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Im Ausland gilt deutscher Mindestlohn als Protektionismus

20.01.2015 10:34 Uhr
Im Ausland gilt deutscher Mindestlohn als Protektionismus
Fahrer sollen in Deutschland Mindestlohn erhalten - auch wenn sie bei einem Unternehmen mit Sitz im Ausland angestellt sind 
© Foto: VR/André Gieße

Dass auch Unternehmen aus dem Ausland ihren Fahrern den Mindestlohn von 8,50 Euro in Deutschland zahlen sollen, ruft in Brüssel Kritiker auf den Plan.

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Brüssel. Seit Jahresbeginn gilt in Deutschland der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde, grundsätzlich auch für das Transportgewerbe. Das sei ein „wichtiges Instrument für mehr Fairness im Wettbewerb“ der Branche, lobte Adolf Zobel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), die Maßnahme. Daran gibt es jenseits der deutschen Grenzen große Zweifel. Vor allem in Polen wirft man den Deutschen vor, sie versuchten, ihr Transportgewerbe vor der Konkurrenz aus anderen EU-Staaten zu schützen. Die polnische und die ungarische Regierung haben die EU-Kommission aufgefordert, gegen den „deutschen Protektionismus“ vorzugehen.

In der Kommission wird eingeräumt, dass der deutsche Mindestlohn sich an den „sozialen Intentionen orientiert“, die von der EU verfolgt werden. Das bedeutet aber noch nicht, dass jede einzelne Bestimmung, die seit dem 1. Januar auf den deutschen Straßen gilt, mit den einschlägigen europäischen Vorschriften übereinstimmt. Im Bundesarbeitsministerium hat man daran keinen Zweifel: „Wir sind der Auffassung, dass die Entsenderichtlinie der von uns vertretenen Auffassung über die Anwendung des Mindestlohngesetzes auf ausländische Arbeitnehmer nicht entgegensteht“, sagt der Sprecher des Ministeriums, Dominik ­Ehrentraut. Dass die deutschen Vorschriften mit den Regeln des Binnenmarktes vereinbar sind, bezweifeln indes die holländischen Abgeordneten Philippe de Backer und Matthijs van Miltenburg. Ihnen geht es weniger um den Mindestlohn selbst, als um den damit verbundenen bürokratischen Aufwand. „Es ist noch nicht abzusehen, wie die deutschen Behörden überprüfen, ob internationale Arbeitgeber die neuen Vorschriften einhalten“, heißt es in einer parlamentarischen Anfrage der beiden Abgeordneten an die EU-Kommission.

Transporte als „unkalkulierbares Risiko“

Der Zoll, der die Mindestlohn-Vorschriften kontrolliert, verlangt eine umfangreiche Dokumentation in deutscher Sprache für alle Fahrten, die von ausländischen Unternehmen in Deutschland durchgeführt werden. Das gilt für Kabotage-Fahrten, grenzüberschreitende Transporte oder Transitfahrten. Wer die Dokumentations-Regeln nicht einhält, muss mit Geldbußen bis zu 30.000 Euro rechnen. Unter diesen Umständen werde ein Transport durch Deutschland zu einem unkalkulierbaren Risiko, sagt van Miltenburg. Das widerspreche dem Grundsatz des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, einem Kernprinzip des europäischen Binnenmarktes. Ähnliche Bedenken haben seine Fraktionskollegin Gesine Meissner (FDP) oder die dänische Abgeordnete Ulla Tornaes sowie der Litauer Antanas Guoga.

Das Nachbarland Frankreich geht bei der Umsetzung des Mindestlohns nicht so weit. Dort müssen nur französische Transportfirmen ihren Fahrern den Mindestlohn SMIC zahlen. Wenn jedes EU-Land die Anwendung seiner Lohnvorschriften auch von ausländischen Transportfirmen verlangen würde, sagt der Sprecher des französischen Branchenverbandes FNTR, Nicolas Paulissen, müsste man für einen Transport von Hamburg nach Nordfrankreich vier unterschiedliche Löhne zahlen. Das sei vor allem wegen der damit verbundenen Dokumentation vollkommen unpraktikabel.

Die Kommission will vorerst keine klare Position beziehen im Streit zwischen den Deutschen und ihren Nachbarn. Sie will in den nächsten Wochen zusammen mit den jeweils zuständigen Bundesbehörden einen gemeinsamen Standpunkt suchen. Sollte das nicht möglich sein, könnte Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. (tw)

Hintergrund:

Was ausländische Arbeitgeber für „mobile Tätigkeiten“ den deutschen Behörden vorab melden müssen:

  • Beginn und voraussichtliche Dauer der Werk- oder Dienstleistung, Familiennamen, Vornamen und Geburtsdaten der von dem Arbeitgeber in Deutschland voraussichtlich beschäftigten Arbeitnehmer inklusive der voraussichtlichen Beschäftigungsdauer (als Anlage zur Anmeldung).
  • die Anschrift, an der die nach § 17 MiLoG oder § 19 AEntG erforderlichen Unterlagen (insbesondere Arbeitsverträge, Arbeitszeitaufzeichnungen, Lohnabrechnungen, Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen) bereitgehalten werden. (tw)
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