Interview: In der Situation kann kein Politiker Nein sagen

Im Moment haben Sie als Verantwortlicher für Brücken in NRW viel zu tun ... Ja, wir sind im Moment schon sehr gefordert. Es vergeht kaum eine Woche ohne neue Meldungen über eine Brücke, die nicht mehr lange zu halten ist und für Schwertransporte oder im Einzelfall sogar für alle Lkw gesperrt werden muss. Aber nicht alle Brücken sind für den Güterverkehr so wichtig wie die Rheinbrücken. Wie viele Brücken müssen ersetzt werden? Wir haben uns die Aufgabe gestellt, insgesamt zunächst rund 800 Brücken im Zuge unserer wichtigsten Verkehrswege in Nordrhein-Westfalen unter die Lupe zu nehmen. Davon haben wir mittlerweile schon knapp 250 nachgerechnet und es zeigt sich, dass mehr als die Hälfte unserer Großbrücken in den nächsten rund 15 Jahren komplett erneuert werden muss. Wir gehen dabei von einem Finanzbedarf von 4,5 Milliarden Euro alleine für die Brücken im nordrhein-westfälischen Bundesfernstraßennetz aus. Wenn man die Landesstraßenbrücken hinzunimmt, kommen noch mal 700 Millionen Euro dazu. Ist das überhaupt zu finanzieren? Dazu gibt es überhaupt keine Alternative, die erforderlichen Mittel müssen zur Verfügung stehen. Kein Politiker könnte es sich erlauben, diese Frage zu verneinen. Und bislang hat uns der Bund noch immer die für eine Brückenertüchtigung oder für einen Ersatzneubau benötigten Mittel zur Verfügung gestellt. Wenn wir allerdings darüber hinaus auch noch den dringend erforderlichen Ausbau unserer Hauptautobahnen auf sechs Fahrspuren umsetzen und unsere überlasteten Autobahnkreuze umbauen wollen, dann muss viel mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Über die Wege, wie diese Mittel hereinkommen sollen, wird zurzeit aber noch diskutiert. Waren die Sperrungen absehbar? Nein. Was sich hier gezeigt hat, ist wirklich überraschend eingetreten. Die Brücken sind gerade einmal 50 Jahre alt und jetzt sprechen wir schon von Ersatzneubau. Der Stahl reißt mittlerweile an Stellen, wo wir es nicht erwartet hatten. Zur Leverkusener Rheinbrücke hatten uns Experten Mitte 2012 zwar schon gesagt, dass sie ziemlich marode ist, aber sie haben uns noch Hoffnung gemacht, dass die Brücke bis 2025 durchhalten würde. Ende 2012 sind dann plötzlich Schäden an tragenden Teilen deutlich geworden, die zu einer ersten Sperrung für Lkw führten. Allerdings muss man auch sehen, dass sich das zulässige Höchstgewicht der Lkw seit den 50er Jahren von 24 Tonnen auf 44 Tonnen erhöht hat. Zudem hat sich das Verkehrsaufkommen dramatisch erhöht. Hinzu kommen jährlich über 100.000 Schwertransporte, die die Brücken extrem belasten. Kommen noch weitere Sperrungen? Der Handlungsbedarf wurde erkannt - deshalb rechnen wir die Brückenstatik jetzt ja auch systematisch nach. Dann wissen wir für jedes einzelne Bauwerk genau, ob wir ertüchtigen oder erneuern müssen. Die Brücken mit den ganz kritischen Konstruktionen haben wir bereits überprüft, trotzdem besteht jeden Tag das Risiko, dass wir eine weitere Brücke"ablasten" müssen. Die Maßnahmen reichen dann von Sperrungen oder Überholverboten für Lkw bis zur Wegnahme von Fahrspuren oder Spurverschwenkungen hin zur Brückenmitte.

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