Man muss nicht alles selbst machen

Es gibt kaum eine Branche mit einer so hohen Produktvielfalt: Pflanzen gehören genauso zum Sortiment wie Farben, Düngemittel oder giftige Pflanzenschutzmittel. Gasflaschen finden sich in den Regalen wie auch Fahrräder, großflächige Holzplatten, schwere Steine oder Süßigkeiten. "Wir sind die komplizierteste Branche, die es gibt", sagt dann auch Peter Wüst angesichts der Produktpalette der Baumärkte. Wüst ist Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Heimwerken, Bauen und Garten (BHB), in dem die Baumärkte organisiert sind. Er beziffert die Zahl der von den Baumärkten vorgehaltenen Artikel auf 150.000. Dieses breite Angebot geht auch an der Logistik nicht spurlos vorbei: Die Anforderungen an die Transportdienstleister der Baumärkte sind hoch. Daher schreit nicht jeder Dienstleister angesichts des schwierigen Handlings der Waren sofort "hurra", wenn er sich mit Kunden aus der Baumarktbranche befasst. Aber: Die Branche hat durchaus ihren Reiz. Branche wächst 2016 mit 1,5 Prozent Denn zum einen handelt sich um eine Wachstumsbranche. Der Bauboom der letzten Jahre und das mit der hohen Erwerbstätigkeit verbundene, gestiegene Einkommen führt dazu, dass immer mehr Menschen sich zu Hause neu einrichten, den Garten umgestalten oder sich einfach nur mal einen neuen Grill gönnen. Dafür kaufen sie in einen Baumarkt ein, weshalb sich die Unternehmen der Do-it-yourself (DIY)-Branche im Aufwind befinden. "Mit dem Umsatzwachstum von 1,5 Prozent liegt unsere Branche im oberen Bereich des Zielkorridors der zu Beginn 2016 selbst gesteckten Ziele", sagt Wüst. Auf 18,2 Milliarden Euro belief sich der Bruttoumsatz der Baumärkte in Deutschland im letzten Jahr. Dass die Erlöse zunehmen, war nicht immer so. 2012 bis 2014 waren Jahre, in denen der Gesamtbruttoumsatz stagnierte. Damals musste die Branche Pleiten wie die von Praktiker verkraften. "Es ist der Branche gelungen, innerhalb von nur vier Jahren 1,2 Milliarden Euro umzuverteilen und zurückzugewinnen", sieht Wüst darin eine enorme Leistung. Heute würde es den meisten Baumärkten "wirtschaftlich gut gehen", trotz eines enorm hohen Wettbewerbsdrucks. Der spiegelt sich auch in der sinkenden Zahl der Baumärkte und der annähernd stagnierenden Fläche wider (siehe Grafik unten). Lieferung nach Hause nimmt zu Dafür gibt es aber noch einen weiteren Grund: Denn auch die Baumärkte können sich nicht dem Trend entziehen, dass immer mehr Produkte online bestellt werden. Darauf reagieren die Anbieter, indem sie Amazon und Co. nicht das Geschäft überlassen, sondern selbst Online-Stores eröffnen. Mittlerweile beträgt der E-Commerce-Umsatz aller Anbieter von DIY-Sortimenten 2,77 Milliarden Euro. 2016 wuchs dieses Segment damit um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit dem E-Commerce-Geschäft verändern sich aber zugleich die Gewohnheiten der Verbraucher. "Immer häufiger wollen sich die Kunden die Ware nach Hause liefern lassen - sei es, weil sie nicht das entsprechende Gefährt haben oder weil ihnen der Transport oder auch der Aufbau eines entsprechenden Gerätes zu mühsam ist", sagt Wüst. Hier sind aus seiner Sicht auch die Dienstleister gefragt. Einer, der diesen Bedarf erkannt hat, ist der Logistikdienstleister Dachser. "Wir haben schon immer einen Zwei-Mann-Service angeboten", sagt Ralf Meistes, Department Head für die Sparte DIY-Logistics bei Dachser. Denn mit Dachser & Kolb gibt es bei den Kemptenern eine Tochter, die im Möbelsegment tätig ist und den Bedarf der Baumärkte nach einer Belieferung der Verbraucher abgedeckt hat. "Seit dem 1. März übernimmt jedes Dachser-Haus diesen Service selbst, sodass die Auslieferung auch in unserem Tracking-and-tracing-System abgebildet ist", sagt Meistes. Dieser Service stellt hohe Ansprüche an das Personal. "Die Mitarbeiter müssen nicht nur körperlich in der Lage sein, schwere Waren zu tragen, es sind nicht nur handwerkliche Grundkenntnisse erforderlich, sondern sie müssen auch geeignet auftreten können", nennt Meistes Eigenschaften, die für diese Tätigkeit notwendig sind. Diese Leistungen hätten einen Wert, "das muss man sich auch bezahlen lassen", sagt er und ergänzt: "Die Auftraggeber wissen, dass diese Mitarbeiter als verlängerter Arm ihres Unternehmens angesehen werden. Daher ist ihnen bewusst, dass diese Leistung etwas kostet." Und Meistes ist gleichfalls überzeugt: Der Bedarf an solchen Auslieferungen zum Kunden wird zunehmen. Laut Wüst ist Dachser unter den Dienstleistern aber noch eine von wenigen Ausnahmen. Er glaubt nicht, dass auf der letzten Meile Mitarbeiter des Baumarktes die Zustellung zum Kunden übernehmen werden. Vielmehr ist seine These, dass die Baumärkte künftig mehr Koordinationsaufgaben übernehmen werden: das Bilden und Steuern von Netzwerken, die eine Auslieferung zum Endkunden mit unterschiedlichen nachgelagerten Serviceleistungen übernehmen. Aber die Baumärkte feilen nicht nur an der Logistik auf der letzten Meile. Für sie spielen die vorgelagerten Prozesse eine wichtige Rolle. "Hier besteht durchaus noch Verbesserungspotenzial", sagt auch Meistes. Er führt das unter anderem auf die Marktstruktur zurück. Es gebe in Deutschland eine Vielzahl von Baumärkten, und jeder habe seine eigene Vorstellung von Logistik: "Der eine will eine Lieferung mit Avis, der andere ohne, der eine bevorzugt Einwegpaletten, der andere Europaletten et cetera. Das macht die Logistik interessant, aber auch anspruchsvoll." Nachholbedarf in der Logistik Dass die Baumärkte in der Logistik anderen Branchen hinterherhinken, haben die Unternehmen erkannt. Deshalb haben Vertreter des Handels, der Industrie und der Logistikdienstleister unter Federführung des BHB sieben Kernanforderungen an den Lieferservice erarbeitet. Ziel ist es, die Lieferungen in formschlüssigen, stapelbaren, marktreinen und transportsicheren Einheiten zu transportieren, sie mit maschinenlesbaren Etiketten zu versehen und auf tauschfähigen Paletten zu bewegen. "Wir waren bei der Erarbeitung dieser Kriterien dabei und unterstützen diese Forderungen", sagt Meistes. Dies sei eine Möglichkeit, den Rückstand in der Logistik wettzumachen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Baustofflogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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