Italien sucht Geld für die Infrastruktur

Gesine Meißner ist begeistert: "Die italienische Ratspräsidentschaft traut sich gleich an mehrere heiße Eisen ran, von denen ich erwartet hätte, dass der Rat sie lieber noch eine Weile in der Schublade gelassen hätte", sagt die FDP-Politikern und Obfrau der Liberalen im Verkehrsausschuss des Europaparlaments (Tran). Den politischen Pfeiler des Eisenbahnpakets, den einheitlichen europäischen Luftraum (Single Sky) oder die Bodenverkehrsdienste an Flughäfen führt sie als Beispiele auf. Europastrategie zur Finanzierung Die Kritik, dass die Italiener zu wenig Ambitionen im Verkehr zeigen, teilt sie nicht. "Eine Ratspräsidentschaft kann zumindest im Transportbereich nur in einem begrenzten Rahmen eigene Akzente setzen, da sich ihr Programm ja immer an den laufenden Arbeiten orientiert", so Meißner. Und wenn die Italiener in diesem Rahmen tatsächlich heikle Dossiers wie die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur anpackten, sei das "genau richtig". Ähnlich positiv äußert sich Ismail Ertug (SPD), Tran-Obmann der Sozialdemokraten, zu den Vorhaben der Italiener: "Italien plant das wohl wichtigste Problem in der heutigen Verkehrspolitik anzugehen: die mangelnde Infrastrukturfinanzierung in den Mitgliedstaaten." Tatsächlich nennen die Italiener diesen Punkt als allerersten auf den zwei Seiten, die sie in ihrem 72-seitigen Ratsprogramm verkehrspolitischen Vorhaben widmen. Die Politik für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V) soll nicht einfach so fortgeführt werden, wie sie sowieso schon geplant ist. Vielmehr wollen die Italiener eine gesamteuropäische Strategie zur Finanzierung von Infrastruktur auf den Weg bringen. Neue Möglichkeiten, vor allem Partnerschaften mit der Privatwirtschaft, sollen ausgelotet werden. Ein informelles Treffen der EU-Verkehrsminister im September in Mailand soll sich ausschließlich diesem Thema widmen. Ein richtiges Vorhaben, findet Ertug. "Quer durch Europa bröckeln Brücken, sind Straßen marode und Schienenverbindungen chronisch unterfinanziert", sagt er. Das findet auch Michael Cramer. Als neuer Tran-Vorsitzender kritisiert der Grünen-Politiker aber auch weiter das, was er schon seit Jahren kritisiert: Dass mit den neuen Geldquellen vor allem Großprojekte gefördert werden sollen. Und Italien stehe da mit an der Spitze. Mit der Zugverbindung Lyon-Turin, dem Brenner-Basis-Tunnel auf italienischer Seite sowie der Fertigstellung des Korridors Rotterdam. Damit gäbe es in Italien gleich drei Großprojekte, die zusammen mehrere Dutzend Milliarden Euro verschlingen würden. Wenn es den Italienern aber ernst sei mit der Ankündigung ihres Ministerpräsidenten Matteo Renzi, vor allem Wachstum und Beschäftigung in der EU zu fördern, müsse man umdenken. "Wenn 20 Jahre lang für 26 Milliarden Euro eine Bohrmaschine durch die Alpen eingesetzt wird, was hat das mit Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu tun? Wenn ich das für die Sanierung der bestehenden Strecken, für den Abbau der Engpässe, die Sanierung der Bahnhöfe einsetzen würde, dann hätte ich Job-Creation", so Cramer in Bezugnahme auf das Geld, das allein Lyon-Turin kosten soll. Am 22. Juli werden die Tran-Abgeordneten mit dem italienischen Verkehrsminister über das Ratsprogramm diskutieren.