Berlin/Luxemburg. Es ist das große Endspiel. Nach jahrelangen politischen Schlachten entscheidet sich das Schicksal der Pkw-Maut in Deutschland – nun aber wirklich. An diesem Dienstag verkündet der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil, auf das Mautgegner wie Mautfans schon gespannt warten. Denn es bringt endlich Klarheit in einem zentralen Streitpunkt: Ist die Nutzungsgebühr mit eingebauter Komplett-Entlastung nur für Inländer nun europarechtlich korrekt oder doch eine verbotene Benachteiligung von Autofahrern aus dem Ausland? Für Verkehrsminister Andreas Scheuer ist es die letzte juristische Hürde, um das Prestigeprojekt seiner CSU auf die Straße zu bringen.
Die Pkw-Maut hat eine lange Geschichte
Dabei ist es schon keine Kleinigkeit, dass das Vorhaben überhaupt so weit gekommen ist. Scheuer (44) war noch Schüler, da entdeckten die Christsozialen die Autobahngebühr als Wahlkampfhit. Fahrer aus dem Ausland sollten für 60 Mark Plaketten an der Grenze kaufen, schlug der CSU-Verkehrsexperte Dionys Jobst vor – und Inländer im Postamt, denen dann aber 60 Mark Kfz-Steuer erspart bleiben sollten. Das war 1984. Gut 30 Jahre später schaffte es die Idee aus den Bierzelten ins Gesetzblatt. Scheuers Vorgänger, Alexander Dobrindt (CSU), verwandte große Teile seiner Ministerzeit darauf, das heikle Projekt durch die Klippen zu steuern und löste sogar Bedenken der EU-Kommission auf.
Heraus gekommen ist eine vertrackte Konstruktion, mit der die Maut aber überhaupt erst auf die Agenda der schwarz-roten Koalition kommen konnte: Eine Gebühr, die alle zahlen, die aber unterm Strich nur Fahrer aus dem Ausland extra belastet, ohne diese benachteiligen zu dürfen. Nicht zuletzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht darauf, dass kein Inländer draufzahlt. Denn da war ja ihr Satz aus dem TV-Wahlkampfduell 2013: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Für Inländer – und nur für sie – soll die Nutzungsgebühr daher voll und ganz durch eine niedrigere Kfz-Steuer ausgeglichen werden.
Österreich stellt sich gegen Pkw-Maut
Genau über diesen Mechanismus urteilt nun das oberste EU-Gericht in Luxemburg. Es geht um eine Klage Österreichs gegen Deutschland und den Vorwurf der Diskriminierung anderer Staatsangehöriger. Dies sieht jedoch ein wichtiger Gutachter beim EuGH keineswegs so und empfahl im Februar, die Klage abzuweisen. Seine Argumentation: Fahrer aus dem Ausland würden in der Kombination Maut plus Kfz-Steuer, die sie in Deutschland nicht zahlen müssen, insgesamt immer geringer belastet als Inländer. Ob die EU-Richter dem folgen, muss sich am Dienstag zeigen. Sie tun das oft, aber eben auch nicht jedes Mal.
Das Urteil des EuGH ist der letzte Schritt in der juristischen Schlacht. Die Richter orientieren sich dabei üblicherweise sehr eng am vorgelegten Klagetext und geltendem EU-Recht. Konkret hieße dies: Geben sie grünes Licht, kann die Maut endgültig kommen. Verstößt sie aus ihrer Sicht gegen EU-Recht, müsste Deutschland einen ganz neuen Anlauf starten. Dies wäre aber politisch extrem unwahrscheinlich.
Der Richterspruch ist also wegweisend. Und wird auch zeigen, ob die Bundesregierung womöglich mit zu hohem Risiko gespielt hat. Sollte die Maut auf den letzten Metern doch noch scheitern, stünde nicht nur die CSU vor einem Scherbenhaufen. Auf den Bund käme kostspieliger Ärger zu. Denn trotz vieler Warnungen sind noch vor der endgültigen Rechtssicherheit Fakten geschaffen worden. Mehr als 40 Millionen Euro wurden schon ausgegeben, ein Großteil für Gutachten und Beratung. Vor allem gingen aber die Zuschläge an private Betreiber heraus, die sich künftig um die Erhebung und die Kontrolle der Maut kümmern sollen. Platzt die ganze Sache, drohen dem Bund Entschädigungsansprüche.
Letzte rechtliche und politische Unsicherheiten müssen geklärt werden
Mautminister Scheuer gibt sich aber zuversichtlich, den Segen des EuGH zu bekommen – und will dann Tempo machen. Denn inzwischen gibt es auch ein Startdatum. Ab Oktober 2020 soll auf Autobahnen und Bundesstraßen kassiert werden, für Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen. Und dafür sind noch weitere Vorbereitungen nötig.
Läuft die Maut dann, steht der letzte entscheidende Beweis aus: Bringt die Großoperation wirklich nennenswerte Summen für das Straßennetz in die Kasse? Das Ministerium verspricht unterm Strich 500 Millionen Euro extra im Jahr. Nicht nur die Grünen bezweifeln das aber und verweisen auf 17 Jahre alte Daten in der Prognose, wie Verkehrsexperte Stephan Kühn monierte: „Solide Berechnungen sehen anders aus.“ (dpa/ja)