München. Mit Unverständnis haben die beiden Spitzenverbände der bayerischen Logistik- und Speditionsbranche auf den Ausgang des jüngsten Brenner-Gipfels in Bozen reagiert. „Dass ein konsensfähiges Memorandum of Understanding für den Transitverkehr über den Brenner vom Tiroler Landeshauptmann kurzfristig wieder in Frage gestellt wurde und er sich aus der Gesprächsrunde zurückgezogen hat, entspricht aus unserer Sicht nicht einer an Problemlösungen orientierten Politik“, erklärten die Geschäftsführer von LBS und LBT, Sabine Lehmann und Sebastian Lechner.
Beide wollen sich nicht damit abfinden, dass die Blockabfertigung auf der Inntalautobahn zum Dauer- und vermeintlichen Normalzustand wird. „Der internationale Warenverkehr lebt davon, dass Hindernisse überwunden werden, nicht dass man neue schafft.“ So kommentierte Lehmann vom LBS die Tatsache, dass die Tiroler Landesregierung inzwischen regelmäßig die Zahl der Durchfahrten für Lkw an der deutsch-österreichischen Grenze begrenzt und dies nicht ändern will.
Bei allem Verständnis für Politik, die sich dem Wohl der Menschen widmet, sieht der LBT zahlreiche Lücken in der Argumentation von Tirols Landeshauptmann Günther Platter: „Eine Politik der gezielten Nadelstiche, die man vornehm als ‚Dosierkalender‘ bezeichnet, trägt weder nachhaltig zu einer Verbesserung der Situation bei, noch kann sie kurz- und mittelfristig die erwünschte Verlagerung von Verkehren beschleunigen“, sagt LBT-Hauptgeschäftsführer Lechner. „Vor allem nicht, wenn man einfach die kilometerlangen Staus zu den Nachbarn verlagert.“
Bahnkapazitäten reichen nicht aus
Aus Sicht der bayerischen Speditions- und Logistikverbände stehen derzeit im alpenquerenden Güterverkehr bei weitem keine ausreichenden Bahnkapazitäten zur Verfügung, um eine signifikante Entlastung des Straßenverkehrs herbeizuführen. „Die vielfach zitierte Reaktivierung der Rollenden Landstraße über Verladebahnhöfe in Ostbayern ist sowohl von der Verkehrsführung wie auch vom verfügbaren rollen Material der Bahnen gerade einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine spürbare Entlastung gibt es dadurch einfach nicht“, sind sich die beiden Verbandsgeschäftsführer einig.
In der Transportbranche bestehe die grundsätzliche und bei den Unternehmen hohe Bereitschaft zur Verlagerung von Fracht von der Straße auf die Schiene. „Damit das in die Tat umgesetzt werden kann, brauchen wir aber dringend ein in der Kapazität überzeugendes Angebot sowie praxisnahe Prozesse bei den Dienstleistern.“ Gleichzeitig weist der LBS den Vorwurf zurück, Logistiker würden den Weg über das Inntal ausschließlich deshalb nutzen, weil sie damit die Mautkosten geringhalten wollten. „In den Unternehmen werden Streckenplanung und Transportkosten stets ganzheitlich betrachtet und nicht wegen eines kleinen vermeintlichen Vorteils gewählt.“
Als Beispiel führte Lehmann den Tiroler Vorschlag an, mit Euro-6-Lkw, die aktuell vom Tiroler Nachtfahrverbot ausgenommen sind, die Nachtstunden für den Transitverkehr zu nutzen: „Das mag auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen.“ Bei genauem Hinsehen erweise sich das Konzept auch wegen der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten als nicht für alle Unternehmen tragfähig. „Die Möglichkeit des Nachttransits für Euro-6-Lkw ist und bleibt somit unverzichtbar, bietet jedoch keine Gesamtlösung für die von der Blockabfertigung betroffenen Unternehmen.“
Praktikable Lösungen müssen her
Vor diesem Hintergrund fordern der LBS und der LBT alle politisch Beteiligten auf, von kreativen Wortschöpfungen und taktischen Manövern zugunsten praktikabler Lösungen Abstand zu nehmen. „Im Interesse unserer Mitglieder sowie der Wirtschaft in Bayern und unseren Nachbarländern regen wir an, dass die Regierungsverantwortlichen ohne weiteren Zeitverlust einen ähnlich sachorientierten Kurs einschlagen, der die Interessen aller sorgfältig abwägt und wieder Planungssicherheit schafft“, so Lechner und Lehmann. Die bloße und einseitige Verlagerung von Problemen „wird aus Sicht des LBS und des LBT der Lebenswirklichkeit weder heute noch in Zukunft gerecht.“ (ag)