Großer Umbau bei der DB

Es knarrt im Gebälk der Deutschen Bahn (DB). Das Staatsunternehmen steht vor Umbauten, wie es sie seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Zahlreiche Baustellen für DB-Chef Grube Ihr oberster Bauherr, DB-Chef Rüdiger Grube, hat dabei alle Hände voll zu tun. Im Personenverkehr machen die Fernbusse der Bahn mächtig Konkurrenz. Im Schienennetz kommen die jahrelang unterlassenen Instandhaltungsaufgaben als Boomerang zurück und erfordern jetzt massive Investitionen. Und mit DB Schenker (ehemals Schenker Logistics) und DB Cargo (ehemals DB Schenker Rail) lief es in den zwei Güterverkehrssparten zuletzt auch alles andere als rund. Wobei DB Schenker einen Schritt weiter zu sein scheint als DB Cargo. So soll sich das Ebit für 2015 nach Informationen der VerkehrsRundschau auf 400 Millionen Euro eingependelt haben bei einem Umsatz von 15 Milliarden Euro. Die genauen Zahlen verkündet das Unternehmen nächste Woche. Im Vergleich zum Vorjahr wäre das beim Ergebnis immerhin eine Verbesserung um 70 Millionen Euro. Beim Umsatz hingegen wäre man auf Vorjahresniveau (14,94 Milliarden Euro) gelandet. Dabei stand das Unternehmen Schenker Deutschland einst für vorbildliche Renditen im Stückgutgeschäft - vor allem unter der Ägide von Ex-Schenker-Deutschlandchef Wolfgang Monning. "Seit die Bahn im Schenker-Geschäft die Finger drin hat, ist da der Wurm drin", formuliert es ein Unternehmenskenner. So wies DB Schenker Logistics in 2014 zwar ein nahezu stabiles Ebit von 332 Millionen Euro aus. Doch mit 2,2 Prozent Ebit-Marge blieb die Logistiksparte weit hinter den Erwartungen ihrer Konzernmutter zurück, die vier Prozent Ebit-Marge gefordert hatte. Und im Landverkehr lag das Ebit bei 1,5 Prozent - deutlich unter den Zahlen, die Schenker Logistics im See- und Luftfrachtgeschäft sowie in der Kontraktlogistik erwirtschaftet hat. Alles in allem machte die Bahntochter im Landverkehr 2014 fast 6,4 Milliarden Euro Umsatz und 96 Millionen Euro Ergebnis. Margendruck erschwert das Geschäft Natürlich spielt der enorme Margendruck im Stückgutmarkt eine wichtige Rolle. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht, insbesondere Dachser macht Schenker mächtig Dampf. Etliche Probleme, die das Unternehmen hat, sollen aber auch hausgemacht sein. "Schenker drückt allein die schiere Größe", sagt Knut Heymann von Dr. Knut Heymann Management Consultants. Schenker verfüge in Europa zwar über das dichteste Landverkehrsnetz der Branche. Europa sei aber sehr heterogen. "Ein durchgängig-optimiertes profitables Landverkehrsnetz für Stückgut-, Teil- und Komplettladungsverkehre zu unterhalten, ist keine triviale Aufgabe", führt Heymann aus. "In einem solchen komplexen System die Prozesse schlank und wirtschaftlich zu halten, schafft man nur mit einer einheitlichen IT - und die fehlt." Und der Sparkurs der DB habe das IT-Problem noch verschärft. "Dadurch hat sich erst recht keiner an das Mammutprojekt gewagt", warnt Heymann. "Und jetzt tickt eine Zeitbombe. Die große Baustelle im Schenker-Landverkehr ist also die IT", resümiert der Berater. Ein weiteres Problem sei die Führungsmannschaft im Konzern, sagt ein Unternehmenskenner, der namentlich nicht genannt werden will. "Wenn eine Niederlassung rote Zahlen schrieb, hat die DB einen Controller vorne dran gesetzt", weiß er. Besser wäre gewesen, wenn sich die Manager vor Ort in der Halle selbst einen Eindruck verschafft hätten. Zumindest in puncto Management scheint die DB aus diesen Fehlern zu lernen. So rückte im Juni 2014 mit dem vormaligen Landverkehrschef von Kühne + Nagel, Ewald Kaiser, eine echte Branchengröße in den Vorstand der Schenker AG auf, der das speditionelle Geschäft von der Pike auf gelernt hat. Zudem löste soeben Kurt Leidinger den Schenker-Deutschland-Chef Hansjörg Rodi ab, der nun Chief Transformation Officer im Konzern wird. Zusätzlich stieg im Februar 2016 Michael Vogler als Nachfolger von Aloys Winn zum deutschen Landverkehrschef von Schenker auf. Vogler sei ein Mann der Praxis, gleichzeitig aber "unheimlich