Ingenieurin grüner Verkehrspolitik

Beim Thema Pkw-Maut kann sich Valerie Wilms richtig aufregen. "Wer so 'ne Nummer zulasten des Steuerzahlers fährt, gehört eigentlich nicht länger auf den Posten des Bundesverkehrsministers", empört sich die Oppositionspolitikerin im Gespräch mit der VerkehrsRundschau. Doch die "Dobrindt-Maut" ist in ihren Augen längst abgehakt. Wilms bringt daher schnell ein anderes Thema ins Spiel: Wichtiger ist ihr eine nachhaltige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Und da rückt der Lkw in den Vordergrund. Grün, aber nicht ideologisch geprägt Wilms spricht nicht direkt von einer Erhöhung der Lkw-Maut, doch wird deutlich, dass sie die Abgabe mittelfristig für zu niedrig hält. Während die "Schienenmaut" nach dem Vollkostenprinzip erhoben werde, sei die Lkw-Maut nach oben gedeckelt. "Jede Abgabe, die für die Nutzung der Verkehrswege erhoben wird, muss verursachergerecht gestaltet werden", betont Wilms. Und der Schwerverkehr belaste die Straße nun einmal 60.000 Mal mehr als ein Pkw. "Bei den Wegekosten müssen deshalb die Lärmbelastung sowie die CO2-Emissionen stärker berücksichtigt werden". Zudem gehöre die ab Oktober bestehende Mautlücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen geschlossen. Auch wenn die Tarife "deutlich geringer" ausfallen sollten als für den Schwerlastverkehr, könnte dadurch etwa eine Milliarde Euro für den Verkehrshaushalt generiert werden. Da bringt Wilms noch eine weitere "Mautlücke" ins Gespräch. In ihrem Heimatland Schleswig-Holstein fallen ihr immer häufiger die 100-Tonner auf, die des Nachts mit Castoren oder Teilen für Windkraftanlagen per Ausnahmegenehmigung unterwegs seien. Diese Großraumtransporte, die von den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung abweichen, verursachten eine noch stärkere Beanspruchung der Straßen, ohne dass das Gewicht kostenmäßig zu Buche schlage. "Das muss geändert werden". Die 61jährige ist gelernte Diplom-Ingenieurin, hat keine Angst vor technischen Details - ganz im Gegenteil. Beim Thema Lang-Lkw wird Wilms grundsätzlich. "Die Grünen sind keine Verhinderungspartei". Dass sich jetzt das grünrot regierte Baden-Württemberg und das rotgrün geführte Nordrhein-Westfalen an dem Feldversuch beteiligen, sei ein Beleg dafür. Wichtig ist Wilms, dass der Lang-Lkw nicht zur Konkurrenz für den Schienengüterverkehr wird. Man könne zeitlich begrenzte Lizenzen gegen Kostenerstattung vergeben, wenn ein Unternehmen die Freigabe einer bestimmten Strecke beantrage. Wilms wird nicht zu den ideologisch geprägten Politikerinnen der Grünen gezählt. Eine schwarzgrüne Koalition im Bund ist für sie daher kein Teufelszeug. Auf die Frage, welche verkehrspolitischen Hindernisse einem Bündnis mit den Unionsparteien entgegenstünden, muss sie erst einmal einen Moment nachdenken. "Wenn da einer meint, man muss bauen, dass man nie wieder im Stau steht, geht das nicht. Deutschland ist ein verkehrlich erschlossenes Land ohne große weiße Flecken. Es geht nur noch um wenige dauerhafte Engpässe". Kürzlich hat sie ein Positionspapier vorgestellt, nahezu im Alleingang mit erheblicher Resonanz. Kernstück ist die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft im Besitz des Bundes, der Betrieb, Erhalt und Sanierung des Bestands übertragen wird. Da sprach Wilms häufig von der "Anschlussfähigkeit", also von einem Wettbewerb der Vorstellungen mit der großen Koalition. "Mit Ressortchef Alexander Dobrindt komme ich ganz vorzüglich aus", berichtet Wilms, aber "fachlich geht das diametral auseinander". Zur Person Valerie Wilms, 1954 in Hannover geboren, wurde 2005 Mitglied der Grünen. Die promovierte Diplom-Ingenieurin gehört dem Bundestag seit 2009 an, zuletzt platziert auf Platz drei der Landesliste Schleswig-Holstein. Im zweimonatigen Rhythmus empfängt sie ihre Gesprächspartner auf dem "Grünen Sofa". "Es soll kontrovers sein und nicht das, was manche als 'klassisch Grün' bezeichnen würden", sagt die Abgeordnete. "Ich will mit meinen Gästen und Leuten ins Gespräch kommen und dazu lernen. Ich freue mich auf Widersprüche und neue Gedanken." jök.