Neues Miteinander

Das Thema Allianzen gewinnt im Handel an Fahrt. So gab Metro im Juli die neue Einkaufskooperation "Horizon" bekannt, die der Handelskonzern mit den französischen Handelsketten Auchan Retail, Casino Group und Schiever geschlossen hat. Erklärtes Ziel: Auf gemeinsamen Plattformen wollen die Partner künftig Ausschreibungen für die Lieferanten ihrer Eigenmarken lancieren und Markenartiklern "internationale Services" bieten. Das verkündeten die Handelsgrößen in ihrer gemeinsamen Erklärung. Seitdem rätselt die Logistikbranche, ob und wie stark sie durch diesen neuen Schulterschluss im Handel betroffen ist. Fest steht nur, dass Metro konzernweit rund 100 Millionen Euro in den Umbau der Logistik investiert. Außerdem sollen aus den bisher 13 Metro-Lagerstandorten neun werden. Sieben Logistikzentren, konkret in Frechen, Essen, Unna, Kamen, Bingen, Gimsheim und Gernsheim, werden zudem in den kommenden Jahren sukzessive geschlossen und ihre Dienstleistungen auf die neuen Standorte Marl und Kirchheim (Weinstraße) verlagert. Einen konkreten Zeitplan nennt Metro aber nicht. "Wir wollen unser Netzwerk optimieren und auf die Anforderungen von Online-Abwicklungen vorbereiten", lautet das Konzept von Thorsten Sega, Geschäftsführer von Metro Logistics Deutschland. Weitere Neuerung ist, dass Metro auch den E-Commerce ausbauen wird. So will das Unternehmen gemeinsam mit Partner Getnow, der derzeit nur in Berlin und München Metro-Lebensmittel ausliefert, ein bundesweites Netz mit Same-Day-Services aufbauen. Was das Thema der Einkaufskooperation "Horizon" mit den französischen Handelsketten Auchan Retail, Casino Group und Schiever betrifft, wiegelt Metro auf Anfrage allerdings ab. "Da diese internationale Kooperation ausschließlich gemeinsame Verhandlungen der Einkaufskonditionen zum Gegenstand hat, werden die Partner weiterhin eigene Beschaffungs- und Logistikprozesse organisieren", versichert eine Sprecherin. "Wir erwarten in diesen Bereichen keine Veränderungen." Mehr Effizienz dank Bündelung Andererseits erzeugen gerade gemeinsame Einkäufe erfahrungsgemäß Bündelungseffekte für die nachfolgenden Prozesse. "Mit Einkaufskooperationen können die Partner auch ihre Logistik effizienter und ihre Supply Chains transparenter machen". Darauf verweist Christian Kille, Professor für Handelslogistik und Operations Management an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Als Konsequenz müssten vor allem Dienstleister, die länderübergreifend für mehrere Kooperationspartner tätig sind, mit höherem Preisdruck rechnen. Zudem stehen bewährte Transportkonzepte zur Disposition. Die Weichen dafür hat Metro aber schon mit dem ausgedünnten Lagernetzwerk gestellt. Offenkundig will das Unternehmen ein- und ausgehende Verkehre, etwa über Cross-Docking, besser aufeinander abstimmen und auf diese Weise Lagerflächen sparen. So hat Metro mit Lieferanten wie Coca-Cola, Henkel, Procter & Gamble und Unilever schon vor der jetzt verkündeten Horizon-Kooperation diverse Kooperationen abgeschlossen. Beide Seiten kommunizieren hier auf einem "Supplier Collaboration Portal" (siehe Kasten Seite 42). Auf Basis von Stammdaten und anderen Daten vereinbaren sie Maßnahmen, die mit verbesserten Lieferketten und reduzierten Lagerbeständen die Warenverfügbarkeit erhöhen und Kosten senken sollen. Auch andere Handelskonzerne arbeiten an solchen Strategien. Die Folgen bekommen Transport- und Speditionsdienstleister längst zu spüren. So registriert Karlhubert Dischinger, Seniorchef des Logistikunternehmens Karl Dischinger, dass viele Lieferverkehre nicht mehr Komplettladungen, sondern kleinere Teilladungen enthalten. "Die Handelskonzerne wünschen vollständig ausgelastete Fahrzeuge", sagt er. Für die Transport- und Logistikbranche bietet diese Veränderung aber auch Vorteile. Da die Teilladungen oft an unterschiedliche Regionallager gehen, müssen die Anliefertermine genau aufeinander abgestimmt werden. An verbindlichen Zeitfenstern für die Entladungen kommen manche Handelskonzerne deshalb nicht mehr vorbei. Stundenlange Wartezeiten vor der Laderampe in deren Logistikzentren könnten damit, so zumindest die Hoffnung der Spediteure, der Vergangenheit angehören. Handel fürchtet Fahrermangel Möglicherweise reagieren die Handelskonzerne