stark im Management und in der Entwicklung", so ein Unternehmenskenner. Er sei der Typ Manager, der morgens um fünf Uhr in die Umschlagshalle der Niederlassungen geht und sich selbst ein Bild von der Situation macht. Seitdem wird im Schenker-Konzern aufgeräumt. So verkündete Kaiser vor wenigen Monaten die Straffung des gesamten Landverkehrs-Managements in Europa: Vier Management-Regionen vereint er nun in einer. Zusätzlich wurden aus den vormals 36 Länderorganisationen 10 Länder-Cluster. Sprich: Ein Chef verantwortet künftig nicht mehr nur sein Land, sondern mehrere Länder. Das verspricht Effizienz. Außerdem könne ein Manager nie alleine 36 Länderorganisationen im Blick haben und diese weiterentwickeln, sagt Heymann. Insofern sei es richtig, mit den neuen Länder-Cluster-Verantwortlichen eine Führungsstruktur geschaffen zu haben, die selbst in der täglichen Verantwortung stehen. Alles das zeigt: Grube drückt bei DB Schenker mächtig aufs Gas: "Der DB fehlt schlichtweg Geld. Im Gegensatz zur DHL hat sie keine Portokasse. Sie hat nur eine defizitäre Güterbahn, in der seit der AG-Gründung vor 20 Jahren ein Restrukturierungsprojekt nach dem anderen folgte", sagt Heymann. Der Druck auf die Bahn sei deshalb groß, sich von ihrer weltweiten Logistik zu trennen, um sich auf das angestammte Eisenbahn-Kerngeschäft zu fokussieren. Und die Chancen für Schenker, Anteilseigner zu finden, sind gut. Stärken hat das Unternehmen zum Beispiel in der Seeund Luftfracht, wo man jeweils zu den ersten drei im Weltmarkt zählt und dort allein aufgrund der Netzgröße und der Volumina Einkaufsvorteile bei Airlines und Reedereien hat. Und auch in der Kontraktlogistik zahlt sich die Größe aus, da weltweit tätige Industrie- und Handelsunternehmen in der Regel gerne ebenfalls globale Logistikdienstleister beauftragen. Ist UPS ein potenzieller Investor? Dem Unternehmen würde es guttun, sagt Heymann, wenn ein internationaler Finanzinvestor einsteigt, der mit seinem Management-Team auf die Restrukturierung globaler Konzerne spezialisiert ist. In diesem Fall sollte weniger die Höhe des Kaufpreises eine Rolle spielen, sondern eher der Turnaround und die Wertsteigerung von Schenker. Natürlich sei auch der Verkauf an strategische Investoren eine Option, sagt Heymann. Ob aber eine 30-Prozent-Beteiligung für Interessenten wirklich attraktiv sei, bezweifelt er: "Weniger als eine Handvoll potenzieller und finanzstarker Interessenten" sehe er da. Heymann wörtlich: "Ich weiß, dass es seitens UPS schon immer Interesse an Schenker gegeben hat. Das könnte sich wundervoll ergänzen - gerade im internationalen Geschäft. Dank der Schenker-Volumina könnte UPS seine eigenen Kapazitäten in der Luftfracht besser auslasten. Zudem könnte UPS im Landverkehr von einer Integration seiner eigenen Line-Hauls in die Schenker-Stückgut-Lkw profitieren", glaubt er. Allerdings könnte der Verkauf noch an einer ganz anderen Hürde scheitern: an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Denn es gibt eine Vereinbarung zwischen dem Bund und der DB, nach der die Erlöse aus einem Anteilsverkauf von Schenker dem Bund zustehen. Kommt die Zusage von Schäuble nicht, dass die DB das Geld behalten darf, wird DB Schenker auch nicht verkauft. So die Aussage von Grube laut einem Mitglied des Aufsichtsrats (AR) der DB, das seinen Namen nicht nennen möchte. Allerdings, so das Mitglied weiter, sähe es so aus, als sei Schäuble bereit, auf das Geld zu verzichten. Deutlich größer als bei DB Schenker sind die Risse im Fundament des Schienengüterverkehrs. Für 2015 wird bei DB Cargo mit einem operativen Verlust in Höhe von 200 Millionen Euro gerechnet. Hinzu kommen Sonderabschreibungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro verteilt auf die beiden Geschäftsjahre 2015/2016. Eine schwere Hypothek, die DB Cargo da mit sich schleppt. Kritik an der Kürzungspolitik Zumal die Sparte schon seit Jahren vor sich hindümpelt und Marktanteile an die Konkurrenz verliert. Deshalb hat Grube die Reißleine gezogen und auch zahlreiche Manager ausgetauscht. Mitte