Militärische Verstärkung

Zeitsoldat, Ausbildung zum Speditionskaufmann, stellvertretender Fuhrparkleiter bei der Geis Eurocargo GmbH in Nürnberg: Das sind die wichtigsten Stationen im Lebenslauf von Andreas Müller. Arbeitsdruck kann auch positiv sein "Während meiner Tätigkeit in der Panzerartillerie und beim Nato-Hauptquartier in Holland war ich hauptsächlich als Busund LKW-Fahrer im Einsatz", erinnert sich Müller. "Nach meiner achtjährigen Dienstzeit bei der Truppe wollte ich allerdings eine etwas anspruchsvollere Aufgabe." Während eines Berufscoachings, das von der Bundeswehr organisiert wurde, entschloss er sich zu einer Ausbildung in der Logistik. Danach übernahm er die Position des stellvertretenden Fuhrparkleiters, in der er nun seit knapp sechs Jahren tätig ist. "Der Arbeitsdruck ist zwar deutlich höher als damals bei der Bundeswehr", sagt Müller. "Aber auch das gefällt mir persönlich sehr gut an meinem Job." Mit seinem eher ungewöhnlichen Werdegang ist Andreas Müller bei der Geis-Gruppe keinesfalls ein Exot: "Wir beschäftigen mehrere ehemalige Zeitsoldaten an unseren Standorten und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt Werner Dettenthaler, Leiter der Nürnberger Geis-Niederlassung. "Die Palette reicht vom Berufskraftfahrer bis hin zu Fuhrpark- und Standortleitern." Dettenthaler betont, dass bei der Bundeswehr oft sehr gut ausgebildet werde und insbesondere die ehemaligen Zeitsoldaten aus den höheren Diensträngen ausgesprochen gute Führungsqualifikationen mitbrächten. "Allerdings fehlt die Berufserfahrung in einem zivilen Logistikunternehmen. Daher sind in den meisten Fällen Praktika oder gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich", berichtet Dettenthaler. Dass für Ausbildungsmaßnahmen der ehemaligen Zeitsoldaten Fördermittel zur Verfügung stehen (siehe Kasten unten), findet er daher äußerst sinnvoll. Unter gewissen Voraussetzungen können Arbeitgeber aber auch darüber hinaus einen Einarbeitungszuschuss beantragen, wenn das Leistungsvermögen des ehemaligen Soldaten auf Zeit zunächst an die Anforderungen des Arbeitsplatzes und des Betriebes herangeführt werden muss, wie Stefan Stege vom Karrierecenter der Bundeswehr München erklärt. Zweck dieses Zuschusses sei es, dem Arbeitgeber in der Einarbeitungsphase eine Gehalts-/Leistungsdifferenz auszugleichen. "Wichtig ist, dass die Antragstellung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Höhe und Dauer des Zuschusses sind an das vorhandene Leistungsvermögen, den beruflichen Kenntnisstand sowie die Lernfähigkeit des Einzuarbeitenden angepasst", erklärt Steege. Bundeswehr zahlt gut Dass die meisten Soldaten auf Zeit die Anforderungsprofile von Logistikunternehmen nicht auf Anhieb erfüllen können, räumt Johannes Jakobs-Woltering vom Arbeitskreis Bundeswehr & Wirtschaft (AkBwW) Bayern, ein. "Der Wechsel vom Global Player Bundeswehr zu einem Unternehmen der Wirtschaft, in dem ein Mitarbeiter von Anfang an sein Geld wert sein muss, ist nicht leicht." Zumal das Lohnniveau bei der Bundeswehr nicht schlecht ist. So verdient ein 20-jähriger Kraftfahrer auf Mannschaftsebene dort etwa 1800 Euro netto, wie Jakobs-Woltering berichtet. Allerdings erhalte längst nicht jeder freiwillig Wehrdienstleistende die Gelegenheit, bei der Bundeswehr den LKW-Führerschein zu erwerben. Zur Milderung des akuten Fahrermangels können ehemalige Zeitsoldaten also nicht unbedingt beitragen. "Da Logistik für die Bundeswehr eine Kernkompetenz ist und quer durch die Truppe eine wichtige Rolle spielt, ist selbst jenseits der reinen Logistikeinheiten viel entsprechendes Know-how vorhanden", betont Jakobs-Woltering. So kommt es, dass derzeit jährlich 1500 Personen, das sind elf Prozent der entlassenen Zeitsoldaten, ihre zivile Karriere in der Logistik starten, wie der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr in München meldet. Um den Umstieg in die zivile Welt der Logistik zu erleichtern, organisierte der AkBwW im April bereits zum dritten Mal die Fachtagung Logistik ZMZ in Nürnberg. ZMZ steht für "zivil-militärische Zusammenarbeit". Ein Ziel der Veranstaltung ist der Aufbau eines Netzwerks aus Akteuren in Bundeswehr und Wirtschaft. Das zweite Ziel besteht in der Vermittlung von Fach- und Führungskräften in duale Ausbildungs-, Integrations- oder Traineeprogramme von Unternehmen. Das hält Jakobs-Woltering für sinnvoller als rein theoretische Qualifizierungsmaßnahmen. "Die Wirtschaft benötigt auf der unteren und mittleren Führungsebene Können - und nicht Schulwissen ohne Praxisbezug." Ihm sei es wichtig, dass die zur