Fortschritte bei der Netzwerkbahn

Vor zwei Jahren hat ICS Logistik & Transport in Freilassing den jahrelang stillgelegten Gleisanschluss wieder aktiviert. Für Kunden aus der Papier- und Holzindustrie gibt das Unternehmen jede Woche Einzelwagenverkehre auf. "Wir folgten den Wünschen von Verladern, welche ihre CO2-Bilanz verbessern wollten", berichtet ICS-Geschäftsführer Hubert Pichler. Anders als früher kann DB Schenker Rail (DBSR) heute pünktliche Abholund Zustellzeiten garantieren, berichtet der Logistiker. "Offenbar profitieren wir bereits von der Netzwerkbahn", mutmaßt er. "Gemeinsam sind sie stark": Gemäß diesem Slogan will DBSR mit sogenannten Blocking-Konzepten Einzelwagenverkehre, Ganzzüge und langfristig auch Kombinierte Verkehre (KV) zu Netzwerkbahnen bündeln. Auf Basis von Kundenanforderungen entwickelt DBSR ein festes Netzwerk und managt deren Fassungsvermögen - so der Kern des Konzepts. Der Kunde bucht spätestens zwei Stunden vor Abfahrt online oder per EDI seine Transporte. Anschließend prüft DBSR die vorhandenen Kapazitäten und entwickelt einen Transportplan mit genauen Empfangszeiten. Wenn dieser wegen Überbuchungen nicht realisiert werden kann, lädt die Konzerntochter die Sendung auf den nächsten verfügbaren Zug. Seit zwei Jahren setzt DBSR dieses Konzept um. Im ersten Schritt möchte die Konzerntochter das vorhandene Einzelwagennetz festigen. 100 kundenspezifische Blocking-Konzepte wurden bereits realisiert, Tendenz weiter steigend. "Wir haben Verlader aus der Montan-, Chemie-, Automotive-, Bau- und Konsumgüterindustrie gewonnen", sagt Gönke Kraft, Projektverantwortliche für die Netzwerkbahn. Auch mittlere Unternehmen wie ICS, die nur sporadisch Schienenverkehre aufgeben, ziehen mit.Im zweiten Schritt möchte DBSR auch Ganzzüge mit der Netzwerkbahn wirtschaftlicher machen. "Viele Züge sind nicht wirklich ausgelastet", hat Kraft beobachtet. Mit integrierten Einzelwagenverkehren könnten sie ihr Potenzial voll ausspielen. Auch der KV soll mit einbezogen werden. In Gesprächen mit KV-Operateuren werden die Chancen auf Pilotprojekte ausgelotet. "Wir werden bei jedem Einzelfall prüfen, ob mit verspäteten Ankunftszeiten, verlängerten Umlaufzeiten und erschwerten Operationen zu rechnen ist", versichert Kraft. Auf Verbindungen von Hamburg nach München und von Bremen ins Ruhrgebiet gab es bereits erste Tests. Ziel: bessere Qualität und mehr Mengen 1500 Waggons werden mit Netzwerkbahnen umgeschlagen - das sind etwa vier Prozent. Mit ihrem Konzept möchte DBSR aus Fehlern der Vergangenheit lernen. Weil bei der Annahme von Transportaufträgen keine Kapazitätsprüfungen erfolgten, erfuhren viele Mitarbeiter erst unmittelbar vor Start eines Zugs, wie viele Waggons zu welchen Zielen transportiert werden. Verspätungen oder gar Lieferausfälle waren geradezu programmiert. Als Folge wechselten vor allem Einzelwagenkunden auf die Straße. Und für Betreiber von komplexen Supply Chains kam die Schiene ohnehin nicht infrage. Auch die will DBSR mit der flexiblen Netzwerkbahn als Auftraggeber gewinnen. Kaffeeröster erspart sich Kosten So kann jeder Kunde Wunschankunftszeiten nennen. Dann ermittelt die Konzerntochter die voraussichtliche Abfahrtszeit, indem die Fahrzeiten zurückgerechnet werden. Auch der Wechsel von Ganzzügen zu Einzelwagenverkehren ist möglich, wenn diese sich als wirtschaftlicher erweisen. Gerne verweist das Unternehmen auf Mondelez International, Bremen (vormals Kraft Foods). Seit 1993 hat der Kaffee Jacobs-Hersteller seine Berliner Rösterei mit wöchentlich zwei Ganzzügen beliefert. Im Juni 2013 stieg der Konzern auf Einzelwagenverkehre um. Jeden Werktag startet in Bremen eine Netzwerkbahn mit Waggons für Mondelez. Auf Zwischenstationen wie Seelze nimmt dieser Einheiten für weitere Kunden in Berlin auf. "Wir mussten unsere Bestands- und Schichtplanungen anpassen", räumt Stefan Scheidel, Leiter Rohkaffee-Logistik von Mondelez, ein. Weil jedoch im Berliner Werk die Lagervolumina gesunken sind, darf sich der Konzern bei gleich hohen Umschlagsvolumina von jährlich 120.000 Tonnen auf Kostensenkungen freuen. Doch die Kunden müssen mitziehen, wenn das DBSR-Projekt ein Erfolg werden soll. Diese Erfahrung machte auch Thyssen-Krupp. Der Stahlkonzern unterstützte den Wechsel zur Netzwerkbahn mit zwei betriebsinternen Benchmarking-Projekten. Für Logistikleiterin Ulrike Höffken ist der Netzwerkzug "alternativlos". Ohne seine Einführung wären Einzelwagenverkehre in Deutschland gefährdet. "Wir erhoffen uns außerdem eine verbesserte Leerwagen- und Versandsteuerung mit zeitlichen Vorteilen und besserer Ressourcenverfügbarkeit", sagt die Stahllogistikerin mit Blick auf besonders kritische Kunden aus der Automobilindustrie, welche besonders viele Just-in-time- und Justin-sequence-Prozesse realisiert haben. Die DBSR darf die Fehler von Nordamerika, wo in Kanada ebenfalls eine Netzwerkbahn aufgebaut wurde, nicht wiederholen, mahnt Wolf Dietrich Geitz vom Beratungsunternehmen Railistics in Wiesbaden. "Hier wurden sämtliche Kapazitäten für Netzwerkbahnen mobilisiert", warnt der Branchenkenner. "Bei Nachfragespitzen konnten die Bahngesellschaften nicht mehr auf Reserven zurückgreifen."