Fuso Canter Euro 6

Fuso Canter Euro 6 Kluger Nutzlastkrösus Mit neuer 8,5-Tonnen-Version, ESP, Start-Stopp, Euro-6-Antrieb, verfeinertem Hybrid sowie Allrad mit Untersetzung erweitert Daimler das Portfolio des Fuso Canter. Und sorgt für eine Neuauflage der „Warum-noch-Atego“-Frage. Wenn da nicht mal wieder Ärger ins eigene Haus steht: Kurz vor der Fahrvorstellung des erneuerten Atego darf der überarbeitete Fuso Canter seine Qualitäten unter Beweis stellen. Nachgelegt haben die ehrgeizigen Fuso-Ingenieure aus Japan vor allem mit einer 8,55-Tonnen-Version ihres schon bisher nicht gerade nutzlastschwachen Welt-Sellers: Satte sechs Tonnen packt die Topversion des Frontlenker-Leitlasters weg, erhältlich mit den 150- und 175-PS-Versionen des 3,0-Liter-Iveco-Motors. Für Kunden wie etwa den portugiesischen Abschleppunternehmer Pedro Silva die entscheidende Tonne mehr, um legal auch zwei SUV abschleppen zu können. Fuso sieht die neue Version in Konkurrenz zu waschechten Zehn-Tonnern – und da gebe es durchaus Bedarf. In Deutschland dürfte aber die stabile Anhängerschaft des 7,5-Tonner-Segements weiter die meisten Orders für den Canter abgeben – zuletzt 90 Prozent im Modelsplit. So oder so, auch als 8,55-Tonner fährt sich der Canter wie gehabt unkompliziert und lockerleicht. Außerdem tilgen endlich Weitwinkelspiegel ein großes Manko, in dieser Version Serie, sonst Option. Serienmäßig hilft in allen Varianten eine Start-Stopp-Automatik, in der Stadt weiteres Sparpotenzial zu erschließen. Sie könnte allerdings schneller reagieren, wenn man etwa vor einer Ampel hält. Wohlgemerkt, Canters Revier bleiben Stadtverkehr und kürzere Überlandpassagen, da trumpft er mit toller Übersicht, kleinem Wendekreis und niedrigem Einstieg groß auf. Auch die weiter verfeinerte, ruckfrei und rasant sortierende, selbst auf der anspruchsvollen Serpentinenstrecke per Gaspedal spielerisch zu stimulierende Duonic-Doppelkupplung nimmt dem Fahrer viel Arbeit ab. Sonst kämpft man hier mit dem recht störrischen Schaltknauf des Fünf-Ganggetriebes. Dass man sich die 1700 Euro Aufpreis für das feine Feature trotzdem überlegen sollte, hat mit dem gewohnt souveränen, auch aus niedrigsten Drehzahlen enorm zugkräftigen Iveco-Motor zu tun. Einmal in Fahrt, gibt es eigentlich nicht mehr viel zu schalten – außer mal von Fünf auf Vier. Auch die Motorbremsleistung kann sich sehen lassen, selbst im 8,55-Tonner erspart sie den ausreichend kräftigen hydraulischen Betriebsstoppern noch einige Arbeit. Im 3,5-Tonner braucht man die Bremse eigentlich nur im Gefahrenfall. Apropos: Ein weiteres Manko beseitigt Fuso mit der Einführung des Kurvenankers ESP in allen Versionen außer Allrad, bisher ein weiteres Atego-Argument. Gegenüber dem Konzernrivalen ist der Canter auch in Sachen Gewichtszunahme durch Euro 6 „voraus“: Lediglich 30 Kilo legt der Leichtlaster mit dem höchsten Emissionsstandard zu, die Versionen bis 6 Tonnen hielten in der sogenannten Abgasstufe Euro 5b+ das Gewicht. Was dem Canter allenfalls zum neuen Atego fehlt, ist Komfort. Die wirbelmordenden portugiesischen Bodenwellen legten dieses Defizit gnadenlos offen, da hilft dann auch kein Luftfedersitz mehr. Auf normalen Straßen kommt man dagegen tadellos klar, zumal das Geräuschniveau trotz höherer Einspritzdrücke mit Euro 6 dank besserer Dämmung niedrig bleibt und die schlicht gestaltete Armaturenlandschaft mit „Schwellenland-Charme“ keinen Laut von sich gibt. Und ist schon die Basisversion gegenüber dem Vorgänger dank Start-Stopp, Leichtlaufreifen, optimiertem Kühlersystem sowie