Die digitale Welle und ihre Folgen

Wenn über einem eine Welle hereinbricht, ist es gut, schnell wieder die Orientierung zu gewinnen. Dazu gehört, auch einen festen Boden unter den Füßen zu haben. Lob und Kritik für Dobrindt Die digitale Welle erfasst die Logistik derzeit mit Schwung. Diesen Eindruck vermittelte der Deutsche Logistik-Kongress der Bundesvereinigung Logistik (BVL) letzte Woche in Berlin. Aber man sollte auch die Infrastruktur nicht vergessen. Bei all den Wogen, die rund um das Digitale tosen, rammte der BVL-Vorsitzende Raimund Klinkner einen Pfosten in den Boden, indem er darauf hinwies, wie wichtig eine gute Hardware in Form einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur ist. Zwar ritt auch Klinkner auf der digitalen Welle und ließ das Thema nicht aus. Aber er machte deutlich, dass die Verkehrsinfrastruktur von enormer Bedeutung ist. Die BVL hatte schon vor einiger Zeit eine Erhöhung der Investitionen in die Verkehrswege von 10 auf 20 Milliarden Euro angemahnt. Derzeit sind im Haushalt von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt 14,5 Milliarden Euro verankert. Auf die Frage, ob man mit dieser Lücke nicht den Ruf als Logistikweltmeister aufs Spiel setze, antwortete Klinkner: "Dieser Schluck aus der Pulle ist ein Weg in die richtige Richtung - aber es reicht noch nicht aus." "Die BVL hatte mehr finanzielles Engagement für die Verkehrsinfrastruktur vom Bund eingefordert. Wir werden in dieser Wahlperiode auch liefern", versprach Dobrindt auf dem Kongress und verwies darauf, dass zu seinem Amtsantritt die verfügbare Summe für Infrastrukturinvestitionen nur 10 Milliarden Euro betragen habe. Die von der BVL geforderten 20 Millionen Euro verschwieg der Minister generös. Dobrindt erhofft sich durch die Gründung einer bundesweit zuständigen Autobahngesellschaft eine spürbare Verbesserung bei dem Bau und dem Erhalt der Bundesfernstraßen. Was nutzt es mir, fuhr er fort, wenn es in Bayern ausreichend Planungsingenieure gibt, aber in anderen Bundesländern mangels Kapazitäten nicht gebaut werden könne. "Das ist ein Zustand, den ein Bundesverkehrsminister nicht akzeptieren kann", betonte Dobrindt, "wir brauchen die Durchgängigkeit der Verkehrswege." Eine Feststellung, die sicher auch Hans Christian Schmidt gerne vernommen hat. Der dänische Verkehrsminister konnte davon berichten, dass für die Tunnelverbindung via Fehmarn auf dänischer Seite die Planungen und Genehmigungsverfahren bereits weit fortgeschritten sind, es auf deutscher Seite hingegen Verzögerungen hinsichtlich der Anbindung des Tunnels gebe. "Ich rechne damit, dass Ende 2017 die Baugenehmigung für das Großprojekt erteilt wird", zeigte sich Dobrindts Amtskollege auf dem Kongress optimistisch. Abseits dieser Hardware dominierten der digitale Wandel und die Folgen die Gespräche auf dem Kongress. Trotz zahlreicher digitaler Projekte waren sich die meisten Teilnehmer einig: Die Branche steht hier noch ziemlich am Anfang. So hatten in einer aktuellen Studie der BVL nur vier Prozent der Logistikunternehmen angegeben, sie hätten ihr Geschäftsmodell schon umfassend digital transformiert. Da sind also noch einige Hausaufgaben zu machen. Dazu gehört auch ein besserer Informationsfluss. "Wenn wir bei der Digitalisierung mitspielen wollen, müssen wir Daten freigeben. Die Bereitschaft, dies zu tun, steigt," nannte Professor Wolfgang Kersten, Mitautor der BVL-Studie, ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Digitalen Wandel aktiv gestalten "Was jetzt auf die Branche zukommt, ist ein digitaler Strukturwandel. Das wird ganz tief eingreifen in die entsprechenden Prozesse und in unsere Netzwerke", bringt Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter am Dortmunder Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), die anstehenden Veränderungen auf den Punkt. Anstelle aber den Kopf in den Sand zu stecken, sollten die Unternehmen den Wandel aktiv gestalten. "Und dafür ist es wichtig", ermuntert der Logistikexperte, "dass