaftlichen Wert des Kunden für Sie. Vielleicht machen Sie mit dessen Sendungen einen unterdurchschnittlichen Gewinn, aber sie sorgen dafür, dass Ihre Linien optimal ausgelastet sind. Manche Kunden sind auch eine gute Referenz oder empfehlen weiter.- Überlegen Sie, welchen Wert Sie für den Kunden haben und ob Ihre Leistungen problemlos von einem anderen Unternehmen übernommen werden können. Vielleicht hat Ihr Kunde ja in bestimmten Regionen kaum eine Alternative?- Die Mautsenkung ist ein Argument, das Ihr Kunde als Einwand gegen eine Preiserhöhung anführen kann. Es gibt mit Sicherheit noch mehr. Stellen Sie eine Liste von maximal zehn Einwänden zusammen, die Ihr Kunde bringen kann - und überlegen Sie, was Sie darauf sagen.- Stützen Sie sich bei Ihrer Argumentation auf objektive Fakten. Nutzen Sie Ihre betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, Daten des Statistischen Bundesamts oder Berichte renommierter Zeitungen, etwa über Lohnerhöhungen. Bereiten Sie die Fakten so auf, dass Sie sie strukturiert präsentieren können. Legen Sie keinesfalls Details Ihrer Kalkulation offen!- Stellen Sie sich im Vorfeld darauf ein, wie Ihr Kunde auf der emotionalen Ebene auf die geforderte Preisanhebung reagieren wird. Wird er gelassen bleiben? Aufbrausen? Hartnäckig verhandeln? Spielen Sie gedanklich durch, wie Sie darauf reagieren werden und mit welchem Verhalten Ihrerseits sich am besten ein Kompromiss herbeiführen lässt.- Legen Sie fest, wie hoch die für Sie optimale Preiserhöhung ausfallen sollte - und was das absolute Minimum ist, falls sich keine weiteren Veränderungen der Geschäftsbeziehung ergeben. Um sich nicht zum Spielball dominanter Einkäufer zu machen, ist es allerdings wichtig, dass Sie dazu bereit sind - und es sich auch leisten können - sich von diesem Kunden zu trennen. eee

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