Geld aus privaten Kassen

Auf lange Sicht wird der Staat nicht in der Lage sein, die erforderliche Sanierung der Verkehrswege auch nur annähernd zu finanzieren. Er sei sich relativ sicher, dass der langfristige Investitionsaufwand für Autobahnen, Schienen und Wasserstraßen "aus keinem Haushalt jemals finanziert werden kann", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in aller Offenheit auf einer Konferenz der Tageszeitung "Die Welt". Deshalb wolle er zusammen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Modell entwickeln, um mehr Investoren zu gewinnen. Auch an Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) werde er trotz aller Kritik festhalten. Rendite für Privatanleger In der jüngsten Debatte über den Haushaltsentwurf 2015 hatte Schäuble bereits erkennen lassen, dass er die Federführung bei der Mobilisierung privaten Kapitals für die Infrastruktur beansprucht. "Wir müssen über neue Formen der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten nachdenken. Investitionsprojekte müssen für Kapitalanleger Renditeerwartungen enthalten", stellte er bei der Einbringung des Etats klar. Was das für Bürger und Unternehmen bedeutet, verschwieg er nicht: "Eine stärkere Finanzierung durch die Nutzer". Der Chef des Finanzressorts zielt dabei aber offensichtlich auf die Jahre nach 2017, denn die Koalition hat eine Mehrbelastung inländischer Autofahrer durch eine PKW-Maut bis zum Ende der Wahlperiode ausgeschlossen. Bei seinem Vorstoß denkt Schäuble an die Versicherungen, die wegen der niedrigeren Zinsen für Staatsanleihen gerne mehr in die Infrastruktur investieren möchten. Wegen der Schuldenbremse sind die staatlichen Spielräume begrenzt. Deshalb wird im Finanzministerium daran gearbeitet, wie man die Anlagemöglichkeiten privater Geldgeber verbessern kann. "Dazu überprüfen wir, inwieweit Regulierung Investitionsmöglichkeiten unnötig versperrt", sagte Schäuble. Der CDU-Politiker handelt im Einvernehmen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der einen Expertenbeirat aus Vertretern der Versicherungswirtschaft, Banken, Wissenschaft und Gewerkschaften berufen hat. Ein fertiges Konzept, wie der Standort Deutschland mittels privater Milliarden saniert werden könnte, liegt bisher aber nicht vor. Eine einfache Rückkehr zu ÖPP-Projekten werde es aber nicht geben, betonte der SPD-Chef. Konkreter wurde der Schäuble-Vertraute Norbert Barthle. Es werde etwa eine Betreibergesellschaft für Bundesstraßen erwogen, der die Mauteinnahmen zufließen könnten. Außerdem könnte sich die Gesellschaft dann Geld über Anleihen beschaffen, die mit den Mauteinnahmen abgesichert würden. Der CDU/CSU-Haushaltsexperte warnte aber, ein solches Modell sei nicht billiger, weil sich der Bund mit seiner Spitzenbonität immer preiswerter am Kapitalmarkt refinanzieren könne als ein Unternehmen. Andererseits sei aber auch wahr: "Wenn man auf privates Kapital verzichtet, dauert es halt länger". Doch ist der Kurswechsel in der SPD noch lange nicht angekommen. Die Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn machte sich die Kritik des Bundesrechnungshofs (BRH) zu Eigen. "Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtschaftlich sind", hatten die Prüfer im Sommer bemängelt. Der Staat dürfe politische Steuerung und Kontrolle nicht aus der Hand geben, mahnte sie. . Kritik des Rechnungshofs Noch deutlicher wurde Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Eine private Finanzierung des Straßenbaus werde die Autofahrer "direkt oder indirekt" mit höheren Kosten belasten, als das bei einer stets preiswerteren staatlichen Finanzierung der Fall wäre, betonte der SPD-Politiker. "Schäuble