Brüssel. Wer wird neuer EU-Verkehrskommissar? Die Antwort ist zurzeit völlig offen und das aus zwei Gründen: Erstens will der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit der Ressortverteilung seiner Mannschaft den 30. August abwarten. Dann wollen sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Person einigen, die neuer EU-Außenbeauftragter werden soll. „Vorher wird Herr Juncker über Personalien nichts entscheiden“, bestätigt seine Sprecherin Natasha Bertaud auf Anfrage.
Länder haben wenig Interesse
Zweitens hat bislang kein Mitgliedstaat Anspruch auf den Posten des Verkehrskommissars angemeldet. Auch drängt sich fachlich keiner der bis jetzt von den Ländern vorgeschlagenen Kandidaten für das Ressort auf. Bis 31. Juli sollten die Mitgliedsländer Wünsche vorlegen, wen sie als ihren Kommissar nach Brüssel entsenden wollen. Eine inoffizielle Liste wurde vom Nachrichtendienst „European Voice“ veröffentlicht. „Ich bin etwas enttäuscht, dass das Verkehrsressort bei keinem Mitgliedstaat auf der Wunschliste ganz oben steht“, kommentiert dazu Markus Ferber (CSU), langjähriges Mitglied im EU-Verkehrsausschuss (Tran).
Auch der noch aktuelle Verkehrskommissar Siim Kallas war alles andere als ein Spezialist des Faches, bevor er 2010 sein Amt antrat. Die Bilanz seiner Amtszeit fällt im Urteil von Beobachtern durchwachsen aus. „Kallas hatte Startschwierigkeiten. Dann hat er auf Biegen und Brechen versucht, das vierte Eisenbahnpaket durchzusetzen, obwohl schon die Interpretation des ersten Pakets vor dem Europäischen Gerichtshof nicht standgehalten hat“, urteilt Ferber. „Gut war, dass Kallas einige große Themen angepackt hat“, lobt Gesine Meißner (FDP), verkehrspolitische Sprecherin der Liberalen. Das vierte Eisenbahnpaket nennt sie ebenso als Beispiel wie die Überarbeitung der Transeuropäischen Netzwerke (TEN-V) und deren Finanzierung. TEN-V hebt auch Nima Nader, Verkehrsspezialist der Freiburger Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (CEP), als besonderen Verdienst von Kallas hervor. Die Schaffung eines europäischen Verkehrsbinnenmarktes stand für Kallas im Vordergrund. Sein Nachfolger werde sich verstärkt um den Straßengüterverkehr kümmern müssen. Insbesondere bei der Kabotage gebe es noch „beträchtliche Mängel“, so Nader. „Wir werden im Bereich der Sozialstandards einiges für die Fahrer zu erreichen haben und es wird darum gehen, die Umweltverträglichkeit des Verkehrs dauerhaft zu stärken“, meint Ferber.
Kommissar für Infrastruktur
EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat jüngst die Idee eines EU-Kommissars für Infrastruktur ins Spiel gebracht. DHL-Chef Frank Appel wünscht sich gar einen Kommissar für Logistik in Brüssel – ein Wunsch, der wenig Aussicht auf Erfüllung haben dürfte. Die Belange der Logistik werden zurzeit weitgehend von der Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG Move) in verschiedenen Abteilungen abgedeckt. Logistikthemen werden zudem in den Generaldirektionen Zoll, Wirtschaft, Recht oder Binnenmarkt verhandelt. Immerhin hat Jean-Claude Juncker eine Cluster-Bildung innerhalb der Kommission für bedeutende Politikbereiche angekündigt. Infrastruktur könnte darunter fallen, denn ihre Bedeutung ist unumstritten. (kw)