Norwegen ist auf dem Weg, eine abgasfreie Nation zu werden. Ab dem Jahr 2025, so der Plan der Regierung, sollen nur noch Fahrzeuge mit Strom oder Brennstoffzellenmotor neu zugelassen werden. Das soll auch für Nutzfahrzeuge gelten. Ziel ist, den CO2-Ausstoß im norwegischen Transportsektor bis zum Jahr 2030 bis um die Hälfte zu senken. Bis 2050 sieht der National Transit Plan sogar vor, dass der gesamte Verkehr auf den Landessstraßen erdölfrei sein soll.
Ausgerechnet ein Land, das ein gutes Drittel seiner Wirtschaftsleistung mit Erdöl bestreitet, will fossile Brennstoffe von seinen Straßen verbannen. Das ist insofern konsequent, als das Land seinen eigenen Elektrizitätsbedarf zu rund 95 Prozent aus Wasserkraft deckt. Dank seiner Öl- und Gasvorkommen gehört Norwegen zu den reichsten Ländern der Welt. Das Geld machte nicht nur einige wenige reich, sondern floss vor allem in einen der größten Staatsfonds der Erde. Dieser sichert die Pensionen der norwegischen Arbeitnehmer ab. Der Staat baute auch das Gesundheitswesen und die Straßen aus.
Momentan bereitet der Verfall der Ölpreise dem Land allerdings Probleme. Viele Unternehmen, die von der Ölwirtschaft abhängig sind, mussten heftige Einbußen hinnehmen. Rund 30.000 Arbeitsplätze sind in der Branche verloren gegangen.
Fahrer wechseln von Öl in andere Branchen
Dafür profitieren derzeit andere Firmen von den günstigeren Wechselkursen der norwegischen Krone und exportieren mehr als in den vergangenen Jahren. Auch deshalb, weil Arbeitskräfte, die bisher von der gut zahlenden Ölindustrie gelockt wurden, nun für andere Wirtschaftsbereiche frei werden. Das gilt auch für Fernfahrer, die aufgrund der besseren Verdienstmöglichkeiten bisher lieber auf einer Ölplattform gearbeitet haben oder für einen Gaskonzern gefahren sind. Nun berichten norwegische Unternehmen, dass sich die Fahrersituation wieder leicht entspannt hat.
Wie überall in den nordischen Ländern haben Gewerkschaften auch in Norwegen eine starke Stellung. Für einen Arbeitnehmer ist es durchaus üblich, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein. "An vielen Arbeitsplätzen wird sogar erwartet, dass Sie Gewerkschaftsmitglied sind", erklärt der Norsk Transportarbeiderforbund, ein Gewerkschaftsverband, der die Interessen der Beschäftigten in der Transportbranche vertritt.
Bei ausländischen Arbeitnehmern kämpfen die norwegischen Gewerkschaften mit den gleichen Problemen wie in anderen Ländern: Sozialdumping, schlechtere Löhne, grundlose Kündigungen.
Insbesondere ausländische Fahrer würden dazu gedrängt, sich als selbstständige Gewerbetreibende registrieren zu lassen, beobachtet die Gewerkschaft. Das spart den Arbeitgebern die im Tarifvertrag festgelegten Mindestlöhne und Sozialleistungen. Andere Firmen greifen vermehrt auf billige Arbeitskräfte aus den baltischen Staaten zurück.
Geführt hat dies dazu, dass die Regierung im vergangenen Jahr plante, den Mindestlohn auch auf ausländische Fahrer anzuwenden. Die Pläne wurden allerdings so weit abgeschwächt, dass sie fast nur noch für den nationalen Verkehr norwegischer Unternehmer gelten.
17 Euro Mindestlohn, aber das Leben ist hier teuer
Der Mindestlohn in der Transportbranche liegt in Norwegen bei rund 17 Euro pro Stunde. Auch der durchschnittliche Monatsverdienst in der Lager- und Transportwirtschaft ist mit rund 5000 Euro stattlich. Allerdings darf man nicht vergessen, dass auch die Lebenshaltungskosten exorbitant hoch sind. Eine Packung Zigaretten kann schon mal umgerechnet 10 Euro kosten. Ein Mittagessen in einem günstigen Lokal um die 16 Euro. Selbst der Kaffee danach schlägt mit drei bis vier Euro zu Buche.