Verfügung stehenden Fördermittel in zukunftsfähige Arbeitsverhältnisse bei Unternehmen mit fairem Lohnniveau investiert werden. "Mit Amazon arbeiten wir zum Beispiel ganz bewusst nicht zusammen." Es fehlen spezifische Berufserfahrungen Auf der Fachtagung Logistik ZMZ wurden Lars Thamm, Hauptmann der Reserve und heute Personalleiter bei Kühne + Nagel, sowie sein Vorgesetzter, Regionalleiter Henning Mack, für ihr Engagement bei der beruflichen Integration ehemaliger Zeitsoldaten geehrt. Die Veranstaltung fand bereits zum zweiten Mal in der Panalpina-Niederlassung in Nürnberg statt. "Wir halten das Ganze für eine gute Sache - und auch bei uns sind schon die ersten Aktivitäten angelaufen", berichtet Yvonne Knoblach, HR Business Partner für München und Nürnberg. "Bei Bewerbergruppen aus der Bundeswehr ist es allerdings ganz wichtig, vorab die Erwartungshaltungen beider Seiten zu klären", so die Personalexpertin. "Mitunter haben diese Bewerber eher ungewöhnliche Vorstellungen davon, wie ein Wirtschaftsunternehmen funktioniert und welche Voraussetzungen sie für gewisse Positionen erfüllen müssen." Häufig fehlten spezifische Berufserfahrungen, das hierarchische Denken sei sehr stark ausgeprägt. "Mit den beiden ehemaligen Zeitsoldaten, die bei uns ein Praktikum im gewerblichen Bereich absolviert haben, waren wir jedoch sehr zufrieden", sagt Knoblach. "Wir sehen gute Chancen, ehemalige Zeitsoldaten bei entsprechender Qualifikation nicht nur auf den unteren Ebenen, sondern auch in Führungspositionen einzusetzen." Geld für Bildung Bis zu 12.195 Euro Förderung Soldaten auf Zeit haben einen Anspruch auf Förderung der schulischen und beruflichen Bildung am Ende und nach ihrer Wehrdienstzeit. Erstattet werden die notwendigen Kosten wie Lehrgangs- und Studiengebühren, Aufwendungen für Ausbildungsmittel, Reise- und Trennungsauslagen und gegebenenfalls ein Umzug. Der zeitliche und finanzielle Förderumfang hängt grundsätzlich von der Verpflichtungsdauer ab. Ein Zeitsoldat, der sich zu vier Jahren Dienst verpflichtete, kann bis zu 2990 Euro an Förderung erhalten, die er binnen sieben Monaten nutzen kann. Wer sich für zwölf Jahre verpflichtete, kann Fördermittel in Höhe von 12.195 Euro in einem Zeitraum von fünf Jahren in Anspruch nehmen. eeeQuelle: Karrierecenter Bundeswehr München Rustikaler Umgangston: Kein Problem für Soldaten Hohes Logistikfachwissen Die Aquila Consulting GmbH konzentriert sich auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften. Die Personalberatung setzt auch auf innovative Recruitmentquellen, darunter die Vermittlung ehemaliger Zeitsoldaten.Geschäftsführer Hardy Knuschke gibt Tipps, worüber sich Arbeitgeber aus der Logistik bei dieser Bewerbergruppe im Klaren sein sollten:- Auch wenn es immer auf den einzelnen Menschen ankommt: Unserer Erfahrung nach sind ehemalige Soldaten ambitioniert, loyal, zuverlässig und belastbar. Ehemalige Offiziere sind besonders stark beim Organisieren, Koordinieren und Improvisieren.- Themen wie Umsatz, Gewinn, Finanzierung und der ökonomische Einsatz von Ressourcen spielen bei der Bundeswehr zumeist eine untergeordnete Rolle. Beim wirtschaftlichen Denken, aber zum Beispiel auch bei Fragen zum Arbeitsrecht, die ja insbesondere für Führungskräfte wichtig sind, besteht daher häufig Nachholbedarf. Es dauert etwa ein halbes Jahr, bis ein ehemaliger Soldat die unterschiedliche Kultur eines zivilen Unternehmens verinnerlicht hat.- Die staatliche Förderung der schulischen und beruflichen Bildung, auf die ehemalige Soldaten einen Anspruch haben, ist unserer Erfahrung nach zur Vorbereitung auf Berufe in zivilen Unternehmen sinnvoll und sollte durchaus in Anspruch genommen werden.- Bei den Logistikunternehmen, für die wir Fach- und Führungskräfte suchen, stellen wir immer wieder fest, dass ehemalige Offiziere und Unteroffiziere sehr gut passen. Denn das Logistikfachwissen, das für militärische Aufgaben gebraucht wird, ist nahezu deckungsgleich mit dem, was in zivilen Unternehmen gefragt ist. Zudem kommen Soldaten mit einem eher rustikalen Umgangston, der in vielen Logistikunternehmen herrscht, ausgezeichnet zurecht.- Erste Anlaufstellen für Unternehmen, die ehemalige Soldaten beschäftigen wollen, sind die Karrierecenter der Bundeswehr. Dort werden offene Stellen ziviler Unternehmen unter anderem in einer Jobbörse veröffentlicht. Wer Fach- und Führungskräfte mit einem Jahreseinkommen über 50.000 Euro sucht, kann sich auch an eine Personalberatung wenden, die passende Bewerber präsentiert. eee

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