Kritische Stimmen bei der AMÖ

Dass Wirtschaftsverbände gerne kritisieren und dabei vor allem die Politik ihr Fett abbekommt, kennt man ja. Das ist auch ihre Aufgabe und gehört zum Selbstverständnis eines Verbandes. Dass ein Verband aber auch Selbstkritik übt und sich öffentlich hinterfragt, passiert eher selten. Zu erleben war diese Rarität auf der Jahrestagung des Bundesverbandes Möbelspedition (AMÖ) vergangene Woche in Kassel. Als Top 10 "Bericht 'Vision Group 2020'" war der Vortrag von Lukas Brüggemann und Lars Kleffner angekündigt, die die Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppe präsentieren sollten. Scharfe Kritik am Mobility Package Doch vorher kritisierte der scheidende AMÖ-Präsident Gert Hebert die Politik für eine Reihe von Maßnahmen. So bezeichnete er den Entwurf zum Mobility Package der EU-Kommission als "ein völlig realitätsfremdes Regelwerk". Die Probleme im Verkehrsmarkt würden damit "nicht wirklich gelöst". Im Gegenteil, Hebert erwartet, dass mit den vorgelegten Vorschlägen die Wettbewerbsverzerrungen zulasten der westeuropäischen Transportwirtschaft noch weiter zunehmen. Nicht minder scharf fielen seine Worte für den Umgang der deutschen Politik mit dem Mobility Package aus. Der Bundesrat hat laut Hebert die stärkere Regulierung der Unternehmen, die mit ihren Kleintransportern den Markt verzerren, aus Kostengründen und wegen des Aufwands abgelehnt. Diese Haltung bezeichnete er als "einen Schlag ins Gesicht der Verkehrsunternehmen" und als "ein Offenbarungseid der Politik". Eine klare Absage erteilte er der Forderung nach Dieselfahrverboten in den Innenstädten, die auch Nutzfahrzeuge betreffen. Würden Flächenfahrverbote eingeführt, hätte das für viele Unternehmen eine existenzielle Bedrohung, so Hebert. Der scheidende AMÖ-Präsident verteilte aber auch Lob: für die Erhöhung der Mittel für den Verkehrshaushalt, den Lang-Lkw im streckenbezogenen Regelbetrieb und die beschlossene Autobahngesellschaft. Und auch die Zusammenarbeit mit den Schwesterverbänden DSLV (Deutscher Speditions- und Logistikverband) und BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung) bewertete er positiv. So habe der BGL eine Beteiligung im Rahmen der Klage gegen das Lkw-Kartell zur Durchsetzung der Ansprüche angeboten. "Eine solche Zusammenarbeit war nicht immer selbstverständlich", hob Hebert hervor. Es war Heberts letzter Bericht als AMÖ-Präsident. Vor den Wahlen des neuen Präsidiums (siehe Kasten) bedankte er sich bei dem Verband und den Mitgliedern. Die Delegierten und Gäste der Tagung würdigten Hebert und seinen langjährigen Einsatz mit stehendem Applaus. Vision Group mit visionären Ideen Nach den Wahlen folgte dann der Vortrag der beiden Vertreter der Vision Group 2020. Auch sie legten wie Hebert die Finger in die Wunde: "Die AMÖ hat zwischen 2001 und 2017 25 Prozent ihrer Mitglieder verloren", zeigte sich Kleffner besorgt. Ein weiterer Kritikpunkt ihrer Bestandsaufnahme: die unterschiedlichen Strukturen in den Landesverbänden, die Kleffner als "Flickenteppich" bezeichnete. Er stellte die Frage, über welches Gehör und welche Schlagkraft schwächere Landesverbände mit zum Teil nur 20 Mitgliedsunternehmen tatsächlich verfügten. Als Ziel hatte sich die Vision Group gesetzt, den Verband schlagkräftiger, handlungsfähiger und damit attraktiver zu machen. Dazu schlägt die Gruppe zum Beispiel vor, Kompetenzfelder in den Landesverbänden zu bündeln, sodass nicht alle Verbände die gleiche Arbeit machen müssen. Außerdem eine stärkere Beteiligung der Mitgliedsunternehmen im Bundesverband sowie einen neuen Markenauftritt. Der neue AMÖ-Präsident Schäfer kündigte gegenüber der VerkehrsRundschau bereits an, dass er sich mit den Vorschlägen befassen werde und sich zum Ziel setzt, dass die Zahl der Mitglieder wieder wächst (siehe Seite 30). AMÖ-Geschäftsführer Dierk Hochgesang erklärte, dass nun über die Vorschläge der Gruppe in den Landesverbänden diskutiert werde und man aber parallel dazu sich mit möglichen Konsequenzen befassen werde. "Gerade aus der Unternehmerschaft gab es zu den Vorschlägen positive Äußerungen", sagte Hochgesang. Mehr zum Thema im Dossier Möbel-Logistik & Umzüge www.verkehrsrundschau.de/dossiers Wahlen zum Präsidium des Bundesverbandes Möbelspedition Frank Schäfer neuer AMÖ-Präsident Der Bundesverband Möbelspedition (AMÖ) hat einen neuen Vorsitzenden: Frank Schäfer, 52-jähriger Spediteur aus Hannover, wurde von den Delegierten der AMÖ-Tagung zum neuen Präsidenten gewählt. Er folgt Gert Hebert nach, der nicht mehr für das Amt kandidierte.Hebert war zwölf Jahre Präsident der AMÖ. Bereits seit 1993 gehörte der 69-Jährige dem geschäftsführenden Vorstand an. Hebert ist alleiniger Gesellschafter und Inhaber der Walter Hebert Internationale Möbelspedition in Berlin. Sein Nachfolger, Frank Schäfer, ist geschäftsführender Gesellschafter der Umzugsspedition L. Spangenberg. Er gehört seit 2011 dem Präsidium an.Die Delegierten der AMÖ haben in Kassel auch den Rest des Präsidiums neu gewählt. In ihrem Amt bestätigt wurden Sabine Hartmann, Geschäftsführerin der Hartmann International in Paderborn, und Stefan Klein, Geschäftsführer der Frey & Klein Internationale Spedition in Simmern. Martin Ahnefeld, bisher kooptiertes Mitglied des Präsidiums und Geschäftsführer der Möbelspedition Ahnefeld Möbel-Logistik in Minden, gehört dem Gremium jetzt fest an. Nicht mehr zur Wiederwahl stellte sich Ekkehard Bartel von der Gebrüder Bartel Möbelspedition in Bützer. Dafür wählten die Delegierten Jürgen Zantis, Geschäftsführer der Internationalen Möbelspedition Maassen & Becker in Alsdorf, in das Präsidium. cd

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