Kiel. Die von Dänemark geplante Fehmarnbeltquerung könnte nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Landtages den Personenen-Nahverkehr im Norden beeinträchtigen. Der Ausbau des europaweiten Güterverkehrs auf der Schiene dürfe nicht zulasten von Regionalzügen und S-Bahnen gehen, hieß es am Donnerstag einmütig im Parlament. In einem Antrag von CDU/FDP, dem bis auf die Linke alle anderen Oppositionsparteien zustimmten, werden Vorfahrtsregelungen für den Güterverkehr zulasten des Personenverkehrs abgelehnt. Die Infrastruktur der Bahn müsse ausgebaut werden. Die Landesregierung solle zusammen mit der Bundesregierung darauf hinwirken, dass die hohe Qualität des Schienenpersonenverkehrs und insbesondere die Taktung der Züge nicht beeinträchtigt werde.
Mit dem Antrag wurde ein 2010 gefasster Beschluss des Europäischen Parlaments kritisiert, die Mitgliedsstaaten sollten "grenzübergreifende Güterverkehrskorridore" einrichten. Dem Güterverkehr würde innerhalb der Korridore Vorrang gegenüber dem Personenverkehr eingeräumt. Güterzuge hätten damit Vorfahrt vor Personenzügen. Einer der möglichen Korridore sei die Achse Stockholm-Hamburg-Palermo, die über Schleswig-Holstein führt.
Abgeordnete aller Parteien sprachen sich zwar für den Ausbau eines wettbewerbsfähigen Güterverkehrs auf der Schiene aus. Zugleich wurden Sorgen laut, dass es neben Beeinträchtigungen im Nahverkehr auch erheblichen Lärmbelästigungen durch Güterzüge in den Ferienorten an der Lübecker Bucht drohen könnten. Ein zweiter CDU/FDP-Antrag, der strengere Lärmgrenzwerte im Schienenverkehr fordert, wurde in den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Laut Antrag soll die Bundesregierung um entsprechende Unterstützung gebeten werden.
Hintergrund sind Befürchtungen, in der Zukunft könnten hunderte Güterzüge täglich durch Ostholstein rollen. Wachsendes Verkehrsaufkommen könnte Touristen vergraulen. Ostholsteinische Tourismusorte wie Timmendorfer Strand, Niendorf, Scharbeutz, Sierksdorf oder Neustadt wären von einer stark steigenden Lärmbelastung durch den geplanten zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke betroffen. Hier fährt die Bahnlinie unmittelbar am Ort entlang. Die Zahl der Züge würde sich von derzeit 22 auf bis zu 220 pro Tag verzehnfachen, so eine Befürchtung. Vor allem Güterzüge würden stören, da sie hauptsächlich nachts fahren. Die Tourismusorte fordern, eine neue Trasse für den Fern- und den Güterverkehr zu bauen und den Regionalverkehr weiter auf der alten Strecke laufen zu lassen. Hierfür setzt sich auch die Landesregierung ein.
In dem in den Ausschuss überwiesenen Antrag wird die baldige schrittweise Absenkung des Schienenbonus' gefordert. Dieser Bonus gesteht Zügen derzeit zu, mehr Lärm zu verursachen als der Straßenverkehr. Zudem solle sich die Bundesregierung für die Entwicklung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems einsetzen, heißt es in dem Antrag. Dies würde Anreize für Verkehrsunternehmen schaffen, in leisere Trassen und Züge zu investieren.
Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) sagte, ein leiserer Güterverkehr sei über Nacht nicht zu schaffen. Ziel müsse es sein, einerseits den Güterverkehr auf der Schiene zu stärken, andererseits aber einen effizienten Nahverkehr zu erhalten. (dpa)