Hamburg. Wissenschaftler sehen im autonomen Fahren „riesige Potenziale“ für die Verkehrswende. Intelligent in den öffentlichen Verkehr integriert, könnten sie das Verkehrsaufkommen drastisch reduzieren, das Klima schützen und die Verkehrssicherheit erhöhen, sagte Andreas Knie, Forschungsgruppenleiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) am Mittwoch bei der Vorstellung eines von mehreren Grünen-Fraktionen in Auftrag gegebenen Gutachtens in Hamburg.
Auch wenn es noch mindestens 20 Jahre dauern werde, bis sich selbst disponierende Fahrzeugflotten vollständig autonom unterwegs seien, müssten bereits jetzt die politischen Entscheidungen dafür getroffen werden. Ansonsten könne der zunehmende Automatisierungsgrad – der von der Autoindustrie als Antwort auf die Probleme des Verkehrs vermarktet werde – auch zu einer Zunahme der Fahrzeugzahlen und insbesondere in den Städten zu noch mehr „Flächenkonkurrenz“ mit ÖPNV und Fahrradverkehr führen, warnte Knie.
Zahl der Fahrzeuge könnte drastisch reduziert werden
„Das Gutachten zeigt das riesige Potenzial des autonomen Fahrens für unser tagtägliches Mobilitätsverhalten auf“, sagte der Hamburger Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. Bei einem Betrieb mit tatsächlich autonomen Flotten könne „die Zahl der Fahrzeuge auf unvorstellbare 40 bis 50 Einheiten pro 1000 Einwohner gesenkt werden“, sagte Knie. Das sei aber frühestens 2040 zu erreichen.
In der Verkehrsplanung könne man das autonome Fahren so einsetzen, dass „wir am Ende eine andere Stadt haben“, sagte Tjarks. Derzeit gebe es in der Hansestadt 795.000 Fahrzeuge. „Die Autos beparken eine Fläche von Binnen-, Außenalster, Stadtpark, Ottensen und St. Pauli.“ Durch vollständig autonome Flotten ließe sich diese Fläche auf ein Zehntel reduzieren. „Dann sind wir vielleicht nur noch bei der Binnenalster.“
Autonomes Fahren macht neue Regelungen nötig
Der Verkehr von morgen müsse „hoch performant, sozial ausgewogen und nachhaltig organisiert“ sein, sagte Knie. „Um dieses Ziel zu erreichen, müssen öffentliche Aufgabenträger zu Regieeinrichtungen für alle öffentlichen Verkehre umgebaut werden und es braucht eine ermöglichende Regulierung auf Bundesebene“, sagte Knie. Um der Entwicklung gerecht zu werden, brauche man in Deutschland einen „regulatorischen Experimentierraum“.
Das WZB hatte das Gutachten auf Initiative der Bürgerschaftsfraktion der Hamburger Grünen unter Beteiligung der Fraktionen in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erstellt. (dpa)