Hat man das nicht alles schon mal gehört?

Der Minister rief, der Staatssekretär moderierte. Entsprechend hoch waren die Erwartungen. Und (fast) alle waren sie da. Von A, B, C - AfD, Bündnis90/Die Grünen, CDU/CSU - bis halb nach links. Auch wenn die Logistik sicher nicht zu Sarah Wagenknechts Kernkompetenzen zählt, man hätte sich die linke Kampfamazone als Teilnehmerin gewünscht, damit wenigstens einer das Podium aufmischte. So ging man nach 75 Minuten mehr oder weniger enttäuscht in Richtung Fleischtopf. Geheuchelte Harmonie von den Regierungsparteien, eine zahnlose Opposition, die sich in einem Fall mal der Details annehmen wollte - statt immer nur die große Dinge zu diskutieren. Gut, wir wissen jetzt, der FDP-Teilnehmer wohnt zwischen Bruchsal und Karlsruhe. Entsprechend oft thematisierte er lokale Probleme. Mehr an Details gab es aber nicht. Selbst der Grüne, den man bei anderen Diskussionen als Quell kontroverser Statements genossen hat - heute eher still, überließ bei Doppelmeldungen meist den anderen Podiumsteilnehmern das Wort - irgendwie seltsam resigniert. Ganz interessant auch der Pawlow'sche Reflex, wenn ein AfD-Abgesandter auf dem Podium sitzt. Sie wissen, das Wasser läuft im Munde zusammen, sobald der Schritt des Hundehalters sich nähert. Nur, dass es in dem Fall nicht der Speichelfluss war, sondern das Gegeifer der SPD-Widersacherin, sobald der arme Alternativling etwas sagte. Zugegeben, ich mag auch nicht jeden in der Riege der Deutschtümler. Aber der Mann, immerhin ein Doktor (der seinen Titel noch hat; bei einem Politiker eher ein seltener Fall ...) hat zum Thema Brennstoffzelle promoviert. Da würde ich mal unterstellen, dass er beim Thema alternative Antriebe unter Umständen ein wenig mehr Fachwissen mitbringt als so ziemlich jeder andere in der Runde. Dass er sich dann in eine Pauschal-Verunglimpfung des E-Lasters versteigt, hat ihm dann eher mehr geschadet. Fast ist man geneigt zu sagen: typisch AfD ... Wunschkonzert statt Konkretes Für jedes "wir wollen", "wir möchten", "wir planen" im Verlauf der weiteren Diskussion einen Euro, und der Abend im teuren Edel-Italiener wäre finanziert gewesen. Nun gut, meist gehen sinnvollen Taten Überlegungen voran. Aber viele dieser Überlegungen hat man entweder schon tausendmal - nein, nicht berührt - aber gehört. Anderes ist, dem Innovationsplan 2030 geschuldet, so weit in die Zukunft gerichtet, dass es viel mehr Vision als realisierbare Umstände sind. Immerhin erfrischend, ein Kommentar aus dem Auditorium, man möge doch nicht ständig von übermorgen sprechen, sondern die aktuellen Probleme endlich anpacken. Das brachte dem Mann, der sonst gerne auch mal als Querulant bezeichnet wird, eine Verkehrsakademie in Kulmbach leitet - dessen Name mir aber leider gerade entfallen ist - den lautesten Applaus des Tages ein. Ansonsten immer die gleichen Redner, vielfach die gleichen Fragesteller aus dem Publikum. Der Kollege eines Logistik-Fachblattes, den ich eigentlich für seine Kompetenz sehr schätze, stellt die Frage, warum man die 3,5- bis 7,5-Tonner nicht endlich bemautet, um die - Achtung, das böse Wort: Polensprinter endlich in ihre Schranken zu verweisen. Abgesehen davon, dass die maximal 3,49 Tonnen haben, somit auch dann keine Maut zahlen würden, fühlt sich ausgerechnet "halb links" dazu hingerissen zu antworten, dass man genau abgewogen hätte: die positiven Auswirkungen im Hinblick auf die osteuropäischen Kleinlasterfahrer gegen die negativen für die deutschen Handwerksbetriebe. Hallo! Das ist nicht mal Äpfel mit Birnen verglichen. Das sind Kirschen und Melonen ... Der Osteuropäer ist schuld ... Ach ja, dann noch die als Referat gestellte Frage des Abgesandten einer selbsterklärten Interessenvertretung für Kleinunternehmer (die sonst mal gerne auf die Jagd nach AdBlue-Blockern geht und das dann medial in den Öffentlich Rechtlichen als Hetze gegen osteuropäische Transportunternehmer platziert) - Laster Pro, oder so ähnlich: Wann man denn endlich etwas tut gegen die bösen großen deutschen Unternehmen, allen voran DHL und Schenker, die osteuropäische (schon wieder ...) Unternehmer beschäftigen, die wiederum Fahrer zu Dumpinglöhnen auf die Autos setzen, knechten und dann auch noch - im Falle von Schenker - die aus Steuergeldern finanzierte Bahn-Mama