Streit trotz Machtwort der Kanzlerin

Im Streit zwischen CDU und CSU über eine PKW-Maut nur für Ausländer schwindet der Rückhalt für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Dessen Kabinettskollege Wolfgang Schäuble arbeitet an einem Alternativmodell, Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) lobte ihren Finanzminister dafür, der sich "konstruktiv einbringt". CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich verwundert. "Ich kann gar nicht glauben, dass ein Kabinettsmitglied Mautkonzepte gegen das federführende Kabinettsmitglied entwickelt. Wir erwarten von der CDU Koalitionstreue". Merkel stellte zwar öffentlich fest: "Um es ganz klar zu sagen: Die Maut steht im Koalitionsvertrag und sie wird kommen." Ein Freibrief für alle komplizierten Details war ihr "Machtwort" aber nicht. Schäuble und Gabriel mit eigenen Ideen Schäuble macht kein Hehl aus seiner Ansicht, dass er von Dobrindts Eckpunkten für eine PKW-Maut wenig hält. Mal verweist der dienstälteste Parlamentarier Deutschlands auf Bedenken in Brüssel, EU-Ausländer könnten diskriminiert werden. Bei anderer Gelegenheit sorgt er sich um die ihm unterstehende Zollverwaltung, die mit der Reform der KFZ-Steuer überfordert sein könnte. "Es wäre für den Zoll keine Kleinigkeit, 45 Millionen KFZ-Steuerbescheide auf einen Schlag anzupassen". Am vergangenen Wochenende wurde bekannt, dass im Finanzministerium an einem Modell gearbeitet wird, bei dem private Investoren den Straßenbau übernehmen und dann über Mauteinnahmen von allen bezahlt werden. Dies wäre wegen der Bestimmung im Koalitionsvertrag, dass deutsche Fahrzeughalter nicht belastet werden dürfen, erst in der nächsten Wahlperiode umzusetzen. Ähnliche Ideen prüft auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Der SPD-Chef hat in der vergangenen Woche einen Expertenbeirat berufen, der Geld für die Sanierung von Straßen mobilisieren soll. Er plädiert für eine stärkere Einbindung privater Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds, um die Finanzierungslücke im Infrastrukturbereich zu schließen. Merkel nannte Schäubles Überlegungen "über den Tag hinaus", die dazu beitragen sollten, mehr Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen. Zu den Eckpunkten des zuständigen Fachministers fiel ihre Stellungnahme eher verhalten aus. "Herr Dobrindt hat als Verkehrsminister einen Vorschlag gemacht. Und an dem wird jetzt weiter gearbeitet". Ob sie eine Maut auf allen Straßen wie der CSU-Politiker will oder nur auf Autobahnen, ließ sie offen. Im Koalitionsvertrag ist die PKW-Maut auf Autobahnen verankert. Darauf pochen auch die CDU-Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, unterstützt vom Europäer Schäuble. "Mein Wahlkreis endet an der Stadtgrenze von Straßburg. Dann muss also jeder im Elsass so ein Ding haben, ob er Autobahn fährt oder ob er fünf Kilometer Feldweg fährt". In der CDU wird befürchtet, dass eine Maut auch auf Nebenstraßen den Grenzverkehr und damit auch die Einzelhändler belastet. Seehofer hatte daraufhin eingelenkt und eine Prüfung der Einwände zugesagt. Nach dem CSU-Konzept sollen ausländische Autofahrer ab 2016 im Schnitt 88 Euro im Jahr zahlen. Deutsche Fahrzeughalter würden über die KFZ-Steuer so entlastet, dass unter dem Strich niemand mehr zahlt. Die zusätzlichen Einnahmen durch ausländische Fahrer werden auf rund 600 Millionen Euro geschätzt. Der Koalitionspartner SPD betrachtet die Querelen in den Unionsparteien mit klammheimlicher Freude. Noch in den Koalitionsverhandlungen hatte die SPD die PKW-Maut abgelehnt, sich dem CSU-Wunsch aber letztlich gebeugt. Dobrindts niedersächsischer Kollege Olaf Lies (SPD) riet ihm, seinen Plan fallen zu lassen. "Man ist gut beraten, ein Projekt zu beenden, das zum Scheitern verurteilt ist". Am Rande Schäubles Medienschelte mit ausgestreckter Zunge Genervt ist Wolfgang Schäuble vor allem, wenn interne Papiere aus seinem Haus an die Öffentlichkeit gelangen und er sich dazu äußern soll. Am"Tag der offenen Tür" der Bundesregierung in Berlin versuchte sich der CDU-Politiker vor Besuchern der Bundespressekonferenz mit einer neuen Form der Medienschelte: Er steckte gut gelaunt die Zunge raus, nachdem er zuvor auf seine Art erklärt hatte, dass in den Medien schon mal "gelegentlich gewisse Verzerrungen der Wirklichkeit institutionell passieren können". Anschließend musste er über sich selbst lachen. jök