Interview Frank Huster: "Lassen das BMDV nicht vom Haken"

Die Kommission Straßengüterverkehr hat gleich zehn für die Logistikwirtschaft zentrale Bereiche identifiziert, in denen Entbürokratisierung notwendig ist – wo besteht der dringendste Handlungsbedarf? Anders als es der Titel der Kommission vermuten lässt, konzentrieren sich ihre Vorschläge nicht allein auf den Straßengüterverkehr, obgleich gerade dieser Sektor erheblich unter wirtschaftlichem Druck steht und dringend bürokratisch entschlackt werden muss. Insofern ist es richtig, dass das Thema Fahrermangel und die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland viel Gewicht im Abschlussbericht bekommen haben. Dazu gehört auch, die Lkw-Fahrverbote an und Sonn- und Feiertagen zu vereinheitlichen und die Einführung von Ladezonen in urbanen Ballungsräumen voranzutreiben. Es war es uns aber wichtig, dass sich Bürokratieabbau nicht nur auf den operativen Straßengüterverkehr konzentriert, sondern auch den allgemeinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb entlastet. Diese Entlastungen wirken verkehrsträgerübergreifend. Welche sind das? Der EU-CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM, die Einfuhrumsatzsteuer und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG, verursachen einen hohen Bürokratieaufwand auf Verkehrs- und Verladerseite. Vor allem das LkSG ist für die Logistik, die ja hochgradig arbeitsteilig ist, bereits zu einem Bürokratiemonster mutiert. Weniger aus böser Absicht, vielmehr aus Sorge, wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen in die Schlagzeilen zu geraten, agieren auftraggebende Unternehmen – auch aus unserer Branche – oft over-compliant und überfordern ihre Dienstleister und Zulieferer, indem sie Berichtspflichten kaskadenhaft weiterdelegieren. Wenn z. B. ein Speditionshaus, das auf die Organisation ausschließlich nationaler Seehafenhinterlandverkehre spezialisiert ist und aufgrund seiner Unternehmensgröße vom LkSG gar nicht erfasst wird, im Rahmen eines LkSG-Dienstleister-Assesments daraufhin überprüft werden soll, ob es die Rechte der indigen Völker beachtet, wird deutlich, dass das System aus dem Ruder läuft. Unternehmen, die überhaupt keine LkSG-Normadressaten sind, müssen sich mit Dingen befassen, die gar nicht im Kontext der LkSG-Ziele und schon gar nicht mit ihrem Geschäft stehen. Bei der Umsetzung des LkSG muss die Aufsichtsbehörde, das BAFA, so verfahren, dass dieser negative Effekt deutlich abgemildert wird. Unsere Erwartung ist, dass das BMDV jetzt auf das BMWK und das BAMS als zuständige Ministerien einwirkt. Wie zufrieden sind Sie denn mit dem Gesamtergebnis – und vor allem den Stellungnahmen des BMDV, die an manchen Stellen etwas unkonkret anmuten? Das Ergebnis ist gut. Das BMDV hat die Expertise mehrerer Abteilungen und Referate und die Verbände tief einbezogen, so dass schon in kurzer Zeit ein Entwurf entstand. Ich habe auch im Nachgang der Arbeit nicht das Gefühl, dass jetzt Themen relativiert werden. Es ist nun mal so, dass hierfür benötigte Gesetzesänderungen zum Teil nur ressortübergreifend und mit Zustimmung der Bundesländer zustande kommen. Hinzu kommt in manchen Bereichen wie etwa bei der Fahrerlaubnis auch noch die europäische Ebene. Es kommt jetzt darauf an, dass Minister Wissing breite Schultern zeigt. Zurücklehnen und sagen, wir sind nicht zuständig und können nichts machen, wäre zu wenig. Wir erwarten daher, dass - da wo erforderlich - mit Nachdruck auf Brüssel, die Länder und die übrigen Ressorts von Wirtschaft über Umwelt bis hin zu Finanzen eingewirkt wird. Was ich vielmehr bemängele, ist, dass die Kommission nicht deutlich früher eingerichtet wurde. Niemand in der Bundesregierung, auch nicht der Verkehrsminister, kann sagen, dass er von den Verbänden nicht frühzeitig auf die wirtschaftlichen Folgen politischer Entscheidungen oder auch Unterlassungen in dieser Legislatur hingewiesen wurde. Erst im Januar gab es dann ein Ministergespräch mit der Zusage, gemeinsam einen Maßnahmenplan zu entwickeln. Jetzt kommen wir in das letzte Jahr der laufenden Legislaturperiode und es bleibt abzuwarten, ob noch konkrete Gesetzesinitiativen folgen werden. Die nächste Bundesregierung wird möglicherweise eine andere Perspektive auf die Dinge haben. Ende April hat Minister Wissing ein Sofortprogramm zur Entlastung der Logistikbranche ausgerufen. Hat das geholfen? Der Haushalt ist sehr eng geschnürt, daher ist es positiv zu bewerten, dass Minister Wissing seine Zusage, die im ersten Teil des Abschlussberichts der Kommission hinterlegt ist, eingehalten hat und das Mautharmonisierungsprogramm