offenbart, dass der Staat sich aus seiner Verantwortung zur Beseitigung des Reparaturstaus zurückziehen will". Der Staat müsse vielmehr in die Lage versetzt werden, "kreditfinanzierte Sondervermögen mit klar umrissenem Zweck wie der Sanierung von Brücken, Straßen und Schienenwegen und verbindlichen Tilgungsauflagen etwa über zwanzig Jahre aufzulegen". Als Vorbild für die Gestaltung könnte der Fluthilfefonds dienen.Nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen löst ÖPP keine Finanzierungsfragen, sondern taugt lediglich als Beschaffungsvariante: "Wenn die Bundesregierung jetzt stärker auf ÖPP beim Bau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur setzen will, dann verschiebt sie lediglich die Lösung wichtiger Grundsatzfragen. Es wird die Illusion genährt, durch die Einbindung privater Investoren könnten wir uns mehr neue Verkehrsinfrastruktur leisten", betonte der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn gegenüber der VerkehrsRundschau. Dies sei ein Trugschluss. Ähnlich wie bei Krediten würden mit ÖPP-Projekten lediglich die Finanzierungsverpflichtungen in die Zukunft verschoben. Die 'Heute-kaufen-morgen-bezahlen-Mentalität' schmälere mit jedem neuen Vorhaben die Ergiebigkeit der LKW-Maut und gehe zulasten künftiger Generationen, denn die Zinsen und Tilgung für die Konzessionsnehmer müssten über 30 Jahre mit Haushaltsmitteln bzw. Einnahmen aus der LKW-Maut bedient werden. Dobrindt scheue in Wirklichkeit eine ehrliche Debatte über die Frage, wie viel Infrastruktur Deutschland noch brauche. Neue Staffel ist in Vorbereitung Der BRH war nach der Prüfung von fünf der sechs ÖPP-Vorhaben zu dem Ergebnis gekommen, dass diese insgesamt fast zwei Milliarden Euro teurer gewesen seien als herkömmliche öffentliche Bauten. Als Hauptgrund wurde genannt, dass der Bund günstiger Kredite aufnehmen könne als die Privatwirtschaft. In der Niedrig-Zins-Phase habe dieser Vorteil noch zugenommen. Ressortchef Dobrindt lässt diese Kritik kalt. Bei der Freigabe eines Autobahnabschnitts auf der A 9, der mit privaten Mitteln sechsspurig ausgebaut worden ist, bekräftigte er vor wenigen Tagen: "Der zügige sechsstreifige Ausbau ist ein weiterer Beleg für den Erfolg öffentlich-privater Partnerschaften im Bundesfernstraßenbau. Eine weitere Staffel von neuen ÖPP-Projekten ist bereits in Vorbereitung". ÖPP - Die Modelle Was sind Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) Ab 2005 wurden ÖPP-Projekte über die sogenannten A-Modelle abgewickelt. Die Firmen finanzieren dabei nicht nur den Ausbau von Autobahnstrecken, sondern sind auch 30 Jahre lang für die Instandhaltung verantwortlich. Dafür erhält der Investor häufig eine Anschubfinanzierung und Einnahmen aus der LKW-Maut auf dieser Strecke. Das A-Modell wurde 2009 durch das V-Modell (Verfügbarkeit) abgelöst. Statt eines Entgelts auf Basis der Verkehrsmenge wird hier ein fester Betrag vereinbart. Steht der Abschnitt etwa wegen Bauarbeiten nicht voll zur Verfügung, werden die Zahlungen gekürzt. Muss wegen wachsenden Verkehrs mehr repariert werden, trägt der private Investor dieses Risiko. Beim älteren F-Modell finanziert, plant, baut und betreibt ein Privater als Konzessionär auf eigenes Risiko. Im Gegenzug wird ihm die Konzession eingeräumt, sich - in der Regel 30 Jahre lang - über die auf der Strecke erzielten Mauteinnahmen der Nutzer zu refinanzieren. Im Unterschied zum A- und V-Modell kassiert der Investor beim F-Modell die Maut direkt vom Nutzer.Die Bundesregierung hat bisher ÖPP-Projekte im Volumen von gut fünf Milliarden Euro auf den Weg gebracht. jök

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