Berlin/Brüssel. Nach der Tunnelpanne in Rastatt müssen Güterverkehrsunternehmen weiter auf die wichtige Nord-Süd-Verbindung über die Rheintalstrecke verzichten. Was das für die Unternehmen bedeutet haben 24 europäische Verkehrs-, Güter- und Umweltverbände jetzt in einem gemeinsamen offenen Brief verdeutlicht.
Sie fordern schnelle und wirkungsvolle Maßnahmen von den Verkehrsministern der betroffenen Länder – so auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) – die nicht nur die aktuellen Probleme lösen, sondern auch künftige verhindert. Rastatt dürfe nie wieder passieren.
Starke Volumeneinbußen im Schienen- und Kombinierten Verkehr
Die Verbände, darunter die European Rail Freight Association, das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen und die Deutsche Umwelthilfe, beklagen in ihrem Schreiben die Folgen der knapp zweimonatigen Unterbrechung der Rheintalbahn. Wenn die Strecke zum angekündigten Termin am 7. Oktober 2017 den Verkehr wieder aufnimmt, werde die Bahnlogistik immensen Schaden erlitten haben.
Rund 50 Prozent des Warenaustauschs zwischen Nordeuropa und Italien via Schweiz erfolge im Kombinierten Verkehr über diese Achse. Für die 200 Güterzüge, die im September üblicherweise täglich auf der Rheintalbahn unterwegs seien, gebe es jedoch nur Umleitungskapazitäten für 150 Güterzüge über Stuttgart-Singen, Brenner und das Elsass.
Streckensperrung zeigt Fehler im europäischen System auf
Aufgrund der anhaltenden Sperrung könnten die Güterbahnen daher auf den Umfahrungsstrecken via Deutschland, Frankreich und Österreich nur 25 Prozent des Normalvolumens bewältigen, beim Kombinierten Verkehr weniger als 15 Prozent. Das System der europäischen Bahnlogistik stehe kurz vor dem Kollaps; der Wirtschaft, der Industrie, bei Bahnen, Operateuren und Transportunternehmen entstehen Schäden in Milliardenhöhe, heißt es weiter.
Diese Probleme seien die Folge von einer ganzen Reihe von Fehlern im europäischen Schienengüterverkehr. Die Verbände bemängeln unter anderem fehlende Ausweichstrecken, fehlende internationale Koordination von Baumaßnahmen sowie die fehlende Struktur für ein internationales Krisenmanagement.
Chance einer wettbewerbsfähigen Bahnlogistik nicht verspielen
Als sofortige Maßnahmen fordern die Unterzeichner daher die Einsetzung einer Task Force auf Minister- beziehungsweise EU-Ebene, die Netzbetreiber mit einbezieht. Außerdem sollte der Lokführerpools auf den Umleitungsstrecken durch Freistellungen für den Güterverkehr aufgestockt und die Betriebsverfahren auf diesen Strecken vereinfacht werden. Für Unternehmen, die durch das „Rastatt-Desaster“ finanziell vor dem Aus stehen, sollten außerordentliche Maßnahmen geprüft werden.
Zur zeitnahen Aufarbeitung dieser „mit Abstand größten und folgenreichsten Vollsperre des Schienengüterverkehrs der letzten Jahrzehnte“ fordern die Verbände die Bildung einer Sonderkommission, die sich mit Notfallplänen, Baustellenmanagement und Priorisierung der Verkehre auseinandersetzt. Nur so könnten ein „Blackout des Systems“ und einen „dauernder Vertrauensverlust des Markts“ vermieden werden. Man solle die „Chance einer wettbewerbsfähigen Bahnlogistik nicht verspielen“. (jt)