Neukauf oder Nachrüsten

Hamburg hat es schon. Frankfurt, Stuttgart und jetzt auch Berlin kommen voraussichtlich nächstes Jahr dazu. Die verhängten Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge zwingen die Bundesregierung zum Handeln. Deshalb hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer jetzt das "Diesel-Paket" geschnürt. Insgesamt sind in Deutschland etwa 70 Städte und Kommunen betroffen, in denen der Stickoxidwert von 40 µg/m3 überschritten wird. In 14 Städten liegt der Wert sogar bei 50 µg/m3 und höher (siehe Grafik S. 29). Laut dem Konzept des Bundesministeriums für Wirtschaft und Verkehr (BMVI) können bis zu 6,3 Millionen Diesel-Fahrzeuge durch Software-Updates vonseiten der Automobilhersteller nachgerüstet werden. Bei allen übrigen Diesel-Pkw stellt das Konzept die Möglichkeit in Aussicht, gegen eine Prämie auf ein modernes Fahrzeug umzusteigen oder mit einem SCR-Katalysator nachgerüstet zu werden. Allerdings sollen diese beiden Optionen nur in 14 besonders belasteten Städten möglich sein (siehe Kasten). Förderung von Nutzfahrzeugen Die Bundesregierung geht in dem Konzept speziell auf die Hardware Nachrüstungen für leichte und schwere Nutzfahrzeuge ein. Im Fokus stehen schwere Kommunalfahrzeuge mit über 3,5 Tonnen wie etwa Müllwagen oder Straßenreinigungsfahrzeuge, da diese ausschließlich im innerstädtischen Verkehr unterwegs sind. Sie sollen ab Anfang 2019 mit 80 Prozent gefördert werden. Der Antrag auf Förderung soll noch in diesem Jahr gestellt werden können. Ebenfalls gefördert werden soll die Nachrüstung mit einem SCR-System bei Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen. Auch hier wird laut BMVI die Förderung bis zu 80 Prozent umfassen. Voraussetzung für die Förderung ist, dass sich der Sitz der Firma in der betroffenen Stadt oder den angrenzenden Landkreisen befindet. Ebenfalls förderberechtigt sind "gewerbliche Fahrzeughalter, deren Firma nennenswerte Aufträge in der Stadt hat". Was das BMVI unter dem Begriff "nennenswert" genau versteht, darüber kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Noch viele offene Fragen Auch bei den Kosten werden die Fahrzeughalter vorerst im Dunkeln gelassen. Der ADAC hat Anfang 2018 in einer Testreihe die Hardware-Nachrüstung unter anderem an einem VW T5 Multivan und einem Fiat Ducato mit SCR-Prototypen untersucht. Dabei bestätigte sich die Wirksamkeit des Systems. Auch könne mit Kosten von 1400 bis 3300 Euro gerechnet werden. Zumindest gaben dies die Hersteller der getesteten SCR-Systeme an. Experten schätzen die Kosten pro Fahrzeug jedoch höher ein. Bis heute sind auch keine zugelassenen Nachrüstsysteme auf dem Markt, mit denen sich die NOx-Emissionen reduzieren lassen, da sie noch nicht im Dauerbetrieb getestet wurden, so der ADAC. Auch unklar ist, inwieweit sich die Hersteller an einer Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren beteiligen. In dem Konzept heißt es lediglich: "Die Bundesregierung wird mit dem Automobilherstellern über die Kostentragung für den Restanteil verhandeln." Und erste Anzeichen deuten eher nicht darauf hin, dass die Unternehmen sich darauf einlassen werden. Somit lautet derzeit der wohl beste Rat an die Fahrzeughalter: abwarten. Kommt die blaue Plakette? Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert nach den Berliner Fahrverboten erneut eine einheitliche Kennzeichnung für Diesel-Fahrzeuge: "Die Kompromisse der großen Koalition werden weitere Fahrverbote nicht verhindern. Sie sind nur ein weiterer Flickenteppich. Es braucht jetzt die Blaue Plakette, damit klar ist, wer in die Stadt fahren kann und wer nicht." Eine Kennzeichnung "sauberer" Dieselautos mit einer weiteren Plakette lehnt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) jedoch ab, da sie für ihn "ein generelles Fahrverbot" bedeute. Auch im Koalitionsvertrag ist eine solche Plakette nicht vorgesehen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Diesel www.verkehrsrundschau.de/dossiers Fahrverbote für Pkw Was passiert mit meinem Firmenwagen?Generell gilt: Stößt ein Fahrzeug der Klasse Euro 4 oder Euro 5 weniger als 270 mg/km Stickoxid aus, ist es von den Diesel-Fahrverboten ausgenommen. Liegt der Wert höher, sieht die Bundesregierung in den 14 besonders betroffenen Städten (siehe Grafik S. 29) mit Stickoxidwerten über 50 µg/m3 zwei Möglichkeiten für die Fahrzeughalter vor:1. UmtauschFahrzeuge mit Euro 4 oder Euro 5 sollen bei den Herstellern gegen ein modernes Fahrzeug mit Schadstoffklasse 6 eingetauscht werden können. Als Anreiz winkt eine Prämie. Im Gegensatz zu früheren Prämienprogrammen soll diese nicht nur für Neu-, sondern auch für Jahres- und Gebrauchtwagen gelten. Eine Zusage kam bisher jedoch nur von den deutschen Automobilherstellern.2. Hardware-NachrüstungHalter eines Fahrzeugs mit Euro 5 können durch die Nachrüstung mit einem SCR-System den Stickoxidausstoß auf unter 270 mg/km reduzieren. Allerdings fehlt es hier nicht nur an verfügbaren Systemen. Die Bundesregierung erwartet, dass die Hersteller die Kosten übernehmen und beruft sich dabei auf das Werkvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch. Einige Konzerne haben jedoch bereits signalisiert, dass sie nicht bereit sind, die Kosten zu tragen. fa

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