Liefertreue

Liefertreue Wer hat an der Uhr gedreht? Immer wieder kommt es zwischen Logistikdienstleister und Verlader zum Streit über die Liefertreue. Berechtigt? Und wieso eigentlich? Antworten geben Logistikexperten und eine Exklusiv-Umfrage der VerkehrsRundschau. Eigentlich ist das ja ein ziemlich alter Hut in der Logistik: Liefertreue. Eine Anforderung an den Transportdienstleister, die so alt ist wie der Transport selbst. Aber Liefertreue war und ist nach wie vor eine der Kernleistungen, wenn nicht sogar die Kernleistung schlechthin eines Logistikdienstleisters. Wer dauerhaft nicht pünktlich, nicht zuverlässig liefert, der katapultiert sich ganz schnell aus dem Markt. Gerd Deimel lässt keine Zweifel aufkommen, welche Bedeutung Liefertreue für ihn hat: „Wir liefern Premium-Produkte – dazu gehört unserem Verständnis nach auch ein Premium-Service mit pünktlicher Anlieferung. Das ist unser täglicher Anspruch“, sagt der Leiter Global Logistics Management bei Lanxess. Was für den Chemiekonzern gilt, das gilt letztlich für nahezu alle Transportprozesse: „Waren zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen: Das ist die Kernaufgabe eines jeden Transportdienstleisters“, sagt Professor Matthias Klumpp, Direktor des Instituts für Logistik- & Dienstleistungsmanagement der privaten Hochschule FOM in Essen. Trotz oder eher wegen dieser elementaren Bedeutung der Liefertreue kommt es immer wieder zu Streitigkeiten: Ist die Lieferung tatsächlich nicht pünktlich, nicht vollständig oder beschädigt? Oder die Ware kommt zwar wie vereinbart, aber der Empfänger hat keinerlei Informationen, ob der ausgemachte Termin auch tatsächlich eingehalten wird. Alles Leistungen, die zur Termintreue gehören. Die VerkehrsRundschau hat jetzt exklusiv Daten erhoben, wie sich die Liefertreue in den letzten zwei Jahren verändert hat. Im Rahmen der Erhebung zum VerkehrsRundschau-Index, der von der Unternehmensberatung Bearing Point unterstützt wird, wurden dazu jeweils knapp 100 Dienstleister und Verlader gefragt. Jeder Vierte sieht Verschlechterung Zunächst kann man mal festhalten: Der Unterschied in der Wahrnehmung ist eher gering. 58 Prozent der Verlader wie der Dienstleister sagen, dass die Liefertreue sich nicht verschlechtert hat. Kleinere Unterschiede gibt es bei den Veränderungsgrößen: Während 21 Prozent der Dienstleister der Auffassung sind, dass ihre Liefertreue sich verbessert hat, vertreten unter den Verladern nur 15 Prozent diese Ansicht. Umgekehrt sagen 21 Prozent der Dienstleister, dass sich die Leistung verschlechtert hat. Bei den Verladern sind es 28 Prozent, also immerhin jeder Vierte (siehe Grafik Seite 24): für eine Schlüsselfunktion ein eher schlechter Wert. Die Liefertreue hat elementare Bedeutung in der Logistikkette, das ist aus Sicht von Klumpp keine neue Erkenntnis. „Aber die Einschätzung der Verantwortlichen dazu, die hat sich geändert“, sagt Klumpp. Er hat gerade eine Studie gemacht, in der er die Entscheider auf der Verlader- und Dienstleisterseite befragt hat, was die elementaren Kriterien für den Einkauf von Logistikleistungen sind. „Bei den Logistikdienstleistern stand der Preis ganz oben“, so Klumpp. Bei den Verladern hingegen war die Lieferqualität und die intensivere Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Dienstleister am wichtigsten. „Das hat sich gegenüber der Vergangenheit auch geändert, weil die Verlader immer stärker zu spüren bekommen, dass Liefertermintreue ein wichtiger Kostenfaktor ist“, interpretiert er die Ergebnisse. Aussagen, die Björn Klippel, Geschäftsführer und Inhaber der Unternehmensberatung Tim Consult und früher selbst Inhaber eines Logistikdienstleistungsunternehmens, bestätigen kann. Es gäbe zwar auch Transporte, wo es nicht so sehr auf die Einhaltung der vereinbarten Liefertermine ankomme. Aber das sei mittlerweile eher die Ausnahme. „In immer mehr Branchen ist die Einhaltung der Zuverlässigkeit ein Muss“, sagt Klippel. Als Vorreiter würden – nicht zu unrecht – immer wieder die Chemie- und die Automobilbranche genannt. „Aber wenn Sie als Auftraggeber 50 Touren Kies pro Tag verladen, dann muss die Lieferung auch gemäß Vereinbarung erfolgen, weil der Auftraggeber nicht die Kapazitäten besitzt, hinterherzutelefonieren, ob die Ware wie planmäßig ausgeliefert wird.