schädigen, weil der durch den unfairen Wettbewerb auf der Straße Kapazitäten auf der Schiene abgehen.Gut, jetzt muss ich fair bleiben. Da ist natürlich etwas dran. Das Dumme aber war, dass die eigentliche Problematik genau drei von 75 Minuten angesprochen wurde: eine nötige gesellschaftliche Veränderung, um die aktuellen und künftigen Missstände in der Logistik zu beseitigen. Und es ist äußert schade, dass man die anwesenden Journalisten der Tagespresse nicht mehr darauf sensibilisiert hat. Nicht DHL und Schenker sind böse, nicht diejenigen, die einen Polensprinter beauftragen. Wir als Verbraucher sind es! Wir, die wir kostenlose Rücklieferungen haben wollen. Wir, die mit unserer Individualmobilität den Wirtschaftsweg Autobahn blockieren. Wir, die wir zwar fordern "Güter auf die Bahn", die aber sofort protestieren, wenn Projekte wie der geplante Brennerzulauf unsere Kreise stören könnte. Die Logistiker wissen, dass es so ist. Aber die sogenannte breite Masse hat keinerlei Einblick in das Thema. Und wenn das Podium dann diskutiert, dass man "die Leute" aufklären und mitnehmen muss, ist das meines Erachtens müßig. Natürlich will ich in keinem Staat wie China leben, wo ohne Rücksicht auf Natur sowie Menschen und ihre Bedürfnisse Infrastruktur verwirklicht und Lebensraum zerstört wird. Aber alles mit jedem bereden zu wollen hilft nicht weiter - und dauert viel zu lange. Ultima Ratio: Die Räder stehen still Wenn drei Tage kein Lkw fährt, ist das leere Regal im Supermarkt ein wunderbarer Aufmerker, dass Individualinteressen gegenüber dem großen Ganzen zurückstehen müssen. Vielleicht ist das die Sprache, die verstanden wird, um in vielen - wenn nicht sogar allen - Bereichen schneller zum Ziel zu kommen. Ja, ich höre die Skeptiker schon wieder sagen: Die Brechstangen-Methode ist der falsche Weg und Streiken gehört nicht zur Mentalität der deutschen Transport- und Logistikunternehmen. Da entgegne ich nur: Manchmal erreicht man mehr, wenn man eine gelbe Weste anzieht, als wenn man ewig nur palavert. Überflieger Drohnen und Flugtaxis Das Lieblingsthema des VerkehrsministersBundesverkehrsminister Andreas Scheuer nutzte die Nationale Konferenz, um über sein offensichtliches Lieblingsthema zu sprechen: Drohnen und Flugtaxis. Dazu stand ein interessanter Workshop auf dem Programm, bei dem zahlreiche Experten über das Thema "Testfelder für Drohnen und Flugtaxis" sprachen. Die Erkennntis für den zunächst unbeleckten Zuhörer: Da tut sich deutlich mehr, als man zunächst vermuten würde. Längst ist das Thema über bloße Spinnerei hinaus - das zeigt unter anderem ein Vortrag des TuF, des Testfeldes für unbemanntes Fliegen. Dort sammelt man seit vielen Jahren Erfahrungen und neben namhaften Partnern wie Airbus oder der Telekom sind es vor allem Hochschulen und mittelständische Unternehmen, die dem Thema zum Durchbruch verhelfen wollen.Bereits jetzt werden existierende Regularien geübt und Prozeduren geprüft, die Sicherheit der Luftfahrt auch mit Drohnen und Flugtaxis sicherzustellen. Eine weitere Aufgabe sieht das TuF in der Verifizierung neuer Technologien. Grundsätzlich sind Drohnenflüge aktuell beschränkt. Mit entsprechenden Genehmigungen versehen werden aber jetzt schon längere Flüge auch außerhalb des Flug-Beschränkungsgebietes durchgeführt, um Erfahrungen zu sammeln. Ein Thema, mit dem man sich auch beschäftigt: 4G-/5G-Technologie, denn Drohnen und Flugtaxis müssen vernünftig kommunizieren, um in den Luftverkehr integriert werden zu können. Auch da sammelt man Erfahrungen - etwa die, dass es nicht genügt, die Antennen einfach "aufzudrehen". Wer das Thema als Spinnerei abgetan hat, wurde eines Besseren belehrt. Und gut zu wissen, dass es nicht nur in China en vogue ist. gg Kommentar Darf ein Redakteur das? Eigentlich dient das Editorial der Verkehrs-Rundschau dem Redakteur dazu, seine Meinung zu äußern. Dafür reicht aber in diesem Fall der Platz nicht. Ich hatte mir von der Podiumsdiskussion viel versprochen - und war nach deren Ende umso enttäuschter. Der Beitrag entstand noch mit frischem Eindruck im Zug. Und ich wollte meine Meinung "los werden". Mich würde interessieren, was Sie dazu sagen. Schreiben Sie mir.Gerhard Grünig Chefredakteurgerhard.gruenig@springernature.com

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