letzten Jahres musste mit Alexander Hedderich der Schienengüterverkehrschef gehen, für ihn kam Jürgen Wilder von Siemens. Die wichtige Rolle als Vorstand Vertrieb hat seit Jahresbeginn Andreas Busemann inne, zuvor bei der DB Fernverkehr für die Produktion verantwortlich. Ein Unternehmens-Insider, der seinen Namen nicht nennen möchte, sieht die Personalrochaden skeptisch: "Wilder kommt aus der Industrie, kennt die Abläufe im Schienengüterverkehr nicht. Gleiches trifft auf Busemann zu." Den vom Vorstand angekündigten Personalabbau beurteilt er skeptisch: "Das ist eine Standardreaktion bei Grube, wenn ein Bereich rote Zahlen schreibt: Dann muss beim Personal gekürzt werden." Auch bei der Schließung von Güterverkehrsstellen warnt er vor Schnellschüssen: Beim Sanierungsg programm Mora C habe die Bahn 2001 ein Jahr untersucht, welche Gleisanschlüsse stillgelegt werden sollen, und weitere drei Jahre an der Umsetzung gearbeitet. Wenn jetzt vorschnell Güterverkehrsstellen geschlossen würden, sieht er die Gefahr, dass wichtige Antennenverkehre abgeschnitten und damit eigentlich rentablen Zügen Mengen entzogen werden. Qualität bei DB Cargo war "miserabel" "Das Bahngeschäft sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr ist mit einem hohen Anlagevermögen verbunden. Deshalb kommt es auf eine hohe Auslastung an. Alles andere ist irrelevant", sagt der Bahnexperte. Er empfiehlt ein flexibles Preissystem in Abhängigkeit von Zeit, Relation, Branche und den Kunden. Den Vertrieb und die Qualität in der Vergangenheit bezeichnet er als "miserabel". "Mir haben Kunden der DB immer wieder berichtet, wie arrogant das Auftreten des DB-Managements war. Hier muss die Bahn schleunigst umsteuern. Und sie muss die Qualität halten, die sie verspricht." Im Aufsichtsrat der DB scheint man geschluckt zu haben, dass das Unternehmen im Schienengüterverkehr vor einer Durststrecke steht. "Mir ist aber nicht klar, wie die guten Zahlen ab 2019 wieder zustande kommen", sagt ein Aufsichtsratsmitglied. Projekte wie die Netzwerkbahn, bei der die DB wie im Personenverkehr Güterzüge im festen Fahrplan anbieten möchte, hält das Mitglied im obersten Kontrollorgan zwar für sinnvoll: "So kann man Kunden zuverlässige Verbindungen anbieten." Aber nach wie vor würden Großkunden die Basis für das Geschäft im Schienengüterverkehr bilden. "Die werden ihre Produktion nicht an dem Fahrplan der Netzwerkbahn ausrichten. Die wollen den Zug dann, wenn sie es benötigen, und zwar pünktlich und zuverlässig." Skeptisch ist das Aufsichtsratsmitglied, dass mit einer Netzwerkbahn und der Vereinfachung der Trassenanmeldung im Internet bereits die vom Bahnvorstand versprochene Wende 2018 gelingt. Verärgert zeigt sich das Aufsichtsratsmitglied auch über die unklaren Aussagen zum Personalabbau und die Schließung von Güterverkehrsstellen. "Wir warten dazu auf Zahlen seit diversen Sitzungen. Und wie ich gehört habe, sollen auch im März keine konkreten Angaben gemacht werden." Ist Grube noch der richtige Mann? Zudem hat Bahn-Chef Rüdiger Grube auch seine Finanzzahlen deutlich verfehlt. Ursprünglich lautete seine Zielgröße im Umsatz für 2020 70 Milliarden Euro. Diesen Wert hat er im letzten Jahr auf 50 Milliarden eingedampft. Ist der 64-jährige Grube, dessen Vertrag im nächsten Jahr ausläuft, den er aber gerne verlängern möchte, noch der richtige Mann an der DB-Spitze? Dies beantwortet ein AR-Mitglied, das nicht genannt werden möchte, mit der Gegenfrage: "Hat er das richtige Team?" Der Fehler in der Vergangenheit sei gewesen, so das AR-Mitglied, der Politik das zu versprechen, was die gerne hören wollte. Diesen Fehler habe das Management jetzt eingesehen. Man darf gespannt sein, welche Maßnahmen zum Umbau des Konzerns der DB-Vorstand seinem Kontrollgremium nächste Woche in die über 1000 Seiten dicken Ordner geschrieben hat - und welche davon nach außen dringen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Deutsche Bahn www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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