längeren Achsübersetzungen um neun Prozent sparsamer, toppt der weiter verfeinerte Canter Eco Hybrid Euro 6 die Askese noch mal. Um 23 Prozent gegenüber der Standardvariante soll der elektrisch anfahrende und „boostende“ Kollege weniger verbrauchen. Das Zusammenspiel zwischen E- und Dieselmaschine funktioniert geschmeidig, anders als beim Atego Hybrid sind die Lithium-Ionen-Akkus kaum leer zu bekommen und rekuperieren rasch. Etwa im Schiebebetrieb, wenn der 40-kW-E-Motor als Retarder agiert. „Dieser Hybrid rechnet sich“, rühmt Produktmann Erk Ronnefeld den mit 8500 Euro Aufpreis und als 7,5-Tonner-Fahrgestell noch immer 4,8 Tonnen tragfähigen, gegenüber dem Standard nur 150 Kilo schwereren Hightech-Truck aus Fernost. Er darf nicht so, wie er könnte ... Unterm Strich hätte der Canter mehr Kunden verdient. Doch dazu fehlt neben dem Image vielleicht auch der allerletzte Wille der Mutter: Schließlich soll der Fuso-Verkäufer dem Mercedes-Benz-Verkäufer dessen umsatzträchtigeres Geschäft nicht durchkreuzen. Nüchtern betrachtet, sprechen in der Stadtverteilung fast alle harten Fakten für den Canter statt Atego und Co: viel mehr Nutzlast, niedrigerer Verbrauch und Preis, höhere Wendigkeit und einfacheres Handling. Dazu ein weiter verfeinerter souveräner Antriebsstrang, wartungsfreier Partikelfilter, für den Einsatz ausreichende 40.000-km-Intervalle sowie eine serienmäßige, über den Einzelstückstatus des Atego Hybrid hinausgehende Elektro-Diesel-Version. Nur die gediegene Ausstrahlung eines echten schwäbischen Lastwagens, die hat der Canter nicht. ❙❚■ Johannes Reichel Das Doppelkupplungsgetriebe sortiert prima, nur braucht man es mit dem starken Motor kaum Ein Hybrid, der sich rechnet: 8500 Euro Aufpreis, dafür 23 Prozent Spritersparnis zum Standard Fuso Werk Tramagal Menschen statt Maschine – die Krise schrumpfte die Stückzahl „2008 war hier das letzte normale Produktionsjahr. Danach kam die große Krise“, erzählt Jorge Rosa, der Leiter des Fuso-Werks in Tramagal, 150 km von Lissabon landeinwärts am Tejo in der „portugiesischen Pampa“ gelegen. Und wie die Krise kam: Von 10.900 noch 2008 im Assembly-Werk zusammengefügten Exemplaren des europaweit beliebten Leichtlasters blieben im Folgejahr nur 2850 übrig – ein gewaltiger Absturz. 2013 hat sich die Produktion wieder auf 4500 Stück berappelt. Hoffnung für 2014 macht der geplante Export nach Marokko. Die derzeit 25 Exemplare täglich setzen die Fuso-Werker weitgehend in Handarbeit im Einschichtbetrieb zusammen. Dafür kommen pro Tag sechs Seecontainer aus Japan in Tramagal an, die andere Hälfte der Teile, etwa der Iveco-Motor, stammen von europäischen Zulieferern. Die Stückzahlen sind so niedrig, dass sich weitere Automatisierung nicht lohnt. „Das wären hohe Investitionen“, meint der Verantwortliche. Und so wird hier tatsächlich von Menschen lackiert, 1100 Schweißpunkte an der Canter-Karosse gesetzt oder ein Hinterachsdifferenzial sorgsam zusammengefügt. Der Qualität tut es offenbar keinen Abbruch: „Wir halten alle Daimler-Standards und von den Kunden kommen auch kaum Klagen“, berichtet der Fertigungsmann nicht ohne Stolz. Bald soll hier auch der elektrische Canter E-Cell entstehen, der bei unserer Visite als Prototyp durchs Werk surrt und in dessen Fertigung 5,5 der 27 Millionen Euro an Werksinvestitionen fließen. Was auch für ein gewisses Niveau spricht: Kürzlich feierte man Doppeljubiläum – Canter und das Werk Tramagal begingen fast zeitgleich ihr 50-jähriges Jubiläum. jr Fahrbericht Fahrbericht

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