Leverkusen. Die Kündigung des Vertrags mit dem Baukonzern Porr wirft den Bau der wichtigen Leverkusener Rheinbrücke erneut um gut eineinhalb Jahre zurück. Die Fertigstellung der ersten von zwei neuen Brücken auf der Autobahn 1 ist nun für September 2023 vorgesehen. Zuletzt war man von Ende 2021 ausgegangen, wie ein Sprecher vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) am Freitag sagte. Die Brücke gilt als zentrales Element, um die Verkehrssituation zu entspannen.
Mehrkosten nach Kündigung erwartet
Nach der Kündigung wird der Bau der wichtigen Leverkusener Rheinbrücke nach Einschätzung von Straßen.NRW auch teurer. "Wir rechnen mit Mehrkosten", sagte der Sprecher des Landesbetriebs, Bernd Löchter, am Montag. Wie hoch diese sein werden, könne man momentan noch nicht sagen. Die Kalkulation werde Teil der neuen Ausschreibung sein. Zudem wolle man sich die Mehrkosten danach "vom bisherigen Unternehmer" wiederholen. Das Volumen für das Großbauprojekt lag zuletzt bei 363 Millionen Euro.
Die extrem wichtige Autobahnbrücke ist Teil des stauanfälligen Kölner Autobahnrings. Über die Brücke rollt ein großer Teil des Fernverkehrs in Richtung Belgien und Frankreich. Allerdings ist die gut 50 Jahre alte Brücke über den Rhein derart marode, dass Lastwagen sie seit 2014 nicht mehr nutzen dürfen. Mit Schranken werden Fahrzeuge, die schwerer als 3,5 Tonnen sind, am Befahren gehindert und vor der Brücke abgeleitet. Lastwagen müssen große Umwege in Kauf nehmen - Speditionen und Industrie beklagen das seit langem.
Straßen.NRW muss neuen Partner zur Fertigstellung finden
Die Fertigstellung der ersten von zwei geplanten neuen Brücken, die das marode Bauwerk ersetzen sollen, würde massiv Abhilfe schaffen. Diese verzögert sich durch die Aufkündigung des Vertrags mit dem österreichischen Konzern Porr erneut. Straßen.NRW sah sich am Freitag nach eigenen Angaben zu diesem folgenreichen Schritt gezwungen.
„Der Grund sind gravierende Mängel bei der Verarbeitung der Stahlbauteile, die weder die deutschen Normen noch die vertraglichen Vereinbarungen erfüllen“, teilte der Landesbetrieb mit. Man habe keine Einigung über den Umgang damit erzielen können. „Das zwingt uns dazu, einen neuen Partner zur Fertigstellung der Brücke zu finden“, erklärte Sascha Kaiser, Direktor bei Straßen.NRW.
Alle Brückenteile aus China mangelhaft
Jedes der 22 in China gefertigten Brückenteile aus Stahl sei mit Mängeln behaftet, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Wochenend-Ausgabe) unter Berufung auf Angaben von Straßen.NRW berichtete. Der Landesbetrieb sprach demnach von 250 bis 600 Mängeln je Bauteil.
Porr wies die Vorwürfe zurück und deutete juristische Schritte an. Die angeblichen Mängel an Stahlbauteilen seien „im voluminösen Stahlbau immer anzutreffen“, teilte das Unternehmen mit. „Es entspricht dem üblichen Standard im Stahlbau, verbliebene Restmängel an den Elementen auf der Baustelle vorzunehmen.“ Auch der TÜV Rheinland hatte zuletzt bestätigt, dass eine Neuherstellung der Teile nicht nötig sei.
Baukonzern Porr bereitet sich auf Rechtsstreit vor
Nach dem Rausschmiss warf Porr Straßen.NRW vor, Probleme mit Asbest und PCB an der alten Brücke nicht ernstgenommen zu haben. „Das Bauvorhaben hat schon problematisch begonnen, da man wegen massiver Fehler in der Entwurfsplanung und fehlender Kampfmittelsondierung durch Straßen.NRW schon zu Beginn mindestens ein Jahr Verzögerung hatte.“ Zugleich betonte das Unternehmen: „Die Porr ist bestens vorbereitet, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten und ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren.“
Eine Neuausschreibung für das Großprojekt soll schon in der kommenden Woche veröffentlicht werden. Nach Angaben von Straßen.NRW bezieht sie sich zunächst auf die erste der zwei geplanten Brücken. Der Auftrag für die neue Rheinbrücke war 2017 vergeben worden. Das Volumen lag nach Angaben von Straßen.NRW bei 363 Millionen Euro.
Opposition: „Super-Gau für die Verkehrspolitik in NRW“
NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete das Projekt als „Bauwerk von nationaler Bedeutung“. Bei Qualität und Sicherheit dürften keine Mängel akzeptiert werden. „Menschen und Unternehmen in der Region haben einen Anspruch auf eine neue Brücke und einen verlässlichen Zeitablauf.“
Wüst hatte einst den Bau der Brücke mit Import-Stahl aus China gerechtfertigt. Die Qualität des Stahls sowie die Einhaltung der Qualitätsstandards werde von Beauftragten von Straßen.NRW vor Ort in China geprüft, hatte er Anfang 2018 gesagt.
Die SPD-Opposition im Landtag sprach von einem „Super-Gau für die Verkehrspolitik in NRW“. «Wir fordern die Landesregierung auf, schnellstmöglich die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, wie es zu diesem Skandal kommen konnte», erklärten die Abgeordneten Jochen Ott und Carsten Löcker. Konkret: „Seit wann wusste die Landesregierung, dass es massive Probleme mit dem offenkundig minderwertigen Stahl gab, der unter ihrer Verantwortung aus China importiert wurde?“ (dpa/sn)