"Mit 10.000 Euro angefangen"

Warum gründet jemand im Alter von 27 Jahren ausgerechnet eine Spedition? Das habe ich schon mit der Muttermilch aufgenommen. Mein Vater ist mit einer Lkw-Werkstatt selbstständig, zu der früher auch ein Fuhrbetrieb gehörte. Das hat mich schon als Kind fasziniert und so wusste ich bereits als Schüler, dass ich selbstständiger Spediteur werden will. Was will ein Gründer anders machen als die etablierte Konkurrenz? Von Anfang an war mir ein sehr personenbezogener Führungsstil wichtig. Wir wissen, dass in der Logistik nicht die höchsten Gehälter gezahlt werden. Das kann ich auch nicht ändern. Was ich aber kann, ist den Spaß meiner Mitarbeiter am Beruf fördern. Das äußert sich beispielsweise in unseren auffällig gestalteten Lkw. Die Idee dazu habe ich aus meiner Zeit im väterlichen Unternehmen. Dort gab es Mechaniker, die unbedingt bestimmte Lkw fahren wollten, obwohl sie als Fahrer weniger verdienen. Ich habe erlebt, dass es Menschen gibt, die Freude am Fahrerberuf haben, auch wenn das heute oft anders dargestellt wird. Die Margen einer Spedition sind, anders als bei hippen T-Start-ups, gering - keine Angst vor der Pleite? Nein. Meinen Mitarbeitern sage ich immer: Ich fühle mich hier als Kassenwart oder als Vereinsvorsitzender. Ich habe e.K. als Rechtsform hinter dem Unternehmensnamen stehen, die könnte aber auch e.V. lauten. Alle müssen ihren Beitrag zu unserem Erfolg leisten, dazu beziehe ich meine Mitarbeiter in Entscheidungen ein. Und ja, unsere Margen sind nur im einstelligen Bereich, aber das wusste ich vorher und ich wusste auch, dass sich das nicht so einfach ändern lässt. Dafür ähneln sich Logistikdienstleistungen zu sehr und dafür sind die Kostenstrukturen bei den Anbietern zu ähnlich. Das ist bei einer innovativen Software anders. Warum e.K.? Der eingetragene Kaufmann - mit der unbeschränkten persönlichen Haftung - ist Ex-Drogeriekönig Anton Schlecker zum Verhängnis geworden ... Damit will ich mein Bekenntnis zum Unternehmen in Richtung Mitarbeiter, Kunden und Banken dokumentieren und Vertrauen bei meinen Partnern aufbauen. Ich habe als Start-up mit 10.000 Euro auf dem Konto angefangen. Ich wollte keine Hilfe von außen, da ich die Entscheidungen selbst treffen und die Verantwortung tragen wollte. Die Fahrer meiner ersten drei gemieteten Lkw haben zum Tanken Bargeld mitgenommen. Nach einem halben Jahr und der ersten aussagefähigen betriebswirtschaftlichen Auswertung habe ich ohne Bankbürgschaft Tankkarten bekommen. Mit denen wollte ich lieber Investitionen in den Fuhrpark ermöglichen. Sie sind für den Osnabrücker Unternehmerpreis nominiert. Wie haben Sie sich qualifiziert? Das Thema für dieses Jahr heißt Start-ups aus der Region Osnabrück. Eigentlich verbindet man damit eher IT-Gründungen und nicht so ein handfestes Geschäft wie Logistik. Von daher bin ich etwas skeptisch, ob das die Jury vom Hocker reißt. Wenn man aber auf die Fakten schaut, ist es sicherlich so, dass wir mit unseren 140 Beschäftigten regional einen größeren Beitrag leisten als eine IT-Firma mit fünf Mann. Man darf nicht vergessen: Es gibt Menschen, die in hochqualifizierten Jobs gar nicht tätig sein können. Von daher ist unser Brot- und Buttergeschäft mit viel Manpower gesellschaftlich genauso wichtig wie Innovationen. Bei einem Blick auf die Entwicklung von Fuhrparkgröße, Lagerfläche und Mitarbeiterzahl gewinnt man den Eindruck, Sie legten einen Fokus auf Lagerdienstleistungen. Sind die lukrativer als der Transport? Korrekt. Die Margen sind in der Lagerlogistik besser und die Vertragslaufzeiten länger. Das hat mir geholfen, das für unser Wachstum benötigte Kapital zu besorgen. Lagerlogistik können Banker besser bewerten. Transport ist für diese ein Leben von der Hand in den Mund. Selbst hinter Gebietsspediteursverträgen steht in der Regel kein Mindestvolumen. Beim Lagergeschäft habe ich meist eine Mindestpalettenzahl und eine mehrjährige Vertragslaufzeit. Damit lässt sich ausrechnen, was der Vertrag wert ist. Ihr Fuhrpark sieht mit den Bullenfängern, Sonnenblenden und den Lampenbatterien nicht nach einem Wunder an Effizienz aus - rechnet sich das? (lacht) Es kommt darauf an, wie sie rechnen. Sicherlich, wirtschaftliche Faktoren sind wichtig. Aber Mitarbeitermotivation spielt eben auch eine Rolle. Wenn Mitarbeiter, wie Fahrer, wenig verdienen, dann kann ich sie mit solchen Dingen maximal motivieren, da ich ihnen das Trucker-Feeling erhalte. Aus Kostengesichtspunkten wäre eine andere Strategie