damit auch auf die veränderte Marktsituation. So fürchten sie offenkundig auch den wachsenden Fahrermangel. Zumal sich immer mehr Lkw-Fahrer weigern, Entladungen während ihrer Ruhezeiten vorzunehmen. Als Konsequenz aus alledem müssen gerade mittelständische Speditionsbetriebe bisherige Strategien überdenken. Das merkt Dischinger an. Er geht davon aus, dass mittelständische Dienstleister nurmehr ausschließlich mit Kooperationspartnern für die Handelskonzerne attraktive Geschäftspartner seien. Andernfalls könnten sie überregionale Zustellungen von Teilladungen auch gar nicht gewährleisten. Denn an ihren ursprünglichen Transportkonzepten halten Metro & Co. fest. So nutzen die großen Handelsbetriebe für Fernverkehre ab den Lieferanten nach wie vor Dienstleister, für Nahverkehre zu den Märkten setzen sie dagegen lieber auf eigene Fuhrparks. Allerdings stellt gerade Metro diese Verkehre von klassischen Streckenbelieferungen auf gebündelte Transporte für einzelne Märkte um. Auch das senkt Kosten. Der Erfolg der großen Handelsketten hat auch kleinere und mittlere Betriebe im Handel hellhörig gemacht. Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stehen Tools, die die Warenverfügbarkeit mit möglichst kleinen Lagerbeständen sicherstellen. "Hier können Speditions- und Logistikdienstleister punkten", ermuntert Logistikexperte Kille die Branche zum Handeln. Dienstleister wie Group 7 in Oberding haben die Weichen schon gestellt und können mit ihren Lösungen kleineren Händlern ähnliche Einsparungen in Aussicht stellen, wie sie die Handelsketten schon realisiert haben. Denn auch im Handel werden viele Abläufe mit in die Jahre gekommenen Medien erledigt. So kommunizieren noch manche mit ihren Supply-Chain-Partnern unverändert per EDI oder gar Fax. Und natürlich ist fast jeder Händler an Lösungen interessiert, die die Lagerabläufe beschleunigen. Für viele Speditions- und Logistikfirmen, die die Standorte für Handelsbetriebe bewirtschaften, wird deshalb Automatisierung zur Option. "Vor allem für Produkte, die mit standardmäßigen Verpackungen in großen Volumina umgeschlagen werden, rechnen sich automatische Lagertechnologien", erwartet Thomas Kempke, Leiter des Forschungsbereichs Logistik des EHI Retail Institute in Köln. Mehr zum Thema im Dossier "Handelslogistik" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Metro-Supply Collaboration Portal DatentauschWelche Folgen haben Kooperationen von Handelskonzernen mit Wettbewerbern oder Lieferanten für die Logistik? Erste Anhaltspunkte liefert das interaktive Supply Collaboration Portal von Metro. Auf diesem tauscht der Handelskonzern mit inzwischen über einem Dutzend Lieferanten Daten aus, die für das Tagesgeschäft in Transport und Lager wichtig sind, und ermittelt Verbesserungspotenziale für die Lieferketten. In einer ersten Bilanz meldet der Handelskonzern höhere Umsätze durch größere Warenverfügbarkeit und reduzierte Kosten durch niedrigere Bestände."Die Lkw transportieren mehr Volumina und sind besser ausgelastet, die Transportfrequenzen sind jedoch gleichgeblieben", teilt ein Metro-Sprecher mit. Mit den Teilnehmern, darunter Henkel, Nestlé und Procter & Gamble, wird das Vorgehen genau abgestimmt. Im ersten Schritt entwickeln beide Seiten gemeinsame Kennzahlen und Lieferkonditionen für die EDI-Kommunikation, im zweiten Schritt arbeiten sie standardisierte Verfahren für die Ermittlung von Lieferausfällen, geringe Lkw-Auslastung, schlechte Regalverfügbarkeit, Stammdatenfehler und andere Probleme aus. Jeden Tag werden automatisch Fehler analysiert, jeden Monat Kennzahlen angepasst und jedes Vierteljahr auf Meetings Stammdaten und operative Prozesse optimiert. Dabei gibt es eine klare Arbeitsteilung. Der Lieferant analysiert die Ursachen und Metro überprüft die Analysen. Mit diesem Vorgehen konnten Zeitfenster für die Abholung vorverlegt und verspätete Wareneingänge vermieden werden. Die bisherigen Erfolge sprechen für sich: So konnte Metro zum Beispiel mit der Henkel-Kooperation bis Ende 2017 die Umsätze um fünf Prozent erhöhen. Auch die Transportkosten sind nach Unternehmensangaben um zwölf Prozent gesunken. Zudem konnten die CO²-Emissionen um zehn Prozent reduziert werden. bot

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