Stuttgart. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die stiefmütterliche Behandlung von Schienenverkehrsprojekten im Südwesten auf unfähige und unwillige Verkehrsminister im Bund zurückgeführt. Das Amt gleiche einem „Strafbataillon“ der Bundesregierung und sei mit Ressortchefs besetzt gewesen, die entweder wenig Leidenschaft oder wenig Kompetenz mitgebracht hätten, sagte er am Dienstag in Stuttgart. Der amtierende Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe sich ausschließlich um die „Ausländermaut“ gekümmert. „Mit einem Grünen wär das nicht passiert“, resümierte Kretschmann.
Aus Sicht der Landesregierung muss sich der Bund mit den gravierenden Folgen der Havarie auf der Rheintaltrasse auseinandersetzen. Er erwarte ein Umdenken in der Verkehrspolitik und ein zusätzliches Infrastrukturprogramm für den Schienenausbau von einer neuen Bundesregierung, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Das Land habe für den Bundesverkehrswegeplan Projekte im Umfang von einer Milliarde Euro neu angemeldet, vor allem um Engpässe auf der Schiene zu beseitigen. Aber das Land habe mit den Anmeldungen keinen Erfolg in Berlin gehabt, bedauerte Hermann.
Die Rastatter Panne habe jedoch sichtbar gemacht, dass in den vergangenen Jahrzehnten das Netz der Bahn extrem ausgedünnt und auf wenige Achsen konzentriert worden sei. Nebenstrecken müssten wieder ausgebaut werden, um bei Unfällen als Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung zu stehen.
Blaue Plakette: Letztes Wort noch nicht gesprochen
Die kritische Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur blauen Plakette habe ihn zudem überrascht, sagte Kretschmann. „Ich erkläre mir das erst mal mit dem Wahlkampf.“ Nach der Bundestagswahl werde über das Thema noch einmal zu reden sein.
Merkel hatte vor rund einer Woche zum Thema Luftreinhaltung in Städten gesagt: „Ich versuche erst einmal, dass wir ohne Fahrverbote auskommen. Dann brauche ich auch keine blaue Plakette.“ Hingegen verteidigte Kretschmann am Dienstag noch einmal die blaue Plakette. Sie sei ein Instrument, das effizient und gerichtsfest sei.
Mit der blauen Plakette könnte die Einfahrt in Umweltzonen vor allem für ältere Diesel-Autos untersagt werden, die als Hauptverursacher für Stickoxide gelten. Die Plakette wird vor allem von den Grünen gefordert, um für saubere Luft in den Städten zu sorgen. In Stuttgart und andernorts drohen Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge. (dpa/ag)