Gewöhnungsbedürftig ist sicher auch, dass man im Sommer selbst in der Nacht nicht im Dunklen fährt. Unterhalb des Polarkreises ist es selbst um 22 Uhr noch taghell. Gleichzeitig wird die Landschaft einsamer und ursprünglicher. Ein Problem sind die Tankstellen. Sie können im Hinterland sehr weit voneinander entfernt liegen. Damit die Fahrer auf den langen Strecken ihre vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einhalten können, wurden in den letzten Jahren viele Parkplätze entlang der Hauptrouten gebaut. Die offizielle Seite des Verkehrsamtes www.vegvesen.no/hvileplass listet rund 30 Stationen auf. Parkplätze zum Übernachten findet man auch unter iru.org/transpark. Normalerweise sind die Plätze mit Duschen und Stromanschlüssen für Kühlaggregate bis hin zu Restaurants und Tankstellen gut ausgestattet.
Nördlich des Polarkrieses bleibt es taghell
Wer die beste Raststätte anfahren möchte, muss allerdings weit in den Norden fahren. Nach Meinung des Reiseführerverlags Marcopolo liegt der beliebteste Truckertreff rund 70 Kilometer südlich von Tromsø in Nordkjosbotn, an der Kreuzung der Europastraßen 6 und 8. Hier, nördlich des Polarkreises, geht die Sonne gar nicht mehr unter. Auf den Tisch kommen einheimische Gerichte aus der Arktis und frischer Lachs.
Nicht immer führt die Route so weit in den Norden. Die wirtschaftlichen Hauptregionen sind die Hauptstadt Oslo, Bergen und Trondheim, allesamt weiter südlich gelegen. Das norwegische Straßennetz ist etwas über 93.000 Kilometer lang. Es gibt allerdings kaum mehrspurige Autobahnen. Das Transportministerium listet nur 750 Kilometer Straße auf, die mindestens zweispurig ausgebaut sind.
In den kommenden Jahren wird weiter in den Ausbau der Straßen investiert. Rund um Oslo soll das Netz ausgebaut werden. Ebenso soll die E 39 zwischen Alesund und Kristiansund mit einer Hängebrücke und einem Tunnel durchgehend befahrbar werden. Im zerklüfteten und von Fjorden eingeschnittenen Westen des Landes müssen Fahrer immer wieder auf die Fähre zurückgreifen, wenn sie auf dem direkten Weg bleiben wollen. Umwege sind zwar möglich, doch nur selten zu empfehlen. Zu schlecht sind viele Straßen, zu kurvenreich und vor allem im Winter eine gefährliche Angelegenheit.
Eine Herausforderung: die engen Straßen im Gebirge
Die norwegischen Verbände und die Regierung warnen Fahrer davor, diese Gefahren zu unterschätzen. Der größte Teil des Landes besteht aus Gebirge. Man solle sich nicht von den breiten Straßen direkt hinter der Grenze täuschen lassen, heißt es in einer Broschüre. Auf den engen Straßen passen nicht immer zwei Fahrzeuge aneinander vorbei. Doch wie in den anderen skandinavischen Ländern auch, genießen Lkw-Fahrer hier ein hohes Ansehen und die Norweger machen, statt verärgert zu hupen, vorausschauend Platz, wenn sich ein Lastwagen nähert.
Dennoch kommt es auf den kurvenreichen Straßen immer wieder zu schweren Unfällen. Bei starken Schneefällen bleiben außerdem immer wieder Zugmaschinen stecken oder kommen von der Straße ab - trotz Winterreifen und Schneeketten. Die Behörden verhängen immer wieder strecken- und zeitabhängige Fahrverbote für den Schwerlastverkehr. Wer trotzdem weiterfährt und liegenbleibt, muss nicht nur eine Strafe zahlen, sondern auch die Bergung. Dabei können die Fahrzeuge so lange beschlagnahmt werden, bis die Kosten beglichen wurden.
Vor allem auf manchen Nebenstraßen verlangt die Polizei kurzfristig das Fahren in einem geschlossenen Verband. Die Lkw-Kolonne wird dann von einem Schneeräumfahrzeug von "Statens vegvesen" (in etwa vergleichbar mit einem staatlichen Straßenbauamt) angeführt. Bis die erforderliche Zahl von Fahrzeugen zusammengekommen ist, kann es dabei durchaus ein paar Stunden dauern. Darum sind ausreichend Diesel, warme Kleidung und Decken sowie Essen und Getränke wichtig, um die Wartezeit zu überbrücken.
Da die norwegische Polizei vor allem im Winter solche Probleme von der täglichen Arbeit kennt, wird bei den Kontrollen ein besonderes Augenmerk auf die Ausrüstung und den technischen Zustand des Fahrzeugs gelegt. Auch bei der Ladung wird häufig kontrolliert, ob sie gut verteilt und richtig gesichert ist.
Alexander Heintze