Unternehmen Dinge einfach einmal auszuprobieren" - gemeinsam mit Start-ups, mit anderen Unternehmen und unterstützt von der Wissenschaft. In der Phase des digitalen Wandels sei vor allem Schnelligkeit gefragt - große Konzerne könnten angesichts ihrer langen Entscheidungswege schnell ins Hintertreffen geraten. "Wir wissen aber, wie Transformation geht, und zwar die industrielle Transformation. Wir haben den Strukturwandel schon einmal durchlebt", ermutigt der Wissenschaftler die Unternehmen. Allerdings hat es dieser in sich - insbesondere für Speditionen: "Vermittelnde Tätigkeiten geraten da unter Druck", sagte Klaus van Marwyk, Partner von Roland Berger, der soeben in einer Studie untersucht hat, mit welchen Geschäftsmodellen im Zeitalter der Digitalisierung Logistikdienstleister künftig noch Geld verdienen können. Im Extremfall könnten demnach "70 bis 80 Prozent des See-, Luft- und Landverkehrsgeschäfts", die heute schon standardisiert abgewickelt werden, künftig über elektronische Buchungsplattformen laufen. "Das ist Geschäft, das potenziell für klassische Speditionen in Gefahr ist", warnt van Marwyk. Nicht zuletzt, weil Verlader mittels eigener Buchungsplattform die zusätzliche Stufe des Spediteurs überspringen und dadurch Kosten sparen könnten. Die Folge müsse aber nicht zwangsläufig eine Konsolidierung sein. Zwar sei es möglich, sagt er, "dass viel Transaktionsvolumen auf einer Plattform landet, aber gleichzeitig gibt es viele neue Ideen und Nischen im Service-Bereich, die Geschäftsmodelle für Unternehmen bieten". Er ermunterte die Unternehmen, sich mit dem Thema Digitalisierung zu befassen. So gebe es heute schon Firmen, die ihr eigenes Digital Hub mit eigenem Geschäftsführer gegründet haben, der quasi als Start-up des Unternehmens neue Ideen ausprobiert. "Genau das ist der richtige Weg", lobt van Marwyk. "Das muss nicht immer komplex sein, da sind viele Dinge möglich wie etwa eine Übersetzungssoftware für Lkw-Fahrer oder eine Plattform, über die man Fahrer akquirieren kann." Branche steht vor einer Revolution Van Marwyk ist fest davon überzeugt, dass da in der Logistikbranche etwas passieren wird. Der Berater: "So wie in den 1950er-Jahren der Container die Logistikbranche revolutioniert hat, stehen wir im Moment vor vielen weiteren Revolutionen, die das Geschäft massiv verändern werden". Oder anders formuliert: Am besten ist es, man schwimmt oben auf der digitalen Welle mit, um nicht von ihr fortgerissen zu werden. Mehr zum Thema im Dossier "Logistik-Kongress" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Deutscher Logistik-Preis für AGCO und 4Flow Ein ausgezeichnetes Beispiel für den digitalen Wandel 1500 Lieferanten zu steuern, dazu noch 70 Logistikdienstleister, die alle weltweit zerstreut über 20 Produktions- und After-Sales-Standorte tätig sind: Keine Frage, das ist eine logistische Herausforderung, vor der der Hersteller für Landmaschinentechnik AGCO steht. Wenn dann noch das Wachstum über zahlreiche Zukäufe realisiert wurde, bei der jede zugekaufte Einheit ihre eigenen Prozesse mitbringt, kann aus einer Herausforderung schnell mal ein großes Problem werden. Daher hat AGCO seine Abläufe harmonisiert. Und genau dafür zeichnete die BVL AGCO und den Kooperationspartner 4Flow für das Projekt "AGCO Smart Logistics" mit dem Deutschen Logistik-Preis aus. AGCO ist mit seinen fünf Kernmarken Challenger, Fendt, GSI, Massey Ferguson und Valtra ein weltweit tätiger Hersteller für Landtechnik. Bei dem Konzept werden unter Anwendung von Algorithmen in Echtzeit Bedarfe, Kapazitäten und Laufzeiten analysiert, aber auch geopolitische und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigt, um so eine gemeinsame Prozessbasis und einen optimalen Materialfluss über alle Standorte zu erzeugen. Dazu wurde eine cloudbasierte IT-Lösung aufgebaut, die Transportmanagement mit Risiko- und Lieferantenmanagement verknüpft, und es erlaubt, täglich die Transportroute mit dem geringsten Risiko und den besten Kosten auszuwählen. cd