Frankfurt/Main. Die Lufthansa rechnet auch in einer längeren Corona-Krise mit einer hohen Nachfrage nach Luftfracht. Wichtigster Grund sei die auf absehbare Zeit deutlich geringere Zahl an Passagierflügen, die sonst auch viel Fracht mitnehmen, sagte Lufthansa-Cargo-Chef Peter Gerber im Gespräch mit den Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX. Er rechne daher für die kommenden Monate mit einem deutlichen Nachfrage-Überhang in der Luftfahrtbranche.
„Innerhalb von zwei Wochen war die Hälfte der Kapazität weg“, beschreibt Gerber die heftige Marktstörung durch die Pandemie im März. In den Bäuchen (englisch: bellies) der Passagiermaschinen war bis dahin etwa die Hälfte der globalen Luftfracht befördert worden.
Gleichzeitig seien die Bestellungen von bestimmten Gütern wie medizintechnischer Ausrüstung oder Schutzmasken sprunghaft gestiegen, so dass sich auf bestimmten Verbindungen die Frachtraten stark erhöht hätten.
„Auch jetzt sind die Preise im Markt höher als sie vorher waren, einfach weil so wenig Kapazität da ist“, sagte Gerber. Trotz höherer Preise sei das Geschäft aber kein Selbstläufer: „Wir haben einen Kostenapparat für 100 Prozent der Kapazität, fliegen aber nur etwas mehr als 60 Prozent bei sehr guter Auslastung unserer Laderäume.“
Die Übernachfrage nach medizinischer Ausrüstung sei vorbei, berichtete der Manager. „Was da jetzt benötigt wird, geht wieder aufs Schiff. Der Einsatz von Passagierflugzeugen als Frachter, die schnell sogenannten Prachter, lohnt sich für uns nicht mehr.“ Die Lufthansa-Gruppe hatte laut Gerber zwischenzeitlich mehr als 20 ungenutzte Passagierflugzeuge im Fracht-Einsatz. Zu gleichen Kosten haben diese Flugzeuge aber nur ein Viertel der Ladekapazität herkömmlicher Cargo-Maschinen.
Passagier-Mangel belastet auch Cargo
Das Fehlen der Passagier-Verbindungen macht sich auch im derzeitigen Netzangebot der Lufthansa Cargo bemerkbar. „Die Fracht-Hotspots dieser Welt wie Tokio, Chicago, Shanghai erreichen wir alle so hochfrequent wie das sein muss, aber manchen auch noch interessanten Ort können wir im Moment eben nicht anfliegen. Da müssen wir manchmal passen“, berichtet Gerber. Ziel sei ein stabiles und möglichst dichtes Netz. Aber es fehlten dauerhaft 40 Prozent der Kapazität, so lange sich der interkontinentale Passagierverkehr nicht erhole.
„Ein voll besetzter Belly-Markt wie vor der Krise wird so schnell nicht zurückkommen“, sagte Gerber. „Wenn dann Frachtnachfrage in andere Orte besteht, könnte es durchaus zu einer kleinen Renaissance reiner Frachtmaschinen kommen.“ Auf mittlere Sicht bleibe das Platzangebot selbst bei einer schrumpfenden Exportwirtschaft deutlich kleiner als die Transportnachfrage. Über zusätzliche Frachtmaschinen bei Lufthansa sei aber noch nicht entschieden.
Beim Wiederanlauf der Industrieproduktion könne es an vielen Stellen zu kleineren Störungen kommen, die schnell behoben werden müssten, meinte der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Unvorhergesehene Ereignisse seien in aller Regel günstig für die Luftfracht. „Da nützt es nichts, wenn sie eine Order für ein paar Container rausgeben, die dann acht Wochen später ankommen.“
Cargosparte muss sparen
In dem vom Staat mit Milliardenhilfen geretteten Lufthansa-Konzern muss aber auch die Cargosparte sparen, trotz der vergleichsweise guten Geschäftslage. Schon vor Corona war ein Programm gestartet worden, um die Mannschaft von 4500 Menschen um 500 Stellen zu verringern. Das werde weiter umgesetzt und durch flexible Kurzarbeit ergänzt.
„Wir arbeiten natürlich kurz, wo das Volumen fehlt“, schilderte Gerber die Lage. „In München gibt es eine reine Belly-Flotte, da wird aber derzeit wenig geflogen, also wird dort stark kurz gearbeitet.
In Frankfurt fliegen die ganzen Frachter, da kann man mit Kurzarbeit weniger erreichen. In China brummt das Geschäft, an einzelnen Stationen in den USA wird gar nicht geflogen. Wenn die Bellys Schritt für Schritt zurückkommen, nehmen wir auch die Kurzarbeit wieder zurück.“ (dpa/ja)