Schneller unter der Ostsee

Vom Fehmarnbelt-Tunnel kann Burchardt Transporte gleich zweifach profitieren. Weil der Schüttgutspezialist aus dem holsteinischen Oldenburg häufig nach Skandinavien fährt, freut sich Inhaber Frank Burchardt bereits heute auf schnellere Touren nach Kopenhagen, Malmö und zu anderen Metropolen im Norden. Zudem ist er der Kooperation Baltic Facility Solutions (FS) beigetreten. 21 mittelständische Firmen aus Bauwirtschaft und -handwerk, der Logistikbranche und anderen Wirtschaftszweigen wollen sich gemeinsam um Aufträge für das sieben Milliarden Euro teure Jahrhundertbauwerk und seine Schienenanbindung ab Lübeck bewerben. Vor allem für Letztere rechnet sich Burchardt gute Chancen für Baltic FS aus. "Die Zufahrtstrecken sind auch für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Region wichtig", erklärt der Firmenchef. "Künftig wird es endlich eine zweispurige und elektrifizierte Trasse geben, die viele Dörfer umfährt und diese als touristische Ziele attraktiver macht." Die Chancen, dass Burchardt und seine 20 Baltic FS-Partner bald Bauaufträge für Tunnel und Trasse erhalten, sind jetzt spürbar gestiegen. Ende Januar hat das Amt für Planfeststellung Verkehr (APV) in Kiel den lange erwarteten Planfeststellungsbeschluss für den deutschen Abschnitt des rund 18 Kilometer langen Tunnels zwischen Puttgarden und Rødby erlassen. Zwei Wochen konnten potenzielle Kläger alle Unterlagen einsehen. Noch bis Mitte März konnten sie beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vorstellig werden. Und Klagen werden kommen. Allein während des Planfeststellungverfahrens musste das APV rund 12.600 Einwendungen berücksichtigen. Mit deren Zurückweisung werden sich Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen, die seit Jahren gegen den Tunnel protestieren, kaum zufrieden geben. Vor dem Jahr 2020 rechnet die schleswig-holsteinische Landesregierung deshalb nicht mit einem Baubeginn. Nägel mit Köpfen macht derweil die Deutsche Bahn. Etwa 55 der über 88 Kilometer langen Trasse ab Lübeck sollen neu gebaut werden. 2019 will die Bahn diverse Streckenvarianten der 1,7 Milliarden Euro teuren Modernisierung prüfen. 2020 soll das Eisenbahnbundesamt (EBA) die ersten von insgesamt sieben Planfeststellungsbeschlüssen treffen. Eröffnung aktuell für 2028 geplant Bis 2027 soll der Bau der Trasse abgeschlossen sein, ein Jahr vor der Eröffnung des Tunnels. Diese ist gegenwärtig für 2028 geplant. Die Trassenplanung ist jedoch auch eine Rechnung mit Unbekannten. Klagen gegen die EBA-Planfeststellungsbeschlüsse können die Bauarbeiten ebenfalls verzögern. Für die Straßenanbindung liegen diese bereits vor. Gegen den vierspurigen Ausbau der B 207 ab Heiligenhafen wehren sich auch einige Kommunen, die mit den angedachten Trassenverläufen und Lärmschutzmaßnahmen nicht einverstanden sind. Grundsätzlich zeigen sich die Gemeinden aber aufgeschlossen gegenüber dem Tunnel, versichert Holger Matzen, Kontraktlogistikchef der Spedition Voigt in Neumünster. "Manche möchten neue Gewerbegebiete ausweisen", versichert der Vorsitzende des örtlichen IHK-Arbeitskreises Logistik. Andere Hindernisse sind schon aus dem Weg geräumt. So wird der Großbau kaum an finanziellen Fragen scheitern. Die staatliche Betreibergesellschaft Femern A/S, die den Tunnel bis zum Übergang auf deutsches Staatsgebiet realisiert, will das Budget - das derzeit inklusive Reserven bei acht Milliarden Euro liegt - mit Staatsbürgschaften absichern. Das Prüfverfahren, das der EU- Gerichtshof dazu angemahnt hat, wird allerdings den Bau verzögern, zumal die Reedereien Scandlines und Stena Line erneut geklagt haben (siehe Kasten). Die EU fördert den Tunnel mit über eine Milliarde Euro. Ansonsten laufen auf der dänischen Insel Lolland bereits die ersten vorbereitenden Bauarbeiten. So werden die knapp 120 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zweigleisig erweitert und elektrifiziert sowie in Rødby Erschließungsstraßen, Radwege und Rohrleitungen gebaut. Zudem ziehen die Dänen seit September 2018 eine neue Eisenbahnbrücke zwischen den Inseln Falster und Seeland hoch, die für die Anbindung Kopenhagens wichtig ist. Künftig sollen Schienenverkehre ab Hamburg die dänische Hauptstadt in zweieinhalb statt bislang fünf Stunden erreichen. Der dänische Branchenverband ITD sieht vor allem im geplanten Betreibermodell Chancen für die weitere Entwicklung des inselreichen Landes. Wird der Fehmarn-Tunnel vollständig per Maut finanziert, bleibt mehr Geld für andere Infrastrukturprojekte. Geplante Großbrücken über das Kattegat und den Großen Belt etwa könnten Touren über Jütland verkürzen. Für die meisten Logistikdienstleister zählen vor allem die Zeitvorteile, die der Tunnel eröffnet. "Damit werden unsere Linientransporte nach Skandinavien noch planbarer", sagt etwa Charles Prussky, Geschäftsführer von PostNord Logistics in Lübeck. Den größten Zuspruch findet der Tunnel erwartungsgemäß bei den KV-Speditionen, die damit endlich eine Alternative zu den zeitraubenden Schienenverkehren über Jütland anbieten können. "Der Tunnel und die Trassen werden den Gütertransport auf der Schiene stärken", ist Stev Etzroth, Vertriebsleiter der Spedition Bode in Reinfeld, überzeugt. Über das Verlagerungspotenzial rätseln die Verkehrsexperten noch. Die Deutsche Bahn rechnet mit täglich 78 Güterzügen. Allerdings gelten diese Prognosen für das Jahr 2025, wenn der Tunnel mit Sicherheit noch nicht fertig sein wird. Mehr dazu im Dossier Skandinavien und Nordeuropa www.verkehrsrundschau.de/dossiers Zukunft der Fähren Streit um die ZufahrtswegeVor dem Kopenhagener Stadtgericht haben die Fahrlinienanbieter Stena Line und Scandlines eine neuerliche Klage gegen den dänischen Staat eingereicht. Sie wollen sicherstellen, dass Femern A/S bisher gezahlte Beihilfen zurückzahlt. Die Unternehmen reagieren auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der eine von der Europäischen Kommission erteilte Genehmigung für Beihilfen annulliert und deren Überprüfung angemahnt hat. Dies hat der dänische Staat bislang unterlassen.Vor allem Scandlines ist daran interessiert. Die Fährgesellschaft, die heute allein Linienverkehre zwischen Puttgarden und Rodby anbietet, möchte diese nach dem Tunnelbau unter Umständen weiterführen. Voraussetzung ist ein "gleichwertiger" Zufahrtsweg zum Fährhafen. Weil dieser den gegenwärtigen Planungen zufolge nicht gewährleistet scheint, schließt die Fährgesellschaft auch eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des APV in Kiel nicht aus. bot