Luftfahrt in Fernost

Luftfahrt in Fernost Asiens Frachtflieger sind auf dem Vormarsch Klotzen, nicht Kleckern. So lautet das Motto der Luftfahrt in Fernost, die ungebrochen neue Flugzeuge bestellt und Flughäfen baut. Doch an mancher Stelle ist die Entwicklung nicht mehr ganz so glänzend. Das ist eine imposante Zahl: 40,5 Prozent aller weltweit per Flugzeug bewegten Güter werden von Airlines befördert, die ihren Sitz in der Großregion Asien/Pazifik haben. Und dies mit wachsender Tendenz. Die dortigen Fluglinien haben Profite von 1,61 Milliarden Euro erwirtschaftet von insgesamt 3,06 Milliarden Euro Gewinn, den die weltweite Branche laut Angabe ihrer Interessenvertretung IATA in 2011 erzielte. Auch bei den Flugzeugbestellungen stehen die zwischen Japan und Australien ansässigen Carrier mit an der Spitze. So entfallen allein 45 Prozent aller Neubestellungen des Airbus-Modells A330 auf Fluglinien aus der Region. Beim Konkurrenzmodell Boeing 777 sind es immerhin 40 Prozent. Die Beispiele zeigen: Asiens Luftfahrt wächst rasant. Das belegt die Flottenentwicklung und in deren Folge die stetige Zunahme des Passagier- und Frachtverkehrs. Steigende Einkommen, eine wachsende Mittelschicht und sich dynamisch entwickelnde Märkte sind die wesentlichen Gründe. Ein weiterer Boom ist ab 2015 vorhersehbar. Dann wird das Konzept des einheitlichen asiatischen Luftraums umgesetzt, was flexiblere Verkehrsströme und eine liberalere, grenzüberschreitende Praxis zur Folge haben wird. Steht bisher noch der Transport von Passagieren und Luftfracht nach Nordamerika und Europa an vorderster Stelle, zeichnet sich indes immer mehr ab, dass innerasiatische Flüge schon bald an erster Stelle stehen werden, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Publikation der Association of Asia Pacific Airlines (AAPA). Abgesichert wird das Wachstum der Fluglinien durch massive Ausbauprogramme der Bodeninfrastruktur. Was in Europa fast undenkbar scheint, passiert in Kürze in Hongkong. Dort wird der auf einer Insel mitten im Perlflussdelta gelegene Internationale Airport eine dritte Start- und Landebahn erhalten. Um sie zu bauen, soll ein Teil des Flusses zugeschüttet werden, zulasten der vom Aussterben bedrohten weißen Delphine. Erste Wolken am Himmel Profitieren von der Erweiterung von Hongkongs Chek Lap Kok, immerhin der größte Frachtflughafen der Welt, werden vor allem die dort heimische Cathay Pacific und deren Tochter Dragon Air sowie der Paketflieger Air Hong Kong, an dem wiederum Cathay Pacific mit 60 Prozent und die Deutsche-Post-Tochter DHL mit 40 Prozent beteiligt sind. Nicht Kleckern, sondern Klotzen, heißt es auch im benachbarten China. So soll südlich der Hauptstadt Beijing ein neuer Airport mit bis zu fünf parallelen Start- und Landebahnen entstehen. Derzeit verfügt das Land über 182 kommerzielle Flughäfen, wobei Randplätze für die allgemeine Luftfahrt nicht mitgerechnet sind. Bis 2023 sollen es über 300 werden. Allein im Laufe dieses Jahres werden innerhalb Chinas 24 neue Flughafenprojekte in Angriff genommen oder bestehende Airports deutlich ausgebaut. Vorgesehene Gesamtinvestitionen: umgerechnet 12,2 Milliarden Euro. Kritiker warnen inzwischen vor einer Überversorgung des Landes mit Flughäfen. Ihr Hauptargument: 130 der 182 existierenden Airports würden Verluste machen. Dies ginge zulasten des Steuerzahlers, da alle Airports in staatlichem Eigentum seien. Indes zeigen sich nach Jahren stetigen Wachstums erste Wolken am chinesischen Himmel, der wirtschaftlichen Lokomotive Asiens. Das industrielle Wachstum hat sich verlangsamt; auch führen manche US- und europäische Firmen ihre Fertigung wegen Produktpiraterie oder Qualitätsmängeln zurück in ihre Heimatstandorte. Speziell für Frachtfluglinien kommt erschwerend hinzu, dass Speditionsdienstleister in Abstimmung mit ihren Auftraggebern einen steigenden Anteil des in China generierten Aufkommens per Schiff nach Rotterdam, Hamburg, Los Angeles oder San Francisco befördern lassen. Und sogar die Zugverbindung über die eurasische Landbrücke von Zentralchina nach Europa gewinnt an Fahrt, wie die zunehmende Nutzung der Schiene durch DHL Global Forwarding, Schenker oder Hellmann belegt. Die Folgen dieser Entwicklung