“ Deimel gehört zu den Vertretern der verladenden Wirtschaft, die die Leistungen der Speditionen in Ordnung finden. „Im Großen und Ganzen sind wir mit der Liefertreue zufrieden“, sagt er. „Die Termintreue der etablierten Transportdienstleister ist sehr hoch“, sagt auch Joachim Hug, Supply Chain Manager bei der Carl Zeiss Vision. Dieses Lob spricht er jedoch nur für die Speditionen aus, die die Brillengläser ausliefern. Dies geschieht zum Teil unter einem hohen Lieferdruck, da Bestellungen, die noch am Abend eingehen, häufig am nächsten Tag beim Kunden sein müssen. Die Versorgung der Zeiss-Werke für die Produktion bezeichnet Hug hingegen nur als „akzeptabel“ – was darauf schließen lässt, dass die Liefertreue nicht ganz so gut ist wie in der Distribution, obwohl der Termindruck dort nicht so extrem ist. Verkehrsdichte gefährdet Lieferketten Hug wie auch Deimel sehen sich jedoch einem Problem ausgesetzt, das immer mehr zu einer Bedrohung für die Lieferketten wird: das erhöhte Verkehrsaufkommen. „Die Verkehrsdichte erschwert zunehmend die Aufrechterhaltung unseres hohen Standards in der Distribution“, sagt Hug. Deimel beklagt die zunehmende Verschlechterung der Verkehrsinfrastruktur. „Wegen Baustellen, maroden Brücken sowie Fahrbahnschäden und -sperrungen lassen sich Logistikprozesse immer schwieriger planen. Das ist ein Problem, das dringend gelöst werden muss – und zwar nicht nur für die Chemieindustrie, sondern zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Landes“, sagt Deimel. In der Tat bereiten die Staus auf den Straßen und der schlechte Zustand der Verkehrswege den Verladern wie auch den Logistikdienstleistern großes Kopfzerbrechen. Das zeigen die Ergebnisse der VerkehrsRundschau-Umfrage. Auf die Frage, was die drei entscheidenden Ursachen für eine Verschlechterung der Liefertreue seien, sehen bei den Verladern 52 Prozent in „Staus und Behinderungen auf Autobahnen und Landstraßen“ den Grund. Nur „Verzögerungen an den vorherigen Abladestellen“ werden mit 58 Prozent von noch mehr Verladern genannt. Am dritthäufigsten gefährden demnach die „zu geringen Kapazitäten (Fahrzeuge, Personal) der Dienstleister“ die Einhaltung der Liefertreue. Auch die Dienstleister sehen in den „Staus und Behinderungen auf Autobahnen und Landstraßen“ eine wesentliche Ursache, warum es ihnen nicht möglich ist, die Vorgaben einzuhalten. 57 Prozent der Befragten nennen diese Hürde bei der Frage nach den drei häufigsten Gründen für die verschlechterte Liefertreue. Es gibt zwei weitere, die – allerdings nur minimal – häufiger erwähnt wurden: „Verzögerungen an den vorherigen Abladestellen“ (59 Prozent) und „Verlader legen bei der Auswahl der Dienstleister zu großen Wert auf den Preis anstatt mehr auf die Qualität zu achten“ (58 Prozent). Letztgenannte Ursache kann sich durchaus zu einer Bedrohung für die ordnungsgemäße Abwicklung der Lieferketten in der Logistik entwickeln. „Der Kostendruck im Transportgewerbe ist enorm. Wenn dies sich auch auf die Qualität auswirken würde, wäre das nicht verwunderlich“, sagt Paul Wittenbrink, Professor für Spedition, Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Aber auch die Verlader spüren diesen Kostendruck, weshalb sie immer genauer auf die Einhaltung der Liefertreue achten. „Auch deshalb wurden und werden die Bestände weiter heruntergefahren“, beobachtet Klippel. Weil immer mehr auf Kante genäht wird, schrillen die Alarmglocken immer lauter, wenn Ware verspätet eintrifft. Das gilt mittlerweile für nahezu alle Branchen: „In der Autoindustrie wird die pünktliche Zulieferung als Muss angesehen, sonst