Mindestlohn für Azubis geplant

Die Große Koalition will die Rechtsgrundlagen zur Berufsausbildung überarbeiten und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Neben der im Koalitionsvertrag angekündigten Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) haben Union und SPD ein Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (Berufsbildungsmodernisierungsgesetz; kurz BBiMoG) auf den Weg gebracht. Der Vorschlag von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für ein neues Berufsbildungsgesetz sieht einen allgemeinen Mindestlohn für Auszubildende aller Wirtschaftszweige vor, der im ersten Jahr bei monatlich 504 brutto Euro liegen soll - angelehnt an das BAföG für Schüler, die nicht mehr zu Hause wohnen. In den Folgejahren soll er um fünf, zehn und 15 Prozent steigen. Der Referentenentwurf zur Novellierung befindet sich noch immer in der Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts. Die Neuerung soll im Sommer 2019 verabschiedet werden und zum Jahresanfang 2020 in Kraft treten. Bei der Bezahlung von Azubis gibt es große Unterschiede - je nach Region, Branche und Tätigkeit. Laut Ausbildungsreport 2018 des Deutschen Gewerkschaftsbundes bekommen angehende Tischler etwa 573 Euro im ersten Lehrjahr, Friseure nur 406 Euro. Bankkaufleute schneiden weit besser ab - etwa im dritten Lehrjahr mit 1028 Euro. Mit dieser Untergrenze will die Bundesregierung diese Unterschiede verhindern. Ob die Mindestvergütung von 504 Euro wirklich so kommt, ist derzeit unklar. Die SPD und Gewerkschaftsvertreter kritisieren den Vorschlag zum Beispiel als nicht ausreichend. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert 636 Euro als Minimum für das erste Ausbildungsjahr. Die Sozialdemokraten möchten als Bezugsbasis die durchschnittlichen Tariflöhne der Lehrlinge. Yasmin Fahimi, Berichterstatterin der SPD für Berufliche Bildung, fürchtet, dass Auszubildende sogar schlechter gestellt werden könnten als bisher. Völlig ungeklärt ist Fahimi zufolge nach Karliczeks Entwurf nämlich der Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Danach könnten Auszubildende in tarifungebundenen Unternehmen eine Vergütung von mindestens 80 Prozent der üblichen Tarifvergütung einklagen. Für tarifgebundene Ausbildungsbetriebe sind nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) die tariflichen Vergütungen verbindliche Mindestbeträge. Niedrigere Zahlungen sind hier unzulässig, übertarifliche Zuschläge dagegen möglich. Bei den nichttarifgebundenen Betrieben darf nach derzeitiger Rechtsprechung die in der Branche und Region geltende tarifliche Ausbildungsvergütung um maximal 20 Prozent unterschritten werden. Wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in der Hans-Böckler-Stiftung in einer Untersuchung herausgefunden hat, geht der Anteil der tarifgebundenen Betriebe immer stärker zurück. Zudem bieten einige Arbeitgeberverbände laut DGB seit einigen Jahren ihren Mitgliedern sogenannte OT-Mitgliedschaften an. "OT" steht dabei für "ohne Tarifbindung" und bedeute, dass das Unternehmen in den Genuss aller Privilegien und Dienstleistungen des Arbeitgeberverbandes komme, ohne dabei aber geltende Tarifverträge anwenden zu müssen. Das gilt auch für die Transport- und Logistikbranche. Karliczek will zudem mit international gängigen, einheitlichen Bezeichnungen von Fortbildungsabschlüssen die höherqualifizierte Berufsausbildung stärken. In ihrer Novelle des Berufsbildungsgesetzes, über das die Bundesregierung derzeit intern berät, ist die Rede von "Berufsspezialist/Berufsspezialistin", "Berufsbachelor" und "Berufsmaster". Etablierte Bezeichnungen wie der "Meister" sollen damit verbunden werden können. Wie das genau funktionieren soll, ist offenbar noch unklar. Kritiker sehen Verwechslungsgefahr mit Abschlüssen an Universitäten und Hochschulen. Nach Ansicht der Hochschulrektoren würden die neuen Bezeichnungen "Abschlüsse vermischen, die zwar gleichwertig, aber nicht identisch sind". Darüber hinaus will der Gesetzgeber mehr Flexibilität bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen schaffen. Zum Beispiel sollen Azubis bei so einer gestuften Ausbildung unter anderem von dem ersten Teil der sogenannten gestreckten Abschlussprüfung eines drei- oder dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufs befreit werden, wenn diese auf einer bestandenen zweijährigen Ausbildung aufbaut. Mehr Möglichkeiten soll es außerdem zur Teilzeitausbildung geben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Mindestlohn www.verkehrsrundschau.de/dossiers BIBB-Prognose Elf Prozent aller Unternehmen wären betroffenNach einer Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) vom vergangenen Sommer müssten aktuell elf Prozent aller Ausbildungsbetriebe das Lehrlingssalär auf das in dem Gesetzentwurf angepeilte Mindestniveau in Höhe von 504 Euro brutto pro Monat anheben. Bei einer Untergrenze von 650 Euro müsste demnach schon mehr als jeder Dritte nachbessern. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings tarifungebundene Unternehmen. ag DSLV-Position Kritik an den GesetzesvorhabenVertreter der Güterverkehrsbranche wie der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) lehnen die Einführung einer Mindestvergütung für Auszubildende entschieden ab. Die Höhe stelle zwar kein Problem dar, denn die Ausbildungsvergütungen in der Speditions- und Logistikbranche liegen bereits heute in der Regel deutlich über der vorgeschlagenen Untergrenze. Aus Sicht des DSLV ist eine festgelegte Mindestvergütung aber ordnungspolitisch falsch. Sie stelle einen massiven Eingriff in die Tarifautonomie der Sozialpartner dar, kritisiert der Verband. Die Lohnfindung müsse somit weiterhin durch die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände erfolgen. ag