Sensation in der Schweiz: Ende Oktober gab das Bundesverwaltungsgericht dem Nutzfahrzeugverband Astag Recht, der gegen die LSVA-Erhöhung 2008/2009 juristisch vorgegangen war. Welche Folgen das Urteil hat, sagt Michael Gehrken, Chef des schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes Astag im VerkehrsRundschau-Interview.
Herr Gehrken, vor einigen Tagen hat das schweizerische Bundesverwaltungsgericht Ihrem Verband Astag Recht gegeben und erklärt, dass Teile der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) unrechtmäßig sind. Was genau besagt das Urteil?
Michael Gehrken: Die generelle Mauterhöhung 2008 und die Schlechterstellung 2009 von Euro-3-Fahrzeugen waren unrechtmäßig und teilweise sogar willkürlich. Willkürlich deshalb, weil die Bundesverwaltung dem Straßentransport zu hohe Stauzeitkosten angelastet hat. Der Urteilsspruch hat aber auch Auswirkungen auf die generellen Mauterhöhungen der letzten Jahre, weil die Richter nämlich festgehalten haben, das oberste Gericht sei einem Sachverhaltsirrtum unterlegen, indem es sich auf falsche Berechnungen der Bundesverwaltungen verlassen hatte.
Wird die Maut in der Schweiz nun sinken?
Die Maut müsste sinken, ja. Und zwar umgehend! Allerdings ist das Urteil ja noch nicht rechtskräftig und könnte durch einen Einspruch der Bundesregierung noch zur Entscheidung vor die höchste Instanz, das Bundesgericht, gebracht werden.
Geht es im Urteil nur um Euro-3-Fahrzeuge?
Da die falschen Stauzeitkosten als Grundlage für die Berechnung aller Klassen genutzt wurden und werden, ist aus unserer Sicht die Tariferhöhung generell nicht rechtens.
Ganz konkret: Können Unternehmer nun ihr Geld zurückfordern?
Für uns ist nun klar, dass die Tarife von 2008 bis heute zu hoch waren. Und zwar um zehn Prozent. Jeder, der in diesem Zeitraum Einspruch gegen die Tarife eingelegt hat, hat Anspruch auf Rückerstattung, sofern das Urteil Rechtskraft erlangt. Mit einem solch komplizierten Prozedere wäre aber keinem gedient. Wir fordern, dass die zehnprozentige Mauterhöhung grundsätzlich rückgängig gemacht wird und jedem das Geld ohne große Umtriebe zurückgezahlt wird – egal, ob das Unternehmen aus der Schweiz oder aus anderen Ländern kommt.
Hat die Politik schlampig gearbeitet oder steckt Absicht dahinter?
Wenn man sich die Historie ansieht, dann kommt man zu dem Schluss, dass an den Grundlagen lange und intensiv immer wieder gedreht und korrigiert wurde, um zu einer Kostenunterdeckung des Straßentransportes zu kommen.
Absicht also …
Ja. Das würde ich der Bundesverwaltung hier jetzt einmal unterstellen. Und zwar mit einem klaren Vorsatz, nicht bloß fahrlässig.
Dahinter steht das politische Ziel der Verlagerung von der Straße auf die Schiene.
Das wird vordergründig betont, ist aber falsch. Die LSVA ist dazu da, die Kosten der Straße zu decken – und sollte nicht dauerhaft zur Querfinanzierung anderer Verkehrsträger genutzt werden. Im Übrigen zeigt die Vergangenheit, dass alle LSVA-Erhöhungen nie zu einer Verlagerung geführt haben. Es ist ausschließlich der Straßentransport verteuert worden. Um Verlagerung zu erreichen, muss man bei der Bahn selber ansetzen. Ich sage immer: Man macht einen Kranken nicht gesund, indem man einen Gesunden krank macht.
Zur Person: Michael Gehrken ist 42 Jahre alt. Der promovierte Historiker leitet seit 2006 die Geschicke des schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes Astag. Vor dieser Tätigkeit war er mehrere Jahre in den Bundesämtern des Eidgenössischen Verkehrsdepartements (UVEK) tätig.
Interview: Tobias Rauser, Chef vom Dienst