stehen die Fabriken still. Deshalb gibt es auch Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und -nehmer verbunden mit entsprechenden Konventionalstrafen. Die Chemieindustrie liefert zunehmend europaweit aus, ohne Zwischenlagerung, weshalb die Anforderungen an die Pünktlichkeit hoch sind. Und Druckereien haben nicht den Platz zur Lagerung von zahlreichen Papierrollen und pochen daher auch auf eine hohe Liefertreue“, nennt er drei Beispiele aus unterschiedlichen Branchen. Weil der Trend zum arbeitsteiligen und bestandsarmen Produzieren anhält, rücken die Logistikprozesse zunehmend ins Blickfeld der Auftraggeber. „Wir beobachten bei unseren Kunden, dass immer mehr Verlader ihr Transportmanagement selbst in die Hand nehmen wollen“, sagt Andreas Kick, Executive Vice President des Beratungsunternehmens 4flow. Neben dem Ziel einer höheren Liefertreue ist auch eine verbesserte Transparenz in der Lieferkette ein Antreiber. „Dazu gehört auch, dass das Transportmanagement zunehmend zentral erfolgt“, sagt Kick. So wollen sich die Unternehmen einen möglichst genauen Überblick über die Warenströme verschaffen. Dieser Anforderung kommt die Dienstleisterseite häufig nur ungenügend nach: „Sie sind zum Teil nicht in der Lage, dem Verlader Abhol- und Ankunftszeiten zu liefern.“ Er führt das auch auf die installierten Netzwerke der Spediteure zurück, die nicht zentral gesteuert, sondern durch regional fokussierte Häuser geführt werden. Transparenz beiderseits erwünscht Doch diese Transparenz, die die verladende Wirtschaft einfordert, wünschen sich auch viele Transportdienstleister. „Wenn wir früher wissen würden, wann wie viele Mengen zu transportieren sind, dann würde dies unsere Kapazitätsplanung deutlich erleichtern“, sagt Michael Kubenz, Geschäftsführer der auf Chemietransporte spezialisierten Spedition Kube & Kubenz. Auch Professor Carsten Suntrop von der Unternehmensberatung CMC2 sieht in der Verbesserung der Informationsflüsse auf beiden Seiten noch Möglichkeiten, die Liefertreue zu verbessern. Er hat sich auf die Chemielogistik als Beratungsfeld konzentriert: „Es gibt beim Verlader noch Potenzial, die Kette zwischen Spedition, Lager und Auftragsdisposition zu optimieren“, sagt Suntrop. Vor allem in der Automatisierung bestünde noch Luft nach oben: Stichworte seien hier RFID oder die stärkere elektronische Erfassung und Steuerung der Abläufe. Wobei er ein Problem auf der Logistikdienstleisterseite sieht: „Bei Margen von einem bis zwei Prozent werden sich die Dienstleister natürlich schon genau überlegen, ob sie in solche Systeme investieren.“ Ein weiteres Problem, das die Liefertreue beeinträchtigen könnte, sieht Kubenz in der Anlieferung in bestimmten Zeitfenstern. Ein System, das sich nicht nur in der Chemieindustrie zunehmender Beliebtheit erfreut. „Wir müssen uns bei der Abholung auf ein festes Slot festlegen und bei der Auslieferung häufig auch. Die Slots so zu buchen, dass sie zueinander und auch in die Gesamtdisposition des Fuhrparks passen, das ist die hohe Schule“, formuliert es Kubenz mit Wohlwollen. Auch Adalbert Wandt sieht in den Zeitfenstern ein Problem. „Viele Auftraggeber machen Zeitfenster und kümmern sich nicht darum“, kritisiert der geschäftsführende Gesellschafter der Spedition Wandt. Dabei meint er weniger die Zeitfenster des jeweiligen Unternehmens, sondern die Folgen, mit denen die Dienstleister zu kämpfen haben. Wenn beispielsweise ein Stau zu Verspätungen führt oder beim Absender nicht pünktlich beladen werden kann, werfe das die gesamte Planung über den Haufen. Wandt wünscht sich hier mehr Flexibilität vonseiten der Verlader, damit die Dienstleister nicht in ein zu enges Korsett geschnürt werden – und vielleicht ein paar größere Zeitfenster, die es dem Dienstleister erleichtern, dann auch tatsächlich hindurchzuschlüpfen. Nachtdisponent ist selbstverständlich Laut Wandt ist mit den steigenden Vorgaben der Verlader hinsichtlich