Köln/Berlin. Die Güterbahnen sehen sich in der Lage, in der Corona-Krise zusätzliche Verkehre in Deutschland und im grenzüberschreitenden Verkehr für Industrie und Handel zu übernehmen. Darauf haben jetzt das Netzwerk europäischer Eisenbahnen (NEE) und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hingewiesen.
Nur wenig Anfragen bei den Bahnen
Derzeit machen kilometerlangen Lkw-Staus an den Grenzen zum Beispiel zu Polen Schlagzeilen. Die Straßengüterverkehrsbranche warne wiederholt vor Personalmangel, weil Lkw-Fahrer in ihren Heimatländern unter Quarantäne gestellt worden seien, heißt es in der gemeinsamen Pressmitteilung von NEE und VDV. „Wenn es so ernst ist, hätten wir mehr Anfragen bei unseren Mitgliedsunternehmen erwartet, um beispielsweise die Langstrecke und grenzüberschreitende Transporte zu verlagern“, wird Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des NEE, zitiert. Ergänzend heißt es von Martin Henke, Geschäftsführer Güterverkehr des VDV: „Wettbewerbsbahnen wie auch die DB haben die Kapazitäten, wir können mehr leisten und wir wollen mehr leisten.“ Am Mittwochnachmittag habe eine Telefonkonferenz von Vertretern der Bundesregierung und der Transportwirtschaft stattgefunden.
„Einer der großen Vorteile des Schienengüterverkehrs ist, dass wenige Menschen große Mengen bewegen“, so Henke. „Damit fallen auch die Grenzkontrollen deutlich schlanker aus als im Straßengüterverkehr.“ Bisher führen die internationalen Züge weitgehend reibungslos.
Bei den Güterbahnen selbst gibt es nach Erkenntnissen beider Verbände bisher kaum krankheitsbedingte Personalausfälle über das jahreszeitlich übliche Maß hinaus. Die Güterbahnen hätten schon frühzeitig Maßnahmen umgesetzt, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. „Zum Beispiel steigt beim Personalwechsel anders als bisher zunächst der abzulösende Lokführer aus dem Führerstand aus, bevor die Ablösung in das Fahrzeug einsteigt. Damit wird eine Begegnung auf engstem Raum vermieden“, erläuterte Henke.
Stillstand von Personenverkehr: Zugpersonal kommt nicht mehr nach Hause
Gleichwohl müssten die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten, Grenzkontrollen für die Mitarbeiter des Schienenverkehrs minimieren. Nachteilig wirke sich zum Beispiel aus, dass mit einigen Nachbarländern (zum Beispiel Polen, Tschechien) der Schienenpersonenverkehr komplett eingestellt ist. Dadurch müssten die Zugpersonale auf die Straße ausweichen, um zu den grenznahen Einsatzbahnhöfen im Nachbarland zu gelangen. Dort blieben sie aber im Stau stecken.
Beide Verbände appellierten außerdem an die DB Netz AG, trotz der Corona-Krise die kontinuierliche Besetzung aller systemrelevanten Stellwerke sicherzustellen. Am Dienstagabend habe der bundeseigene Infrastrukturbetreiber wegen eines Infektionsverdachts in einem Stellwerk die Strecke Oberhausen-Recklinghausen-Hamm bis Mittwochabend 22 Uhr komplett gesperrt. Auch am Donnerstag sei sie nur stark eingeschränkt nutzbar gewesen. „Damit fällt eine Hauptmagistrale des Güterverkehrs im Ruhrgebiet aus“, erläuterte Henke.