klüger. Zudem haben Sie fast alle Marken im Fuhrpark - wären die Einkaufskonditionen nicht besser, wenn Sie den Bedarf auf einen oder zwei Hersteller bündeln? Stimmt, außer Volvo haben wir alle Marken in der Flotte. Das liegt daran, dass bei uns die Fahrer das Privileg genießen, bei der Fahrzeugauswahl mitbestimmen zu dürfen. Bei unseren Einkaufskonditionen spielt das meiner Meinung nach keine Rolle. Wir bestellen nicht 20 Lkw auf einen Schlag, sondern beschaffen die Fahrzeuge je nach Auftragslage. Gleichen Sie diese Ineffizienzen mit IT aus? Anfang 2017 wollen wir ein Telematiksystem einführen. Bislang haben wir in Sachen IT in Verpackungsmaschinen, Lagersoftware und die Netzwerkanbindung an die Kunden investiert. Derzeit testen wir Telematik von Navkonzept und Yellow-Fox. Wozu wollen Sie die Telematik nutzen? Neben der Ortung unserer Fahrzeuge wollen wir damit beispielsweise unsere Tachodaten automatisch archivieren. Ein weiterer Aspekt ist ein Prämiensystem auf Basis des Fahrstils. Ziel ist aber nicht ein Ranking zum Aushängen nach dem Motto: Kai-Uwe ist der Beste. Wir wollen die Fahrer belohnen, die im Verbrauch unter dem Flottendurchschnitt liegen. Wenn Sie alle Marken kennen - wer baut denn den besten Truck? Die Hersteller sind auf Augenhöhe. Auch wenn Iveco bei den Fahrern noch immer nicht das beste Image genießt, die Fahrzeuge selbst sind nicht schlechter als die der Konkurrenz. Viel wichtiger als die Marke sind die Menschen dahinter. Damit meine ich die lokalen Verkäufer oder die Mitarbeiter der ortsansässigen Werkstatt. Wenn zu denen ein vertrauensvolles Verhältnis besteht, dann ist mir das wichtiger als ein um 500 Euro billigerer Lkw. Gute Beziehungen zahlen sich langfristig immer aus. Schöne Trucks und ein wachsendes Unternehmen brauchen Fahrer - bremst Sie der Fahrermangel? Nein. Bislang haben wir auch keinen Fahrer selber ausgebildet. Das heißt, wir haben sie im Sinne der Verdrängung anderen weggenommen. Offensichtlich bieten wir mit der Mitbestimmung bei der Fahrzeugwahl und der Aufmachung der Lkw das richtige Konzept. Mehr Gehalt zahlen wir nicht. Ganz ohne Schwierigkeiten läuft es bei uns aber auch nicht. Wir wollten dieses Jahr je drei Auszubildende für die Bereiche Spedition, Lager und Fahrer einstellen. Die Azubis zum Berufskraftfahrer haben wir als einzige nicht gefunden. Es ist nicht so, dass das keiner machen will. Nur, die klassischen Fahrer-Bewerber sind nach ihrem Hauptschulabschluss 16 Jahre alt und damit zu jung. Hier müsste der Gesetzgeber Sonderregelungen schaffen. Wie kommt Ihr Truck in den Vereinsfarben des VfL Osnabrück bei den Kunden an? Er polarisiert, aber das ist gewollt. Wir verstehen uns als regionales Unternehmen. Das heißt, unser Wachstum hat räumlich klar definierte Grenzen. Es ist für mich nicht erstrebenswert, Niederlassungen in ganz Deutschland zu eröffnen. Entsprechende Kundenanfragen würde ich sehr wahrscheinlich ablehnen. Ich möchte mir den Charakter des Mittelständlers bewahren, der alle seine Mitarbeiter kennt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Start-ups www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Björn Waldbach Der Unternehmer Björn Waldbach wurde am 27. März 1985 im niedersächsischen Melle geboren. Seinen beruflichen Grundstein legte er mit einer Ausbildung zum Speditionskaufmann bei Kühne + Nagel in Steinhagen bei Bielefeld (2001 bis 2003). Anschließend arbeitete er dort bis 2006 in der Disposition der Osteuropaverkehre. Von 2007 bis 2011 zog es Waldbach in das väterliche Waldbach Truck-Center mit Werkstatt und Fuhrbetrieb. Zu seinen Aufgaben zählten Werkstattplanung, Fuhrparkverwaltung und Kundenaquise. Im Jahr 2012 gründete er den Logistikdienstleister Waldbach Fulfillment Logistik. Seine Freizeit verbringt der Fan des Fußballvereins VfL Osnabrück (3. Bundesliga) gerne mit Springreiten und der Zucht von Pferden.sv Gelungener Start Waldbach Fulfillment Logistik Björn Waldbach hat das Unternehmen 2012 in Preußisch Oldendorf, knapp 40 Kilometer östlich von Osnabrück, mit zehn Mitarbeitern, drei Lkw und 3500 Quadratmetern Lagerfläche als Eingetragener Kaufmann (e.K.) gegründet. Mittlerweile beschäftigt Waldbach 140 Mitarbeiter, bewirtschaftet 40.000 Quadratmeter Lagerfläche und verfügt über eine Flotte von 30 motorisierten und 60 gezogenen Einheiten. Den Firmensitz hat der Unternehmer 2014 an seinen zweiten Standort ins nahegelegene Melle verlagert. 2016 wird der Logistikdienstleister etwa sechs Millionen Euro erlösen.sv