Liefertreue der Aufwand für die Transportdienstleister gestiegen. So sei beispielsweise ein Nachtdisponent, der auf Abruf bereitsteht, wenn etwas schief läuft, mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. „Wenn man versucht, dieses hohe Niveau auf partnerschaftlicher Ebene gemeinsam zu realisieren, dann kann man diese Vorgaben auch umsetzen“, so Wandt. Wobei er aber wie auch Kubenz darauf verweist, dass es immer Zeiten gibt, in denen es schwierig ist, das hohe Niveau zu halten. Vor allem die Wochen, in denen an Werktagen Feiertage sind, bereiten den Spediteuren Kopfzerbrechen, weil dann häufig das gleiche Wochenvolumen in vier Tagen abgefertigt werden muss. Bleibt die Frage, ob die Anforderungen an die Liefertreue tatsächlich weiter steigen – bei sich beschleunigenden Prozessen. „Mit zunehmendem Wettbewerb steigt die Erwartungshaltung unserer Kunden. Die kontinuierliche Suche nach Verbesserungen in der Logistik bleibt ein wichtiger Erfolgsfaktor unseres Geschäfts“, formuliert es Lanxess-Manager Deimel. Berater Kick geht davon aus, dass der finanzielle Nutzen eine wichtige Rolle für die zukünftige Bedeutung der Liefertreue spielt. Er kann sich beispielsweise in der Zeitfenster-Problematik eine Entspannung vorstellen, indem der Verlader einen längeren Slot zur Verfügung stellt, sofern der Spediteur davon einen Vorteil hat und man sich diesen Vorteil gemeinsam teilt. Professor Klumpp weist auf das Thema Nachhaltigkeit hin. „Die steigenden Anforderungen sind mit einem Mehraufwand verbunden, der ökologisch von Nachteil ist. Hier tritt ein Konflikt für die Verlader auf und es ist spannend zu sehen, wer hier die Oberhand behält: die Liefertermintreue oder die Nachhaltigkeit.“ „Knappe Lieferzeiten kosten Produktivität, weil Bündelungspotenziale verloren gehen“, weist Professor Wittenbrink auf einen anderen Aspekt hin. Seiner Ansicht nach wird man sich daher über eine Entschleunigung Gedanken machen müssen und kurze Lieferzeiten nur für die Sendungen vorsehen, bei denen es wirklich wichtig ist. Auch lange, ungeplante Wartezeiten an der Rampe hält er auf Dauer für nicht tragbar, da „wir es uns nicht leisten können, die knappe Ressource LKW-Fahrer unnötig warten zu lassen“. Schon heute zeichne sich ab, „dass „gute Rampen“ auch bessere Preise bekommen und mehr Auswahl an Dienstleistern haben – und umgekehrt.“ Wer auch immer am Ende Recht hat, eines scheint gewiss: Das Thema Liefertreue wird weiterhin ein wichtiges Thema bleiben und zukünftig womöglich noch stärker in den Fokus rücken als jetzt schon. ❙❚■ Michael Cordes Liefertermintreue im Handel Beide Seiten sind in der Pflicht Mangelt es den Transportdienstleistern im Handel an Liefertreue? „Uns liegen keine Klagen vor“, sagt Adolf Zobel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Wenn es überhaupt Probleme gebe, dann vor allem an den Rampen des Handels, so Zobel. Studien deuten darauf hin: Nach einer Erhebung von SCI Verkehr sind 60 Prozent aller Spediteure mit den Abfertigungszeiten im Handel unzufrieden – in der Industrie sind es nur 14 Prozent. Seit einiger Zeit wird versucht, hier mit Zeitfenstermanagement Abhilfe zu schaffen. Auf Gegenliebe stoßen solche Systeme bei den Dienstleistern jedoch nicht. „Die besten Zeitfenster stehen oft nicht mehr zur Verfügung“, beklagt BGL-Mann Zobel. Außerdem kritisiert er, dass es trotz Vorbuchung oft zu langen Wartezeiten kommt. „Solche Systeme üben einen enormen Druck auf die Fahrer aus“, findet Willi Kellershohn, Spediteur aus Lindlar. Seiner Meinung nach sind Zeitfenstersysteme der falsche Weg, um Staus an den Rampen zu beseitigen. „Der Handel sollte lieber mehr Mitarbeiter in der Warenannahme einstellen.“ Es könne nicht angehen, dass die Fahrer bei Ankunft eine Ameise bekämen, um beim Entladen zu helfen, so Kellershohn. „Das ist schon gang und gäbe.