Neue Regeln für den Arbeitsschutz

Das Bundeskabinett hat am 2. November 2016 eine Neufassung der Arbeitsstättenverordnung (Arb-StättV) beschlossen. Damit hat ein Normgebungsverfahren seinen Abschluss gefunden, um das lange gestritten wurde. Bereits Ende 2014 hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Neuregelungsentwurf der ArbStättV vorgestellt und damit unter den Arbeitgebern einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Abschließbare Spinde, Fenster in Toiletten und regelmäßige Kontrolle von Home-Office-Arbeitsplätzen - was die Ministerin gefordert hatte, stieß auf breite Ablehnung. Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA, sprach von "bürokratischem Irrsinn in Absurdistan". Ringen um einen fairen Kompromiss Das Kanzleramt reagierte und legte die Verordnung im Februar 2015 auf Eis. Um das Thema wurde es still. Doch hinter den Kulissen wurde weiter um einen Kompromiss gerungen. Nun haben sich Bundesregierung, BDA und Länder auf eine neue, deutlich entschärfte Fassung geeinigt. Die novellierte Verordnung muss noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Sie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Mit der Neuregelung wird unter anderem die bisherige Bildschirmarbeitsverordnung in die ArbStättV integriert. Die alte Bildschirmarbeitsverordnung tritt damit außer Kraft. Die Änderungen sollen Rechtssicherheit schaffen und die Normen auf den aktuellen Stand der Technik bringen. Komplett neu ist die ArbStättV nicht. Sie existiert bereits seit 1975 und wurde 2004 an die europäische Arbeitsstättenrichtlinie angepasst. Sie besteht aus einem verfügenden Teil mit insgesamt neun Paragrafen und einem in fünf Abschnitte unterteilten Anhang, der die Anforderungen an Arbeitsstätten näher bestimmt. Der Vollzug der ArbStättV obliegt den Gewerbeaufsichtsämtern beziehungsweise den Ämtern für Arbeitsschutz. Die Angst vor ursprünglichen Plänen Doch für viele Unternehmensinhaber sah es zwischenzeitlich weniger nach einer Anpassung an den Stand der Technik als nach Schikane aus. So entfachte die Forderung, Mitarbeitern abschließbare Spinde zur Verfügung zu stellen, den Unmut der Arbeitgeber. Es fehle dem Verordnungsgeber an einer Ermächtigungsgrundlage, da abschließbare Spinde weder dem Gesundheitsschutz noch der Arbeitssicherheit dienten, kritisierte der BDA. Zudem sei die Nachrüstung zu teuer und überflüssig. Nach alter Rechtslage müssen Arbeitgeber abschließbare Spinde nur dann bereithalten, wenn die Arbeitnehmer bei der Arbeit spezielle Bekleidung tragen müssen, sodass sie sich vor der Arbeit umziehen müssen. Ansonsten genügt eine Kleiderablage. Dabei wird es nach der nun verabschiedeten ArbStättV auch bleiben. Arbeitgeber müssen damit nicht befürchten, ihre Garderoben nachrüsten zu müssen. Kopfschütteln hatte auch die Forderung verursacht, Firmentoiletten und Teeküchen zwingend mit Tageslicht auszustatten. Auch diese Regelung ist entschärft. Zwar darf der Arbeitgeber als Arbeitsräume grundsätzlich nur solche Räume betreiben, die möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und über eine Sichtverbindung nach außen verfügen. Das gilt auch für große Sozialräume wie Pausen- und Bereitschaftsräume. Die neue ArbStättV stellt in Anhang Nummer 3.4 Absatz 1 nun allerdings klar, für welche Bereiche dies nicht gilt: für Räume, in denen sich Beschäftigte nicht über einen längeren Zeitraum aufhalten müssen, insbesondere Archive, Lager-, Maschinen- und Nebenräume sowie Teeküchen. Auch bei Bereichen, in denen aus betriebs-, produktions- oder bautechnischen Gründen Tageslicht oder eine Sichtverbindung nach außen nicht möglich ist, dürfen Arbeitgeber künftig darauf verzichten. Zudem gewährleistet der Gesetzgeber einen Bestandsschutz: Räume, die bis zum Inkrafttreten der neuen ArbStättV bereits eingerichtet sind oder mit deren Einrichtung bereits begonnen wurde, dürfen ohne eine Sichtverbindung nach außen weiter betrieben werden, bis sie wesentlich erweitert oder umgebaut werden. Die neue ArbStättV stellt zudem klare Regelungen für Telearbeit auf. Sie definiert Telearbeitsplätze als "vom Arbeitgeber für einen festgelegten Zeitraum eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich des Beschäftigten". Telearbeit bedarf immer einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die auch die Arbeitszeit, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsplatzgestaltung umfasst. Mit der neuen Regelung stellt der Gesetzgeber klar, dass beruflich bedingte mobile Arbeit nicht vom Anwendungsbereich der Arbeitsstättenverordnung umfasst wird. Wer also gelegentlich im Home-Office arbeitet, am Wochenende an seinem Laptop Mails liest oder unterwegs im Zug oder Flugzeug ein Angebot schreibt, fällt nicht unter den Anwendungsbereich. Der Entwurf von 2014 hatte darüber hinaus vorgesehen, dass der Arbeitgeber Telearbeitsplätze in regelmäßigen Abständen überprüfen muss. Nach der neuen ArbStättV sind Arbeitgeber künftig nur verpflichtet, Telearbeitsplätze einmalig bei ihrer Einrichtung zu prüfen. Eine jährliche Kontrollpflicht wird es nicht geben. Neue Vorschriften für Unterweisungen Neu geregelt wurde auch die Arbeitsschutz-Unterweisung. Durch sie sollen die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, sich bei der Arbeit und in Notsituationen sicherheitsgerecht zu verhalten. Die Pflicht zu einer solchen Unterweisung bestand schon bisher. Es fehlte jedoch der Hinweis, über welche Gefährdungen der Arbeitgeber die Beschäftigten konkret aufklären muss. Diese werden nun explizit in Paragraf 6 ArbStättV genannt (unter anderem Brandschutzmaßnahmen, Erste Hilfe, Fluchtwege und Notausgänge). Im alten Verordnungsentwurf wollte die Bundesregierung Arbeitgeber zudem verpflichten, die Unterweisung ausführlich zu dokumentieren. Das sorgte für heftige Kritik. Auf diese Aufzeichnungspflicht wird nun verzichtet. Chefs müssen ihre Mitarbeiter lediglich bei Aufnahme ihrer Tätigkeit und dann einmal im Jahr darüber belehren, wie sie sich am Arbeitsplatz verhalten sollen. Weiterhin müssen künftig psychische Belastungen bei der Beurteilung der Gefährdungen von Arbeitnehmern berücksichtigt werden. Das schreibt zwar bereits jetzt das Arbeitsschutzgesetz vor. Für Arbeitsstätten wird dies nun aber konkretisiert und betrifft etwa Belastungen durch störende Geräusche oder Lärm, ungeeignete Beleuchtung oder ergonomische Mängel am Arbeitsplatz. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Arbeitsrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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