spüren die Fracht-Airlines deutlich. Ihr Aufkommen ist rückläufig, die Raten sacken weiter ab. Frachttransporte von China nach Europa oder Nordamerika, früher die wichtigsten Geldbringer für viele Kapazitätsanbieter, sind derzeit kaum noch profitabel zu gestalten. Betroffen ist auch mancher Charterbroker, dem inzwischen die saisonalen Transportketten ex China für das Weihnachtsgeschäft fehlen. Dies auch deshalb, weil ein wachsendes Kontingent an Luftfracht in den Unterflurkammern größerer Passagierflugzeuge befördert wird. Etwa der Boeing 777, die pro Start rund 25 Tonnen mitnehmen kann. Das entspricht der Menge, die in einen kleineren Frachter passt. Welche finanziellen Auswirkungen dies auf Fluglinien wie Air China, China Eastern oder Hainan Airlines hat, um nur drei Namen von örtlichen Kapazitätsanbietern zu nennen, ist wegen fehlender Bilanzveröffentlichungen nicht überliefert. Es kann jedoch vermutet werden, dass deren Cargogeschäft momentan rote Zahlen schreibt. Dass eine der Fluggesellschaften daran pleitegeht, ist jedoch so gut wie ausgeschlossen. Bis auf die private Hainan Airlines und die Hongkonger Cathay-Gruppe gehören die übrigen großen chinesischen Fluglinien dem Staat. Bezüglich ihrer europäischen Wettbewerber befinden sich die fernöstlichen Frachtcarrier in einer schlecht vergleichbaren Situation. Sie bieten vor allem Quell-/Zielverkehre auf transkontinentalen Routen oder via Pazifik von und nach Nordamerika an, ähnlich wie die Airlines Lufthansa, Swiss oder Air France-KLM, wobei diese transatlantisch fliegen. Der Anteil an interkontinentaler Transitfracht ist deutlich geringer als etwa bei den Konkurrenten aus der Golfregion. Allerdings ist der asiatische Heimatmarkt der dortigen Kapazitätsanbieter deutlich größer als jener der europäischen Frachtfluglinien. Langfristig ermöglicht dies chinesischen, koreanischen oder auch indonesischen Airlines höhere Wachstumsraten. Welchen enormen Aufschwung asiatische Fluglinien in den vergangenen zwei Dekaden genommen haben, zeigt sich exemplarisch am Beispiel Hainan Airlines. Erst im Jahr 1993 auf private Initiative im Südosten Chinas gegründet, verfügt die Gesellschaft aktuell über eine Flotte von 135 Flugzeugen mit 33 weiteren Bestellungen. Aus der Ursprungs-Airline ist mittlerweile eine mächtige international agierende Gruppe geworden, mit Anteilen an der türkischen My-Cargo Airlines, der Africa World Airlines sowie dem französischen Regionalflieger Aigle Azur. Sämtliche Luftfrachtaktivitäten der HNA-Gruppe werden bei der in Shanghai ansässigen Tochter Yangtze River Express gebündelt, mithin auch die Frachttransporte in den Unterflur-Kammern der Passagierflugzeuge. An Yangtze wiederum sind auch taiwanesische Geldgeber beteiligt. Die Cargogesellschaft verfügt über eine Flotte von achtzehn Frachtern, in der Mehrzahl Boeing 737-300F für den regionalen Verkehr. Mit ihren drei 747-400F und der neuen A330-200F fliegt der Kapazitätsanbieter in Europa derzeit Luxemburg und Prag an. Größter Frachthecht im asiatischen Karpfenteich bleibt aber Korean Air Cargo, die über eine imposante Flotte von derzeit 27 Boeing-Großfrachtern verfügt. Doch ihre führende Stellung als nach Tonnage weltgrößter Carrier hat sie verloren. Die neue Nummer eins heißt Emirates mit 2,1 Millionen geflogenen Tonnen im abgelaufenen Jahr. ❙❚■ Heiner Siegmund, freier Journalist Flottenentwicklung und Zunahme des Frachtverkehrs belegen: Asiens Luftfahrt wächst rasant Kritiker warnen inzwischen von einer Überversorgung in China mit Flughäfen Asiens führende Frachtfluggesellschaften Fluglinie Anzahl Frachter Gründung Sitz Eigentümer Korean Air Cargo 27 1962 Seoul Hanjin Group Cathay Pacific Cargo 25 1946 Hongkong Air China/Privataktionäre China Airlines Cargo 21 1959 Taipeh börsennotierte AG China Cargo Airlines 19 1998 Shanghai China Eastern Airlines 51% China Ocean Shipping 17% Singapore Airlines Cargo 16% EVA Air 16% Singapore Airlines Cargo 13 2001 aus Muttergesellschaft ausgegründet Singapur Muttergesellschaft Singapore Airlines Quellen: Airlines, Association of Asia Pacific Airlines, IATA Die neue Nummer eins heißt Emirates mit 2,1 Millionen geflogenen Tonnen

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