“ Der Spediteur hat übrigens seine eigene Lösung für Wartezeiten an den Rampen gefunden: Er stellt Kunden Standgeld in Rechnung. Der Handel sieht das Thema naturgemäß anders. Hier hat man als Ursache für die Pünktlichkeitsdiskussionen vor allem mangelnde Kommunikation ausgemacht. „Oft wissen die Spediteure nicht, wo sich ihre eigenen Fahrzeuge befinden“, heißt es beim Handelsverband Deutschland (HDE), Berlin. Die Folge: Steckt ein LKW zum Beispiel im Stau, kann die Spedition das Handelslager nicht vorwarnen. So verfällt der gebuchte Zeitslot ungenutzt, das Fahrzeug kommt später an – und der Stau an der Rampe ist programmiert. Andreas Kick von der Unternehmensberatung 4flow, Berlin, gibt ein abgewogenes Urteil: „Die Spediteure sind pünktlich, wenn die Zeitfenster lang sind, also etwa zwei Stunden bei der Filialbelieferung, und die Tour statisch ist.“ Probleme dagegen entstünden oft, wenn sich etwas verändert, etwa neue Abladestellen dazukommen. Für verbesserungswürdig hält Kick den Übergabeprozess. „Bei Quittung und Warenprüfung entsteht viel Zeitverzöge-rung.“ Er schlägt vor, den Reklamationspro-zess von der Lieferung zu entkoppeln. „Doch hier fällt den Händlern das Umdenken mitunter schwer“, so Kick. Beide Seiten in der Plicht sieht Michael Krings, Geschäftsführer von Douglas Logistik: „Logistikdienstleister müssen sich noch mehr auf das Bündeln von Lieferströmen und Angebote von Serviceleistungen auch abends oder nachts fokussieren, darunter auch heute noch eher ‚artfremde’ Mehrwertleistungen wie die Filialverräumung.“ Die Einzelhändler ihrer-seits müssten verstärkt An- und Abliefermöglichkeiten außerhalb der Ladenöffnungszeiten schaffen. cg Liefertermintreue in der Autoindustrie Zu 100 Prozent pünktlich Wer Geschäftsbeziehungen zu Automotive-Unternehmen pflegt, muss auch seine Liefertreue optimieren. Diese Erfahrung machte der Steckverbindungshersteller Rosenberger Hochfrequenztechnik mit einer Produktion für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. „Wir hatten bislang alle Kunden gleich behandelt“, sagt Prozessmanager Markus Huber. „Das hieß auch gleich lange Lieferzeiten für alle.“ Mit Kunden wie Audi, BMW oder Daimler war dies jedoch nicht zu machen, zumal mit der neuen Produktion auch die Liefertreue sank. Als Konsequenz führten die Oberbayern acht Serviceklassen für Kundenbestellungen ein. Die höchste Serviceklasse Eins garantiert eine Lieferzeit von vier Tagen nach Bestelleingang. „Unsere Liefertreue stieg um 20 auf fast 95 Prozent“, bilanziert Huber. Wohl kaum eine zweite Branche stellt so hohe Anforderungen an die Liefertreue wie die Autoindustrie. „Für viele Teile gilt sogar eine Liefertreue von 100 Prozent“, sagt Udo Wegmeth vom Beratungsunternehmen Redpoint Consulting. An diesen Werten müssen sich immer mehr Logistikdienstleister orientieren. „Die Versorgung der Produktion läuft zunehmend über stringent getaktete Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Verkehre“, bestätigt Peter Mahneke, Geschäftsfeldleiter Systemverkehre der Rudolph Logistik Gruppe. „Große Zeitpuffer sind einfach nicht vorgesehen.“ Kurzfristige Mengen-änderungen müssen Lieferanten und Logistiker innerhalb weniger Arbeitstage realisieren. Gleichzeitig sollen sie über eine wochen- oder gar monatelange Vorschauzeit hinweg Liefertermine und -mengen planen. Den Spagat zwischen langfristigen Planungen und kurzfristigen Umdisponierungen bewältigen Lieferanten und Logistiker in erster Linie mit Sonder- und Direktfahrten. „Für deren Boom sorgte vor allem die Automotive-Industrie“, sagt Wegmeth. Ansonsten wird ins Equipment investiert. So kann Rudolph die vereinbarten Zeitfenster auch dank moderner Schnellladetechnik und verbesserter Fahrerkommunikation einhalten. bot Verlader sehen ihre Logistik- prozesse durch Baustellen und marode Verkehrswege gefährdet Logistikdienstleister klagen vor allem über Verzögerungen an vorherigen Abladestellen Die Slotbuchungen an der Rampe bereiten den Spediteuren zunehmend Kopfzerbrechen

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