Umweltschutz und Sicherheit und das Förderprogramm Energiemindernde Komponenten trotzdem noch einmal aufgestockt hat. Allerdings waren diese Fördermittel innerhalb kürzester Zeit erschöpft - im Grunde also ein Tropfen auf den heißen Stein. Positiv ist, dass jetzt zunehmend Gelder in den Ausbau der Ladeinfrastruktur allokiert werden. Der Aufbau der Lkw-Ladeinfrastruktur läuft aber nach wie vor schleppend. An welchen Rahmenbedingungen muss sich am schnellsten was ändern? Hier prallen leider zwei Welten aufeinander: die Ansprüche der in der Kommission durch die Verbände vertretenen Branchen und die tatsächliche Haushaltslage, die wenig Bewegungsfreiheit lässt. Die Anschaffungsförderung des KsNI-Programms wurde jetzt endgültig beerdigt, nun konzentriert man sich auf die Ladeinfrastruktur. Diese ist auch die tatsächliche Achillesferse bei der Transformation und wir begrüßen, dass es hier noch Förderzusagen gibt. Aber da muss deutlich mehr kommen, vor allem für das Depotladen. Die Errichtung von Ladeinfrastruktur in den Logistikanlagen muss auch administrativ vereinfacht werden und eines der dicksten Bretter, die zu bohren sind, ist das Feld der Energieversorgung. Und da sind wir wieder außerhalb der Zuständigkeit des Verkehrsressorts, hier ist das BMWK gefragt. Sie haben den Wegfall des KsNI-Programms angesprochen – in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Unionsfraktion schreibt die Bundesregierung, es gebe auch ohne Förderung genug wirtschaftliche Anreize für die Anschaffung von E-Lkw. Was halten Sie von dieser Aussage, erst recht nach der Arbeit der Kommission? Das ist politische Schönfärberei. Worin sollten diese Anreize denn bestehen? Dass die CO2-differenzierte Lkw-Maut unter den gegebenen Bedingungen trotz höchster EU-rechtlich zulässiger Mautsätze heute so gut wie gar nicht lenkt, dürfte angesichts der zu vernachlässigen Zulassungszahlen für E-Lkw und stagnierendem Modal-Split-Anteil für die Schiene doch wohl erwiesen sein. Chancen für den Hochlauf alternativer Antriebe wurden politisch verspielt. Man hätte den alten Finanzierungskreislauf Straße zugunsten eines „grünen Finanzierungskreislaufs“ bewahren müssen, indem Mauteinahmen gezielt in die Transformationsförderung fließen. Jetzt klafft die Schere zwischen Kosten und ausbleibender öffentlicher Förderung noch größer. In der derzeitigen Wirtschaftsflaute hohe Investitionsrisiken für praktisch nur wenig erprobte Technologien einzugehen, ist für zahlreiche Transportunternehmen kaum möglich. Kostenparität zwischen Verbrenner- und E-Lkw entsteht ohne weitere staatliche Intervention derzeit jedenfalls nicht. Umso wichtiger für den Klimaschutz ist, dass von der Kommission Straßengüterverkehr die Forderung nach steuerlichen Anreizen für alternative Kraftstoffe, die zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen führen, berücksichtigt wurde. Werden da nicht wieder neue Fronten zwischen E-Mobilität und dem Festhalten am Verbrenner aufgemacht? Es geht doch nicht um Fronten, sondern um den Klimaschutz, zu dem nur wirtschaftlich leistungsfähige Unternehmen beigetragen können. Für die Wahl der Technologie ist für die Logistik folgendes relevant: Hat eine bestimmte Antriebstechnologie gegenüber einer anderen einen echten Umweltvorteil? Kann diese Technologie in ganz Europa flächendeckend eingesetzt werden? Und passen die Total Costs of Ownership in die Betriebskalkulation? Das sind die wesentlichen Anforderungen der Logistikbranche an ihre Zulieferer, nämlich die Herstellerindustrie, die Energie- und Kraftstoffwirtschaft und auch die Politik. Hier muss geliefert werden. An einer interessengelenkten und ideologiebasierten Diskussion zwischen diesen Gruppen kann sollte sich der Logistiksektor nicht beteiligen. Was wir brauchen, sind Ergebnisse. Anfang 2025 will die Kommission die Umsetzung der jetzt identifizierten Maßnahmen evaluieren. Sind Sie zuversichtlich, dass erste Forderungen dann schon umgesetzt sind? Ja, das bin ich. Der Auftrag ist sehr klar formuliert, die Absichtserklärung des Hauses ist da. Dieses Papier wird nicht nur im BMDV, sondern auch in den anderen Ressorts gelesen. Jetzt muss geliefert werden. Einige Themen sind auch schon in der Umsetzung. Bei der Einfuhrumsatzsteuer und auch beim LkSG gibt es erste Ansätze. Wir lassen das BMDV nicht vom Haken. Wir werden uns zu Beginn des kommenden Jahres nochmal zusammenzusetzen und da möchte ich dann auch belastbar hören, was man genau unternommen hat, sei es im EU-Rat in Brüssel, bei einer Länder-Verkehrsministerkonferenz oder in einem Bund-Länder-Fachausschuss. 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